Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik
Wenn Umwelt auf Technik trifft
Der Jugend gehört die Welt“, pointierte einst Oscar Wilde den großen Perspektivenreichtum der heranwachsenden Generation. Gerade mit Blick auf die Berufswahl gilt dies heute mehr denn je, schließlich stehen schier grenzenlose Möglichkeiten offen. Was aber tun nach dem erfolgreichen Schulabschluss? Ausbildung oder Studium lautete die Kardinalfrage, direkt gefolgt vom präferierten Ort und Metier auf dem Weg in Beruf und Karriere.
Die passende Antwort muss jede/r ganz individuell für sich selbst finden. Dabei gilt es, vielfältige Aspekte abzuwägen: Wie hoch etwa sind Verdienstmöglichkeit und Zukunftssicherheit? Kann ich mich beruflich weiterentwickeln und auch aufsteigen? Aber natürlich geht es auch um die Work-Life-Balance, also Karriere, Aufwand und Stressfaktoren auf der einen sowie Familienleben, Freude an der Arbeit, Selbstverwirklichung und Anerkennung auf der anderen Seite.
Marie Mattill und Marco Müller haben sich Anfang 2021 beide für den gleichen Weg entschieden und sich in ihrem Schulabschlussjahr bei der Stadtverwaltung Pirmasens beworben. Am 1. August 2021 konnten beide ihre dreijährige Berufsausbildung zur Fachkraft für Abwasser-technik antreten. Im Interview berichten sie über die Hintergründe ihrer Entscheidung, den ersten Kontakt zum Ausbildungsberuf und rückblickende Erfahrungen aus den ersten Monaten der Ausbildung.
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Redaktion: Sie haben sich für einen vergleichsweise außergewöhnlichen Ausbildungsberuf entschieden. Wie kam es denn dazu?
Marco Müller: Ich habe in meiner Schülerzeit mehrere Praktika absolviert, aber nichts davon war mir abwechslungsreich genug. Über eine Ausschreibung erfuhr ich schließlich von dem Ausbildungsangebot, konnte mich dann einen Tag mal umschauen und war begeistert, wie vielfältig die Aufgaben sind. Außerdem gefiel mir sehr gut, nicht nur drinnen, sondern oft auch draußen unterwegs sein zu können; das habe ich über meine Tätigkeiten in der Landwirtschaft sehr zu schätzen gelernt.
„Mitbringen für den Beruf sollte man handwerkliches Geschick und technisches Verständnis, logisches Denkvermögen und eine schnelle Auffassungsgabe, aber gerade auch Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein.“
Marie Mattill: Bei mir war das ganz ähnlich, wobei ich 2020 schon für ein sechswöchiges Praktikum hier war. Was soll ich sagen: Es ist eben alles ganz anders, als man gemeinhin denken mag – sehr abwechslungsreich zudem und man weiß schlichtweg morgens nicht, was einen den Tag über so alles erwartet. Und außerdem ist der Beruf absolut krisensicher: Kläranlagen wird es immer brauchen!
Redaktion: Anders als man denken mag? Wie meinen Sie das?
Marie Mattill: Wenn die Leute etwas von Kläranlage hören, denken sie meist gleich an Fäkalien und Gestank, dabei haben wir es hier doch mit Abwasser ganz generell zu tun. Und mit dem haben wir über den gesamten Prozess der Reinigung sowieso so gut wie keinen Kontakt, dafür umso mehr mit den technischen Anlagen, die den Betrieb überhaupt erst ermöglichen und rund um die Uhr am Laufen halten.
„Als Fachkraft für Abwassertechnik muss man jederzeit bereit auch für Bereitschafts-dienste sein. Störungen halten sich nämlich generell nicht an Uhrzeiten.“
Redaktion: Wie gehen Sie denn damit um, wenn andere so abwertend über Ihren Ausbildungsberuf reden?
