Leben in Zeiten von „Covid-19“ in Hospiz und Altenheim
„Damit sie nicht vergessen sind“
von andrea Katharina Kling-Kimmle
Pirmasens. Die weißhaarige Dame sitzt am Fenster und spricht in ihr Handy. Vor der Glasscheibe ein Mann, der telefonierend Blickkontakt hält. „Besuch“ im Hospiz in Zeiten von „Covid-19“. Einige Meter weiter hat eine Frau auf der Bank vor dem Seniorenheim „Haus Bethanien“ Platz genommen. Weil sie nicht zu ihrem Vater darf, will sie ihm als kleine Geste einen Sixpack Cola zukommen lassen. Jetzt wartet sie, dass jemand vom Personal die Getränke entgegennimmt. Die Kontaktsperre und damit das Besuchsverbot in Heimen belastet Familien und trägt zur Minderung der Lebensqualität von Senioren und Schwerstkranker bei.
Trotzdem wird die Extremsituation in Zeiten von „Corona“ ganz gut gemeistert. Im Gespräch mit dem Wochenblatt lobt Silvia Bach, Bereichsleitung Wohnen/Pflege des Diakoniezentrums Pirmasens Bewohner, Angehörige und Mitarbeiter: „Ich habe großen Respekt vor allen, wie sie dieser Herausforderung begegnen“. Wie schwer es gerade für Familienmitglieder ist, schildert Manuela Göhmann. Ihr 86-jähriger Vater, der unter Demenz leidet, wohnt im Seniorenheim „Haus Bethanien“ der Diakonie. „Ich leide sehr darunter, dass ich zwar mit ihm telefonieren, ihn aber nicht sehen und berühren kann“. Vor fünf Wochen hat die Tochter den Vater zuletzt besucht. Gerade der persönliche Kontakt, „ich habe ihm immer gerne über den Kopf gestrichen“, fehlt ihr sehr. Da derzeit noch kein Ende der Schutzmaßnahmen in Sicht ist, hofft Manuela Göhmann nur, dass der Papa nicht irgendwann alleine sterben muss. Damit er weiß, dass sie ihn nicht vergessen hat, hat sie eine Packung Cola gekauft, die ihm eine Schwester im Auftrag der Tochter bringt. Ins Heim darf sie nicht, sie wartet vor dem Haus, bis jemand vom Personal ihr „Mitbringsel“ entgegennimmt.
Es sei für die Bewohner sowohl im Altenheim, als auch im Hospiz wichtig zu erfahren, „dass sie nicht vergessen sind“, sagt Silvia Bach. Angehörige und Freunde seien in dieser Beziehung sehr einfallsreich. So hätten schon einige Bekannte den alten Menschen vor dem Fenster ein musikalisches Ständchen gebracht. Auch Briefe und hübsche Postkarten flattern des Öfteren in die Senioreneinrichtungen der Diakonie, wo gleichzeitig die Telefondrähte glühen. Zu Ostern hatten die Kinder im „Haus Benjamin“ der Jugendhilfe Jona allen Bewohnern Kleeblätter aus Pappe mit kleinen Marienkäferchen aus Steinen gefertigt.
Dass keinerlei Besuch erlaubt ist, um die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus zu minimieren, sei bei den älteren Herrschaften „auf ein erstaunlich großes Verständnis gestoßen“, erklärt Silvia Bach. Problematisch sei allerdings die Situation bei Demenzkranken. So erzählt sie von einem Fall, als eine betagte Dame mit Alzheimer ins „Haus Bethanien“ einzog, sich aber zunächst in Quarantäne begeben musste. „Damit war sie überhaupt nicht einverstanden und verließ ständig ihr Zimmer“. Man habe deshalb der Tochter erlaubt, sich in Schutzkleidung und mit Maske und Handschuhen in der Nähe der Mutter aufzuhalten. Doch das sei eine Ausnahme gewesen.
Auch für das Hospiz „Haus Magdalena“ gelten eigene Regeln. Trotzdem ist der Kreis der Besucher eingeschränkt, macht Silvia Bach deutlich. „Hier befinden wir uns auf einer Gratwanderung“. Angesichts der Tatsache, dass die Gäste unheilbar krank und oftmals im Sterben liegen könne man trotzdem nicht alles zulassen. Auf der anderen Seite brauchen die Menschen aber gerade in dieser Phase „ein Rest an Lebensqualität“. Deshalb dürfen Angehörige in Schutzkleidung auch mal dem Kranken die Hand halten. Vorteilhaft sei dabei die Unterbringung der wenigen Gäste in Einzelzimmern. Das Hospiz hält sechs Plätze vor, die ständig belegt sind. In das „Haus Magdalena“ ist der Eintritt generell verwehrt. Wer einen Besuch machen will, muss zuvor klingeln und sich anmelden. Doch stets gelte die „Einzelfallregelung“, sagt Silvia Bach. Das betreffe auch den Wunsch nach dem Beistand eines Seelsorgers. ak
Autor:Andrea Kling aus Pirmasens |
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