Süßwarenhütte hat Standplatz vor dem Einkaufsmarkt in Kandel gefunden
Schausteller in Existenznot
Kandel. Schausteller gehören seit Jahrhunderten zur Ausstattung eines jeden Volksfestes. Die Fahr-, Spiel- und Verkaufsgeschäfte haben in all den Jahren bei den im Jahreslauf anstehenden lokalen Festen nichts an Attraktivität verloren. Doch in diesem Frühjahr findet kein Schausteller von Flensburg bis Garmisch-Patenkirchen mehr Arbeit. Dank der Coronavirus-Pandemie sind bis 31. August sämtliche öffentliche Großveranstaltungen wie Volksfeste, Jahrmärkte, Kirmessen und Dorffeste abgesagt.
Von Stefan Endlich
Schaustellerin Ida Gronen steht in diesen Tagen mit ihrem Süßwarenverkaufsstand auf dem Parkplatz vor dem Edeka-Markt in Kandel. Hier gibt es für alle Leckermäulchen eine riesige Auswahl an gebrannten Mandeln, Magenbrot, Popcorn und frischen Früchte in feiner Pralinenschokolade. „Wir Schaustellerfamilien suchen jetzt jede Möglichkeit, eine Tätigkeit auszuüben, eine Beschäftigung zu erzielen. Es geht in unserer Branche momentan echt ums Überleben. Dankenswerterweise hat die Firma Edeka Burger hier in Kandel uns ermöglicht, auf dem Parkplatz vor dem Einkaufsmarkt unsere Süßwarenhütte "Gronen Süße Exoten" aufzubauen. Es freut uns, dass das Angebot von den Kunden angenommen wird“.
Juniorchefin Tina Gronen, die sich die Arbeitsstunden an der Süßwarenhütte mit ihrer Mutter teilt, benennt die Auswirkungen der Coronakrise: Sowohl für sie als Schausteller als auch für das Publikum entstehe ein großes mentales Defizit. Die Möglichkeiten sich über schöne Dinge zu freuen, anderen Menschen Freude zu bereiten, sich gemeinsam bei örtlichen Festen zu entspannen, seien abrupt weggefallen.
In diesen Wochen wäre für die Familie Gronen in Südwestdeutschland normal die Saison voll angelaufen. Einzig das kleine Verkaufsgeschäft mit Süßwaren fand hier in Kandel einen Standplatz, die Spielgeschäfte der Schaustellerfamilie, unter anderen eine Verlosungsbude und ein Ballwurfwagen ruhen. Und in dieser schwierigen Situation wurde Tina Gronen überrascht, als in dieser Woche der Inhaber des Edeka-Marktes, Uwe Burger, ihr mitteilte, er verzichte auf eine Standplatz-Miete. „Ich war ganz perplex, dass es noch solche Leute gibt, die anderen helfen wollen“.
Der Präsident des 5000 Mitglieder zählenden Deutschen Schaustellerbundes, Albert Ritter, bezweifelt im Gespräch mit dem „Wochenblatt“, dass die Ansteckungsgefahr auf kleineren Volksfesten derart hoch sei, dass sie seine dauerhafte Absage rechtfertige. Man müsse einen Unterschied machen zwischen Veranstaltungen wie dem Münchner Oktoberfest, wo viele Tausend Besucher aus der ganzen Welt sich aufhielten, und einer dörflichen Kirmes mit mehreren Hundert Besuchern. Bei dieser Größe schütze ein durchdachtes Hygienekonzept.
Albert Ritter: „Seit über 1200 Jahren bereiten wir Schausteller den Menschen Freude, damit sie nicht in Depression verfallen. Das Lachen der Kinder hebt hier stets die Stimmung. Der Papst nannte bei einer Audienz vor zwei Jahren uns Schausteller als die, welche das Licht in die Dunkelheit bringen“.
Der Deutsche Schaustellerbund bitte deshalb die Kommunen, nicht voreilig Jahrmärkte, Oktoberfeste und Kirmessen abzusagen. Die Absage des Münchner Oktoberfestes habe leider schon eine fatale Signalwirkung auf weitere Absagen von Festen größerer Städte. Ohnehin wisse heute niemand, wie die Infektionszahlen im Oktober aussehen würden, betont Albert Ritter. „Unsere Betriebe benötigen nur eine Aufbauzeit von maximal 14 Tagen, um Fahrgeschäfte und Spielgeschäfte aufzubauen. Seit Jahrhunderten sind wir Schausteller gewohnt von Ort zu Ort zu ziehen mit wenigen Tagen Ab- und Aufbauzeit“.
Den Schaustellerbund-Präsidenten stört es, dass in der Coronaschutzverordnung der Regierung nicht genau definiert ist, was unter Großveranstaltungen fällt. „Wir freuen uns, so bald wie möglich wieder unsere Betriebe aufmachen zu dürfen. Wenn man es aber uns Schausteller nicht erlaubt, quasi weiterhin ein Berufsausübungsverbot herrscht, fordern wie einen staatlichen Rettungsschirm.“
Albert Ritter bemerkt hierzu, es handele sich dabei nicht um einen pauschalen und lauten Ruf nach finanzieller Hilfe, sondern um einen konstruktiven Vorschlag, den die Verbände in den vergangenen Wochen unter Einbeziehung von Experten entwickelt hätten. „Dreh und Angelpunkt unseres Konzeptes ist unsere Forderung, den Schaustellern den betrieblichen und privaten Bedarf in 2020, den sie mangels Einkommen nicht selbst bestreiten können, zu bezuschussen“.
Autor:Stefan Endlich aus Wörth am Rhein |
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