Leben für die Leidenschaft oder "Die Reise nach Barbizon"
Stille und Lärm im Auge der Kunst

Das Auge des "Cyclop" von Jean Tinguely. Foto: Kling
5Bilder
  • Das Auge des "Cyclop" von Jean Tinguely. Foto: Kling
  • hochgeladen von Andrea Kling

Pirmasens/Barbizon. Für die Kunst leben, sich nicht von den Erwartungen der (Pariser) Gesellschaft verbiegen lassen. Was gibt es schöneres, als der Großstadt den Rücken zu kehren und eins zu werden mit der unverfälschten Natur von Fontainebleau. Der Aussteiger hat endlich die Möglichkeit, sich seinen Leidenschaften zu widmen und Werke zu schaffen, die unvergänglich sind und die gleichzeitig auch visionäre Weitblicke schenken. Das Leben in seinen vielen Facetten, wo Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verknüpft sind in einem bunten Mosaik, erleben die Mitglieder des Kunstvereins Pirmasens bei der „Reise nach Barbizon“.Die kleine Gemeinde mit der großen Vergangenheit liegt behäbig in der blassen Frühlingssonne. Von Alltagsstress keine Spur, im Atelier von Jean-Francois Millet (1814 bis 1875) scheint die Zeit stillzustehen. Er gehört zu den Malern der so genannten „Schule von Barbizon“, einem Freundeskreis von Künstlern. Mit im Bundes auch Theodore Rousseau, Charles-Francois Daubigny oder Max Liebermann. Ihnen steht eine gemütliche Pension, die „Auberge Ganne“ zur Verfügung, wo noch heute der gedeckte Tisch von der „hohen Kunst“ des stilvollen Tafelns zeugt. Überall Gemälde der Gäste, an Wänden und Schränken, die den eher schlichten Räumlichkeiten Lebendigkeit verleihen und von schönen Stunden im Kreise der Freunde erzählen.
Ihre Motive finden die Künstler rund um Barbizon, am und im Wald von Fontainebleau. Nicht nur die Landschaft, auch der reizvolle Wechsel der Jahreszeiten mit den unterschiedlichen Lichtreflexen, über ihre Faszination auf den beharrlichen Beobachter aus. Die Malerclique in Barbizon hat sich auf den Weg des Impressionismus gemacht. Dank einer Innovation, der Ölfarbe in der Tube, bietet sich die Möglichkeit „sur le motif“ zu arbeiten, vom Blick auf die Natur direkt auf die Leinwand.
Millet, bekannt für gesellschaftskritische Werke, die man oberflächlich mit dem Leitgedanken der Zeit „bete und arbeite“ umschreiben kann, hat sich 1849 auf den Weg von Paris nach Barbizon gemacht. Er will den Anforderungen der Gesellschaft, die ihn nur zu gerne in eine „Schublade“ stecken möchte, entkommen. Kunsthistorikerin Anne Touchet formuliert es so: „Er wollte für seine Kunst leben und dazu gehörte mehr als nur die Malerei“. In der dörflichen Abgeschiedenheit und dem harten Alltag der Bewohner führt er seine Studien durch und zeigt die andere Seite der Medaille. Arbeiterinnen, die ihren Lebensunterhalt mit Knochenjobs auf den Felder bestreiten. Es sind poetische Bilder von einer stillen Schönheit. Zu seinen Bewunderern gehört auch Max Liebermann, der ihn kurz vor seinem Tod 1874 besuchte.
Es ist eine reine Männergesellschaft in Barbizon, wo Malerinnen keinen Platz finden. Lediglich als Modelle sind Frauen in dieser Clique geduldet. Sie können damit ihren Lebensunterhalt etwas aufbessern. Aber im Gegenzug ist „ihr guter Ruf dahin“, so Anne Touchet. „Vielleicht“, so mutmaßt sie, „hätten die Maler auch weibliche Kolleginnen akzeptiert, aber das Sagen hatte die Pariser Gesellschaft, die rein maskulin geprägt war“. Dass sich die Künstler in einer freien Landschaft, in einer Dorfidylle, losgelöst von den Zwängen wohler fühlen, ist deshalb nur zu begreiflich. So findet Barbizon überall im Land Nachahmer.
Noch heute ist im Atelier von Jean-Francois Millet die Stille und die heitere Gelassenheit spürbar, die dem umtriebigen Menschen von heute mit seiner Abhängigkeit von Facebook und Co. völlig abgeht. Vor den Fenstern spielt sich das beschauliche Leben an. Auf der anderen Seite ein kleiner Garten mit Obstbäumen, der einst Gemüse hervorgebracht hat.
In den Straßen von Barbizon locken in den eher winzigen Läden Fromage, Baguette, kleine Pasteten mit Meeresfrüchten, geräucherte Würste, daneben eine uralte Waage mit Skala und einem großen Zeiger, die noch heute ihre Dienste verrichtet.
Es geht weiter in den Wald von Milly-la-Foret. Inmitten von Bäumen ein riesiges Auge, das unablässig die Umgebung beobachtet. Es ist der „Cyclop“ von Jean Tinguely (1925 bis 1991), ein Kunstwerk, das er in jahrelanger Arbeit gemeinsam mit seiner Frau Niki de Saint Phalle erschuf. Die gigantische Plastik mit einer Höhe von 22 Metern, bestehend aus 350 Tonnen Stahl, wurde 1994 eingeweiht. Es ist ein Ungetüm, dessen Körper mit seinen unzähligen Spiegeln Eindrücke vermittelt, die das gebrochene Verhältnis des Menschen zur Natur dokumentiert. Im Innern steht die Welt auf dem Kopf, erklingt die Melodie des eigenen Lebens und geht es hoch hinauf, dann erwacht der Koloss zum Leben. Das Ungetüm fängt an zu rattern. Es rumst, es stöhnt, es verbreitet Lärm, der sich teilweise ins Unerträgliche steigert. Und plötzlich kehrt Ruhe ein unter den zart grün belaubten Bäumen.
Nun ist es Zeit, aus der Tiefe des Waldes, wo mittlerweile Regen das Auge des Cyclop wie Tränen verschleiert, die Reise fortzusetzen.
Nächste Station ist ein winzig kleines Gotteshaus, gefüllt mit einer heiteren Atmosphäre, wo eine Katze entlang der Mauer huscht, als suche sie Trost unter dem Schutz von Arnika, Eisenkraut und Minze. Die Gemälde in der Kapelle Saint-Blaise-des-Simples stammen von Jean Cocteau, der hier neben einer Reliquie des Heiligen Blasius auch seine letzte Ruhe gefunden hat.
Von den Malern aus Barbizon zu einem Schriftsteller, dessen Gedichte als Hauptwerk des Symbolismus gelten und der sich durch seine Freundschaft mit Edouard Manet mit dem Impressionismus auseinandersetzt. Der Besuch im Haus von Stéphane Mallarmé (1842 bis 1898) in Vulaines sur Seine ist wie ein Nach Hausekommen. Blühende Bäume, der Fluss, der vorbeiplätschert, eine gemütliche Liege, das karierte Schultertuch, der Tisch mit den vielen Beinen, der von fröhlichen Runde bei Wein und Zigaretten erzählt, das Schlafzimmer der schönen Tochter – es sind Zeugnisse eines erfüllten Lebens, das auch durch den frühen Tod der Schwester sowie des Sohnes geprägt war. Im Flur hinter Glas ein eher primitives Kunstwerk von Gaugin, ein Geschenk als Dank für gute Werbung. Es ist eine Frau mit mehreren Gesichtern, von Mallarme liebevoll „meine Holzscheite“ gab betitelt.
Die Reise nach Barbizon, die mit der Besichtigung des Château de Fontainebleu begonnen hat, geht in Vulaines sur Seine zu Ende. Kleine Kostbarkeiten haben sich zu einer Erinnerungskette zusammengefügt, geschickt eingefädelt von Sigrun Lehr, der zweiten Vorsitzenden des Kunstvereins Pirmasens. Dank ihres „Talentes“ hat nun jeder der 29 Teilnehmer ein kostbares Souvenir erhalten. (ak)

