„Digitalisierung“: Wochenblatt-Interview mit Kaplan Heinke
Für den Glauben „brennen“ als Botschaft im Netz
Pirmasens. In der Corona-Krise mit direktem Kontaktverbot und Ausgangssperre waren soziale Medien für viele Menschen der einzige Weg, der Einsamkeit zu entfliehen. Genutzt wurden die digitalen Möglichkeiten auch von den beiden großen Kirchen. Manche Pfarrer gingen dabei professionell vor, andere sehen dies noch als große Herausforderung. Digitalisierung ist ein Thema, an dem heute niemand vorbei kommt. Wochenblatt-Redakteurin Andrea Katharina Kling-Kimmle hat sich über die Chancen, die sich dadurch bei der seelsorgerischen Arbeit ergeben, mit Kaplan Peter Heinke von der katholischen Pfarrei Seliger Paul Josef Nardini unterhalten.
???: Die katholische Kirche klagt über viele Austritte. Bieten digitale Medien neue Chancen, Menschen wieder in die Kirche zu bringen?
Peter Heinke: Zunächst würde ich das Ziel anders formulieren: Es geht, nach meinem Verständnis, weder darum die Zahl der Kirchensteuerzahler zu erhöhen noch die Kirchen(-gebäude) „wieder voller zu machen“. Meines Erachtens ist das Ziel der Kirche Menschen zu Jüngerinnen und Jüngern Jesu zu machen – dass sie dazu dann auch regelmäßig diesen Jesus in der Kirche feiern (Sonntagsgottesdienst und ähnliches) ist dann die Folge. Um dieses Ziel zu erreichen muss man unterscheiden zwischen der eigentlichen Botschaft – und dem Weg um diese zu vermitteln. Um es mit einem Beispiel zu sagen: Wenn Sie eine Katze haben, die vom Kühlschrank springt, können Sie davon ein Video machen, dass auf Youtube tausende Klicks bekommt. – Aber entscheidend ist die richtige Katze. Daher ist das Entscheidende für mich, dass es Menschen gibt, die fasziniert sind vom Glauben, die begeistert sind von ihrem Weg in der Freundschaft mit Jesus Christus. Wenn diese Menschen brennen, ist das der entscheidende Inhalt.
Erst an zweiter Stelle kommen dann die Medien, auf denen diese brennenden Menschen anderen ihren Glauben mitteilen.
Die Frage ist da natürlich schon, wie man gerade die Menschen mit der Botschaft erreicht, die nicht zu den regelmäßigen Kirchgängern gehören, die fernstehen, nie etwas vom Glauben gehört haben oder kritisch das ganze beobachten. Um mit ihnen in Kontakt zu treten ist es unerlässlich alle Möglichkeiten – auch die digitalen Medien zu nutzen. Die Menschen sind ja individuell und das spiegelt sich in ihrem Medienverhalten wieder. Aber noch mal – die besten Medien helfen nichts, wenn die Botschaft nicht klar ist, der Inhalt fehlt und die Menschen, die Jesus nachfolgen keine Faszination vom Glauben haben.
???: Welche Zielgruppen sollen angesprochen werden?
Heinke: Generell spricht die Kirche alle Menschen an – bzw. sollte die Kirche alle (gerade eben diejenigen, die der Kirche fernstehen) ansprechen. Mittlerweile nutzen ja auch Menschen aller Altersgruppen digitale Medien – insofern kann man zwar schauen, wer über welche Medien erreicht werden kann, aber es bleibt offen für alle.
???: Ersetzen diese Kontakte das persönliche Gespräch?
Heinke: Gewiss nicht. Ich stelle fest, dass Kommunikation über digitale Medien oft missverständlich ist, oder es viel einfacher etwas schnell in einer Whatsapp zu schreiben, als es dem anderen ins Gesicht zu sagen. Es ist digital viel leichter eine Maske aufzusetzen und eine ganz andere Person zu geben, als man tatsächlich ist – das ist schade! Und es gibt Dinge, die muss man Face to face besprechen. Des Weiteren: Vom menschlichen Miteinander her gesehen ist es völlig offensichtlich, dass bei einer persönlichen Begegnung viel mehr geschieht, als bei der digitalen Kommunikation.