Marco Müller: Wir wissen es ja besser und können mit den Vorurteilen aufräumen. Aber manchmal denken wir uns auch einfach nur: Ihr würdet euch ganz schön umgucken ohne uns!
Redaktion: Sie sprachen von Abwasser, das in die Kläranlage kommt und dort dann gereinigt wird. Mal ganz platt gefragt: Was ist denn eigentlich Abwasser?
Marco Müller: Zum Abwasser gehört das Schmutzwasser, das nach dem Gebrauch aus den privaten Haushalten und Unternehmen zu uns abgeleitet wird – aber auch das Regenwasser, das von Dächern und Straßen über die Kanalisation zu uns in die Kläranlagen kommt.
Redaktion: Und was gibt es dort für Sie beide zu tun?
Marie Mattill: Abwasserreinigungsanlagen, Pumpwerke, Absetz- und Belebungsbecken: Bevor das Wasser wieder gesäubert in Felsalbe oder Blümelsbach eingeleitet werden kann, braucht‘s allerlei Technik. Unsere Aufgabe ist es dabei, die Anlagen regelmäßig zu warten, durchzumessen und zu überprüfen. Dafür sind wir an beiden Kläranlagen unterwegs, aber auch an den im Stadtgebiet verteilten Pumpstationen und im Labor, wo die entnommenen Proben untersucht werden. Wenn es zu einem Störfall kommt, müssen wir möglichst schnell die Ursache finden und das Problem beseitigen.
„Auftretende Fehler wie Pumpenschäden oder Verstopfungen müssen schnell beseitigt werden, damit keine schädlichen Substanzen in die Umwelt gelangen und auch erhöhte Energieverbräuche vermieden werden.“
Redaktion: Das heißt, dass auch Reparaturen dazugehören?
Marco Müller: Ja, Fehler können jederzeit auftreten. Das passiert unregelmäßig, aber besonders oft, wenn viel Regen fällt. Man spricht dann von Spülstößen, wenn der hohe Wasserdruck in den Kanälen Feststoffe ausspült und mitreißt. Und wenn das hier in großer Menge ankommt, gibt es naturgemäß mehr Störfälle. Um die zu beseitigen, werden wir handwerklich auch ausgebildet – am Ausbildungsplatz und über regelmäßige überbetriebliche Ausbildungen in dem Bildungszentrum von DEULA in Bad Kreuznach, beispielsweise über Metallverarbeitung, Löten und Rohrleitungsbau.
Redaktion: Und der theoretische Unterricht findet in der Berufsschule in Pirmasens statt?
Marie Mattill: Nein, der Beruf ist so selten, dass es landesweit nur sehr wenige Schulstandorte dafür gibt. Wir müssen im wöchentlichen Wechsel ein- bis zweimal mit dem Zug nach Ludwigshafen fahren. Von der Stadtverwaltung haben wir ein Tablet zur Verfügung gestellt bekommen, damit wir außerdem auch die Online-Plattform OLAT der Berufsschule nutzen können. Inhaltlich geht es neben den allgemeinen Fächern wie Deutsch oder Mathe viel um Technik, Chemie und Physik. Auf unserem Stundenplan stehen beispielsweise Rohrleitungsbau und Pumpensysteme, Stoffeigenschaften oder der Aufbau von Zellen und die Abwasserinhaltsstoffe.
„Leider entscheiden sich immer noch nur wenig Frauen zur Ausbildung als Fachkraft für Abwassertechnik, im landesweiten Durchschnitt beträgt die Frauenquote 15-20 Prozent. Marie Mattill ist in ihrer Berufsschulklasse die einzige Frau unter 18 Schülern.
Redaktion: Habt ihr denn eine besondere Arbeitskleidung?
Marco Müller: Wir haben Sicherheitsschuhe und ganz wichtig ist es, Einweghandschuhe zu tragen. Schließlich kommt jeder Keim, der sich in der Stadt ausgebreitet hat, irgendwann auch in der Kläranlage an. Deshalb wird sehr stark auf Hygiene geachtet: Unsere privaten Klamotten werden strikt von der Arbeitskleidung getrennt und wir machen die sogar vor Ort in eigens dafür bereitgestellten Waschmaschinen sauber. Wir duschen übrigens auch regelmäßig nach der Arbeit im Betrieb.
