Industriekultur-Event in Pirmasens sorgt für Begeisterung
"Große" Kunst mit Bagger und "Bergsteiger"
Pirmasens. Eine tänzerische Liaison mit einem Bagger einzugehen oder sich bei spätsommerlichen Temperaturen in dicken Sweatshirts auf dem Boden herumzuwälzen, das erfordert Mut und Enthusiasmus. Die Gestalter der Industriekultur „rund um die Uhr“ in Pirmasens wurden für diesen Akt des kunstreichen Agierens an der Grenze zur Akrobatik reich belohnt. Mit einer überwältigenden Publikumsresonanz dankten die Menschen allen Organisatoren und Mitwirkenden, die für ein Event der Extraklasse in einer Stadt gesorgt hatten, die meist von Außenstehenden auf „dem hohen Ross“ belächelt oder gar vernichtend durch die Medienwelt gezerrt wird.Industriekultur, das Motto des Kultursommers Rheinland-Pfalz, hat sich in der Horebstadt nach diesem Wochenende einen Namen gemacht, der mit Kreativität, Ästhetik, Kunst- und Sachverstand, aber auch mit einer heiteren Gelassenheit und Lebenslust verbunden ist. Für OB Dr. Bernhard Matheis ist der „Titel Programm für die wechselvolle Geschichte unserer Stadt“. Das zeigte sich an der Auswahl der Locations, zu denen Exerzier- und Schlossplatz, Rheinberger (die einstige Schuhproduktionsstätte) und Alte Post gehörten. Historisch die Spielstätten, modern und eigenwillig die einzelnen Programmpunkte, die unterschiedliche Reaktionen hervorriefen. Während die Mehrheit völlig im Bann des Ungewohnten war, gab es auch die eine oder andere kritische Stimme. Eine Dame befand beispielsweise die Auftritte der „Bergsteiger“ aus Berlin als langweilig. Die Akteure von „Grotest Maru“ hatten sich zur Aufgabe gemacht, die Absurditäten der Arbeitsbedingungen der modernen Industriegesellschaft zu thematisieren. Dass sie dabei an den „glatten Wänden“ der Rheinberger-Fassade hoch gingen, war nur ein Highlight. Doch offenbar konnte nicht jeder diese Botschaft mit den Aktionen in Einklang bringen.
Dagegen rief der „tanzende Bagger“ auf dem Joseph-Krekeler-Platz vor der Alten Post große Bewunderung hervor. Ein schweres Gerät auf diese Weise zu beherrschen, dass der Koloss sich graziös auf eine Romanze mit einem schwarz gekleideten Mann einließ, war meisterhaft. Auch der Partner des Baggers ging völlig in dem „Pas de Deux“ auf, sank auf die Knie oder ließ sich weit über die Dächer der umliegenden Häuser emporheben, um gleich danach wie ein zutiefst verletztes Wesen über die mächtigen Räder zu Boden zu gleiten. Mit dieser „Ballettaufführung“ verband die Gruppe „Beau Geste“ Mensch, Maschine und Kunst auf hohem Niveau.
Es waren viele außergewöhnliche Begegnungen mit Kultur bei diesem Event verknüpft, wie die Schuh-Rutschpartie der „City Runner“, die in farbenfrohen Sweatshirts die Rheinberger-Passade auf den Kopf stellten und zum Schluss als bunter Knäuel den Besuchern fast vor die Füße rollten.
Max Riefer und Ensemble begleiteten das Spektakel mit Percussion in allen Variationen, die beiden Theatergruppen „A.K.T.“ und „Flamettis Erben“ steuerten einige Szenen zur Pirmasenser Geschichte und zu Hugo Ball bei und Oss Kröher sorgte für Lokalkolorit. Wie sich Musik auf den Körper übertragen kann, zeigten Irene Carreno und Valentin Steckel während „Les Grooms“ aus Paris zu Helden der Straße wurden. Der Campus Club wurde vertreten von der Tanzgruppe „Kami“ und Kerstin Bachtler moderierte das ganze Spektakel.
Nach der „mitternächtlichen Geisterstunde“ startete in den frühen Morgenstunden des Sonntags – noch bevor die Sonne aufging – eine Zeitreise durch die tief schlafende Stadt, die stolz ist auf ihre Vergangenheit und die sich optimistisch aufmacht in die Zukunft. (ak)
Autor:Andrea Kling aus Pirmasens |
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