???: Können Facebook und Co. den Priester in seiner seelsorgerischen Arbeit entlasten?
Heinke: Gewiss, wenn auch bedingt. Die Kirche hat eigentlich immer versucht (mal schneller, mal zögerlicher) die Formen der je aktuellen Kommunikation zu nutzen. Facebook und Co. können die Arbeit erleichtern und können unserem Ziel dienen. Aber eine sachgemäße Auseinandersetzung und ein auf dem Stand der aktuellen Medien Bleiben kosten auch Zeit und Energie. Es ist wichtig abzuwägen, wie weit aus dem Gebrauch ein Nutzen entsteht. Außerdem geht es ja nicht nur darum, dass wir Priester die verschiedenen Medien nutzen: Jede und jeder Getaufte hat ja die Aufgabe seinen Glauben mit anderen zu teilen. Dass dafür auch die sogenannten „neuen“ Medien eine Unterstützung sind, davon bin ich überzeugt!
???: Sollten die Sonntagspredigten auch im Internet veröffentlicht werden?
Heinke: Ich kenne Priester, die die Predigten tatsächlich regelmäßig veröffentlichen – sei es schriftlich oder in Videoform. Das ist deren Form Menschen über die Kirchen hinaus zu erreichen.
Es ist wohl auch eine Frage der Qualität wie man das dann macht: Zum einen muss die Predigt qualitätvoll sein, aber ebenso auch das Medium – zum Beispiel der Film. Einen schriftlichen Text einzustellen halte ich nur für die zweite Wahl: Eine Predigt ist eine Rede (keine Schreibe) und wirkt erst im gehaltenen Vollzug. Wenn daraus dann ein ansprechendes Video entsteht – warum nicht?
???: Welche konkreten Erfahrungen haben Sie in der Corona-Krisenzeit gemacht?
Heinke: Auch hier war mir wichtig die unterschiedlichen Zielgruppen auf den Wegen zu erreichen, die sie sonst im Alltag nutzen: Menschen, die regelmäßig zu den Gottesdiensten kommen, sollten auf „herkömmlichen“ Wegen erreicht werden. Ich habe regelmäßig Begleitbroschüren verfasst, die Ehrenamtliche verteilt und die Menschen zu Hause durch die Feiertage und Wochen begleitet haben. Hier habe ich erfahren, dass diese Begleitung für viele sehr wichtig war. Ich habe mich aber auch in manch neuem ausprobiert: Videos erstellen zum Beispiel – sowohl für die Kommunionkinder (für die ich mit Stativ und Handykamera im Turm von St. Anton hochgeklettert bin) oder für den Jugendkreuzweg einer Messdienergruppe in der Südpfalz. Ich habe fast wöchentlich Gottesdienste auf Maria Rosenberg gefeiert, die im Livestream übertragen wurden. Kurz vor der Corona-Zeit habe ich – zur besseren Vernetzung – begonnen Instagram zu nutzen. Auch hier gab es eine wunderbare Kooperation bei einer Insta-Story mit einer Kollegin aus einer Speyerer Schule.
Schließlich habe ich mit zwei anderen Priestern der Umgebung einen Online-Gebetskurs für Jugendliche ins Leben gerufen und dabei gute Erfahrungen gesammelt. Diese Jugendlichen hätten sonst nie (zum Teil aufgrund der räumlichen Entfernung) zusammengefunden.
Mir macht das Einarbeiten in die neuen Formen sehr viel Freude – auch wenn ich normal überhaupt nicht der Technikfreak bin. Mir ist es wichtig, dass das, was ich mache eine gewisse Qualität hat, das ist manchmal auch ganz schön herausfordern. Aber gerade auch die Ermutigung von anderen – vor allem Ehrenamtlichen (auch vielen Jugendlichen), mit denen ich dann in Teamarbeit zusammengewirkt habe, haben mich sehr ermutigt! Es war also im Blick auf die Medien eine sehr lehrreiche und bereichernde Zeit. ak
Autor:Andrea Kling aus Pirmasens |
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