Die Spitzklicker aus Weinheim auf Besuch
Spitz verklickert XL – Die Spitzklicker

- Die Spitzklicker
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Spitz verklickert XL – Die Spitzklicker aus Weinheim auf Besuch im Rahmen der Kulturwoche Waldhof 2025 im Franziskussaal, Waldhof.
(BT) Auch dieses Jahr sind die Spitzklicker aus Weinheim Gast auf Einladung von Uwe Grundei bei der Kulturwoche Waldhof am Taunusplatz. Keine Klamotten im XL-Format, kein roter Stuhl im XL-Format erwarten die Besucher im Franziskussaal. Nein, XL im neuen Programmtitel steht in römischen Buchstaben geschrieben schlicht und ergreifend für die Zahl „40“, denn die Spitzklicker aus Weinheim sind sehr stolz darauf, das mittlerweile 40.Programm präsentieren zu können. Seit nunmehr 34 Jahren dabei, ist Franz Kain, der Dienstälteste Spitzklicker, dicht gefolgt von Markus König (33) und Daniel Möllemann. Susanne Mauder, die sich nach 27 Jahren aus Altersgründen von der Bühne zurückgezogen hat, gibt den weiblichen Staffelstab weiter an Iris Katzer, die ihre eigene langjährige Bühnenerfahrung und hessische Herkunft nicht verleugnen kann.
Und auch in diesem Jubiläumsprogramm bleibt kein Auge trocken, keine aktuelle Gesellschafts- und politisches Gegebenheiten entgehen der spitzen Lachkeule der vier Vollblutkabarettisten und bekommen mal musikalisch, mal sketchartig, mal kritisch, mal witzig ihr Fett weg. Also dann Hut ab und auf ins aktuelle Programm. In Fantastisch erhalten die etwas verhaltenen WM-Fußballfans vom „Amt für Nationalgefühl“ Nachhilfe in der Kunst des richtigen Jubelns mit diversen Schwarz-Rot-Goldenen Fanartikeln versehen und dem richtigen MOPS („Merkels-Original-Posting“ mit Raute). Auch der etwas andere Dialog zwischen zwei Vätern, welcher der beiden Söhne, der eine, der nach erfolgreichem BWL-Studium eine Karriere im Einzelhandel in der analogen Welt anstrebt oder der andere Sohn, der nach Abbruch der Schule Karriere als Influencer mit immerhin 3,8 Mio Followers macht, nun den erfolgreicheren Karriereweg einschlägt, lädt eher zum Nachdenken ein. Musikalisch laden die vier Musiker in den Salon der satanischen Dreistigkeit (sprich Hölle) ein, in dem trotz Dauerbesuchern wie Stalin, Hitler, Franco, Saddam und anderen verblichenen Diktatoren (Abschaum der Menschheit) noch einige Plätze frei ist und der sich wahrlich nicht um entsprechenden Nachwuchs sorgen muss. Und dann konnten die Gäste des Franziskussaales auch noch der nächtlichen Unterhaltung der durch KI und Chat-GPT zum Leben erweckten Haushaltsgeräte wie Saugroboter, Kühlschrank, Smartwatch und Hightech-Klo lauschen, die sich über ihren Einfluss auf Leben und Gesundheit ihrer Menschen auslassen („früher hat die Schwiegermutter dir vorgeschrieben was du tun sollst, heute übernimmt das Chat-GPT“). Zeugen wurde die Gäste auch, wie aus friedlichen Zaungästen bei einem Fußballspiel ihrer Kinder, fauchende aggressionsgeladene Eltern werden können oder wie die friedlich beginnende interessierte Nachfrage einer Ehefrau nach den Einzelheiten einer Hochzeit, bei der nur der Ehemann anwesend war, der eigentlich aber nur Auskunft geben konnte über das schnittige rote Ferrari-Cabrio in ein regelrechtes Verhör mit letztendlichem Ehekrach ausartet. Franz Kain rechnet in einer Predigt als katholischer Bischof (mit Mitra und Bischofsmantel) mit ausgeklügelten Wortspielen mit dem Missbrauchsskandal der Kirchen ab und das „Lachen“ über diese Freud’schen Versprecher der „Lüsternen Litanei“ bleibt bei dem entstandenen Leid der betroffenen Kinder bitter im Halse stecken.
Politisch und musikalisch wird es zu Ende des ersten Teils, mit einem musikalischen „Land in Gischt“, der Warnung „Vorsicht, das Schiff läuft aus dem Ruder“ und „Vorsicht, unsere Crew geht von Bord“ und einer Abrechnung mit dem erbärmlichen Verhalten unserer aktuellen Politikgrößen, die vergessen, dass der aufgewühlte Ozean „Europa“ und das in Seenot geratenen Schiff „Deutschland“ heißt.
Der zweite Teil „Wir Narren der Dinge“ beginnt mit einer bitterbösen Abrechnung mit den aktuellen Parteien, gebrochenen Versprechen, der „Blauäugigkeit“ und dem schwer verlaufenden Nazi-Virus (in der Regel ist nur der rechte Arm ist betroffen) der „Führer“enkel AfD, und der BSW einer Sarah Wagenknecht, die zarteste Versuchung, seit es Populismus gibt. Aber auch die Dubai-Schokolade („unserem Land kann es gar nicht sooo schlecht gehen“), Andre Rieu („Geige-Spielen ist wie Sex“), die deutschen Weinköniginnen (royaler menschlicher Cuvée), die Trendfahrzeuge der Rentner (Rollator und E-Bikes), alle bekommen an diesem Abend ihr Fett weg. Daniel Möllemann brilliert komödiantisch als genervter Kandidat im Sketch „comedy of Germany“ als Opfer einer Bewerbung für eine Sketchshow. Und die Deutschen werden mit dem Vorwurf konfrontiert, immer nur zu pinsen und zu jammern, ohne wirklich echt zu leiden. Auch für die verständnisheischenden Plakate am Rande der ewiglangen und ewigdauernden und ewig frei von Bauarbeitern Baustellen auf deutschen Autobahnen haben die vier Kabarettisten nur eine Antwort „Vielen Dank für Ihr Verständnis, … wenn ich ausraste“.
Kein Auge bleibt trocken schlussendlich in der Zugabe, als die „Rentnerband“ unter der Leitung von Iris Katzer, die singende Resterampe für betreutes Singen, beschließen, moderner zu werden, um neue Zielgruppen zu rekrutieren. Der Versuch, klassische Lieder („Kein schöner Land“) aufzupeppen und mit neuem Beat und Rhythmus der modernen Sprache anzupassen, endet damit, dass der schöne Westerwald in einem Rap endet und aus dem vielgepriesenen „Eukalytusbonbon“ ein „Ricola“ wird.
Der Besuch einer Veranstaltung der „Spitzklicker“ ist immer wieder wie eine Therapiestunde, eine tolle Einladung für ein paar Stunden der rauen Wirklichkeit zu entfliehen, wenn die Absurditäten des Alltags nur mit einem Löffelchen von Humor zu ertragen sind.
Text und Bilder : Beate Tilg





Autor:Wolfgang Neuberth aus Mannheim-Nord |
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