Bereits 65 Adebar-Nester:
Größte Storchenkolonie im Land
Oberhausen-Rheinhausen/Region. Für manchen Spaziergänger und Radfahrer ist es eine kleine Sensation: Eine der größten Storchenkolonien im Südwesten, möglicherweise in ganz Deutschland, gibt es in Oberhausen-Rheinhausen. Davon überzeugt zeigt sich die Storchenbeauftragte Gabriele Picke, die auf die ständig wachsende Population der heimischen Weißstörche verweist.
Das Tier gehört zur Familie der Störche und zur Ordnung der Schreitvögel, lebt in offenen Landschaften, Feuchtgrünland, Flussniederungen und -auen mit periodischen Überschwemmungen sowie extensiv genutzten Wiesen und Weiden, so heißt es in einer Beschreibung des NABU.
Zu Recht wird Oberhausen-Rheinhausen als „Storchengemeinde“ bezeichnet. In und um Rheinhausen, im Bereich der Rheinauen, gibt es derzeit 48 Storchennester mit Brutpaaren, 2014 waren es noch ganze acht Plätze. Im weiteren schmalen und kleinräumigen Auwald zwischen Altlußheim und Philippsburg haben sich gar 65 Pärchen niedergelassen: also zusammen 130 Störche, die sich in der Nähe der Bruhraingemeinde wohl fühlen.
Warum? Die Gegend bietet geradezu ideale Voraussetzungen. Wiesen und Äcker liegen gleich daneben. Im weiten Umland bis zu 30 Kilometer gibt es einige Mülldeponieren, die sie durchstöbern können. Neben dem wichtigen Aspekt der Nahrungsfindung kommt als weiteres Kriterium die angenehmen klimatischen Verhältnisse hinzu, etwa die feuchten Auwälder.
Wer frühmorgens am Rheinufer unterwegs ist, hört das laute Geklapper der Klapperstörche. Unweigerlich erinnern diese markanten Geräusche an das bekannte Kinderlied: „Auf unsrer Wiese gehet was, watet durch die Sümpfe. Es hat ein schwarzweiß Röcklein an, trägt auch rote Strümpfe.“
Schon immer suchten Störche die beiden Dörfer Oberhausen und Rheinhausen auf. Aufnahmen sind aus der Zeit vor 1900 noch vorhanden. Doch dann bleiben sie 40 Jahre lang weg, berichtet Heimatvereinsvorsitzender Heinz Kraus, der sich noch, damals in seiner Jugendzeit, an die Nester auf dem ehemaligen Rathaus Oberhausen und auf dem Anwesen der alten Rheinhäuser Kirche gut erinnert.
1989 holte sich der Vogelverein Oberhausen ein Storchenpaar. Doch der erhoffte Nachwuchs stellte sich nicht ein. Erst 1994 wurde das erste Storchenpaar mit drei Jungen heimisch, weiß Michael Dossinger vom Vogelpark Oberhausen. Ab 2000 beschränkten die Storcheneltern ihre Reviere nicht nur auf Oberhausen, sondern bezogen auch Nistplätze in Rheinhausen ein.
Damals ließ sich der erste Rheinhäuser Storch auf einem kronenlosen Baumstamm am Damm nieder, erzählt Kraus. 2004 bekam der Heimatvereinschef die Genehmigung, die ansässigen Störche zu beringen. Diese Aufgabe führte er bis 2014 aus. Nunmehr hat Thomas Picke die Beringung übernommen, Ehefrau Gabriele betreut die Tiere und schaut täglich nach ihrem Wohlergehen. Beide kümmern sich bereits seit 2009 um das Storchenwohl, zunächst im Rhein-Neckar-Kreis.
Jetzt sind die Störche am Brüten, das so 32 Tage dauert. Anfang Mai dürften die Jungen schlüpfen. In der Regel haben Storchenmama und Storchenpapa drei Kinder.
Doch darf sich die Gemeinde nicht nur über die Storchenkolonie freuen, auch Graureiher haben ein Zuhause gefunden. Inzwischen sind 26 Nester von ihnen besetzt.
Beste Voraussetzungen für die Storchenfamilien hat der Forst geschaffen. Vorsicht hieß es bei der vor einem Jahr vorgenommenen Teilabholzung, um die vorhandenen Storchennester nicht zu beschädigen. Dabei ging es darum, Baumstämme mit vorhandenen und denkbaren Nistplätzen stehen zu lassen, damit die Störche eine gewisse Auswahl vorfinden. Aber die Forstarbeiter sorgten sich nicht nur um den Erhalt, sondern schufen mit übrig gelassenen geköpften Baumstämmen auch neue Nester.
Vor 50 und mehr Jahren glaubten alle Kinder noch, dass der Klapperstorch als Baby-Lieferant das ganze Jahr hindurch im Einsatz ist. Warum? Er war als heimisches Tier gut bekannt, groß genug für den Transport. Zudem hält er sich viel am Wasser auf. Auch diese Eigenschaft habe letztlich dem Storch zu seinem Ruhm als Babybringer verholfen, heißt es. Denn im Wasser wohnten, so der Volksglaube, die Seelen der Kinder. Und Wasser galt schon immer als Symbol und Ursprung für den Beginn neuen Lebens.
Aus Rheinhausen kommt auch der Storch Lukas, einer der ersten, der jetzt mit Hightech ausgestattet ist. Der moderne Weißstorch trägt Sender - wie ein Rucksack auf den Rücken geschnallt. Zu den badischen Hochburgen der, wie sie heißen, „besenderten“ Tiere gehört die Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen.
Im Juni 2020 bekam das Max–Planck–Institut für Verhaltensbiologie - in Zusammenarbeit mit der Zentrale für Tiermarkierung „Vogelwarte Radolfzell“ - die Genehmigung, einige Jungstörche im Südwesten mit GPS–Logger zu versehen. Zu den ausgesuchten Exemplaren gehörte auch der Oberhausen-Rheinhausener Lukas.
Inzwischen ist festzustellen, dass der Bruhrain-Adebar im fernen Senegal überwintert hat. An zwei Tagen schaffte er 457 Kilometer auf dem Rückflug. Bis heute sammelte das Tierchen 9.310 Flugkilometer. Dank der Senderausstattung weiß man, dass es sich bei den Örtlichkeiten in Rheinhausen um einen Treffpunkt der Störche aus fast allen Bundesländern handelt, auch „Flüchtlinge“ aus Frankreich, der Schweiz und sogar aus Schweden gehören zur versammelten internationalen Runde.
Autor:Werner Schmidhuber aus Waghäusel |
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