Redaktion: Und wie könnte es mit eurer Karriere nach der Ausbildung weitergehen?
„Aktuell erlernen drei Auszubildende bei der Stadtverwaltung Pirmasens den Beruf der Fachkraft für Abwassertechnik. Dabei ist die Perspektive stets gegeben, danach auch übernommen zu werden.“
Marie Mattill: Die Chancen für eine Anstellung bei der Stadt Pirmasens sind sehr gut und für eine Weiterbildung gibt es viele Möglichkeiten – etwa wie unser Ausbilder, Herr Hochdörffer, den Abwassermeister machen, eine Technikerausbildung oder auch studieren gehen. Da gibt es beispielsweise den Tiefbauingenieur für Siedlungswasserwirtschaft oder einen Masterstudien-gang für Verfahrenstechnik. Aber jetzt machen wir erstmal unsere Ausbildung fertig und dann sehen wir weiter.
Redaktion: Danke fürs Gespräch und weiterhin viel Erfolg Ihnen beiden.
Autor: Andreas Becker
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Ausbildungsprofil
Die Fachkraft für Abwassertechnik hat im Jahr 2003 als moderner dualer Ausbildungsberuf für öffentlichen Dienst und Industrie den 1988 als Berufsbild eingeführten „Ver- und Entsorger“ abgelöst; zuvor wurde der personelle Nachwuchs ausschließlich über Seiteneinstiege u. a. aus Maschinenbau, Elektrotechnik und Chemie besetzt. Die Fachkräfte für Abwassertechnik über-wachen, steuern und dokumentieren alle Abläufe sowohl in den Entwässerungsnetzen als auch insbesondere bei der Abwasser- und Klärschlammbehandlung in Kläranlagen. Dabei werden automatisierte Anlagen und Maschinen an Leitständen kontrolliert und bei Normabweichungen sofort die notwendigen Korrekturmaßnahmen ergriffen. In Kläranlagen ist die Reinigung des Abwassers in der mechanischen, biologischen und chemischen Reinigungsstufe zu überwachen, ferner sind Abwasser- und Klärschlammproben zu analysieren und dokumentieren – die daraus gewonnenen Erkenntnisse helfen, die Prozesse zu optimieren und wirtschaftlicher zu machen. Die Fachkräfte für Abwassertechnik überwachen Kanalnetze und Einleiter, außerdem inspizieren, reinigen und warten sie Rohrleitungssysteme, Schächte und die verschiedensten Anlagenteile; auch elektrische Installationen werden ausgeführt und repariert. Nach ihrer dreijährigen Ausbildung finden sie Beschäftigung in der Abwasserwirtschaft (vor allem in kommunalen und industriellen Kläranlagen), in der öffentlichen Verwaltung (etwa bei Abwasserverbänden) sowie in Wirtschaftsbetrieben mit eigener Abwasserreinigung.
Steckbrief Marie Mattill
Alter: 18 Jahre
Wohnort: Pirmasens, Ortsteil Erlenbrunn
Karriereweg:
- Sekundarabschluss I an der IGS Thaleischweiler-Fröschen
- Biologisch-Technische Assistentin (BTA) am Naturwissenschaftlichen Technikum, Landau
- Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik bei der Stadtverwaltung Pirmasens seit 1.8.2021
Liebstes Hobby: Pferde
Steckbrief Marco Müller
Alter: 17 Jahre
Wohnort: Pirmasens, Ortsteil Gersbach
Karriereweg:
- Sekundarabschluss I an der IGS Thaleischweiler-Fröschen
- Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik bei der Stadtverwaltung Pirmasens seit 1.8.2021
Liebstes Hobby: Motorradfahren
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Autor:Martina Overmann aus Pirmasens-Land |
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