Ratgeber
Jahresrückblick 2024: Emotion pur bei den FCK-Fans, die das Pokalfinale in Berlin unvergesslich gemacht haben | Foto: Harald Brunn
5 Bilder

Jahresrückblick: So ereignisreich und turbulent war das Jahr 2024

Jahresrückblick. Wenn sich das laufende Jahr dem Ende nähert, dann blicken wir gerne zurück auf das, was war. Persönlich, politisch, regional, global: Was hat uns im Jahr 2024 Freude gemacht, bewegt, schockiert? Welche Fotos bleiben uns im Gedächtnis, welche Aktionen und Momente waren auch für die Menschen in der Region rund um die Pfalz, Mannheim und Karlsruhe in diesem Jahr prägend? Blicken Sie mit uns zurück auf die letzten Monate: Januar 2024: Rückblick Januar 2024: Bauernproteste, extremes...

Lokales
Was weißt du noch von 2024? Teste dein Wissen im Quiz mit zwölf Fragen über die Ereignisse des Jahres in der Pfalz – von den größten Highlights bis zu den kleinen, aber spannenden Überraschungen. | Foto: Erstellt von OpenAI’s DALL·E/Katharina Wirth

Weißt du noch, was 2024 alles passiert ist? Mach das Wochenblatt-Quiz!

Quiz.  Das Jahr 2024 hatte es in sich – auch in unserer Region. Große Ereignisse, kleine Kuriositäten und so manche Überraschung: Aber wie viel davon ist wirklich in deinem Gedächtnis hängen geblieben? Mit unserem Quiz kannst du dein Wissen testen – oder zumindest mit einem Augenzwinkern herausfinden, ob du das Jahr vielleicht komplett verschlafen hast. Von den spannendsten Faschingsumzügen über politische Schlagzeilen bis hin zu sportlichen Highlights: In 12 Fragen nehmen wir dich mit auf eine...

Lokales
so kurios, lustig und bizarr war 2024  | Foto: Heike Schwitalla

Lachen, Staunen, Kopfschütteln: der kuriose Jahresrückblick auf 2024

Jahresrückblick 2024. Manchmal ist das Leben absurder, als es jede Satire sein könnte, lustiger als jede Komödie. Während große Schlagzeilen oft die ernsten Momente des Jahres einfangen, gibt es dazwischen immer wieder die kuriosen, witzigen und völlig unerwarteten, skurrilen und überdrehten Geschichten, die uns zum Lachen oder Staunen bringen. Ob rebellische Tiere, skurrile Zwischenfälle oder geniale Missgeschicke – 2024 hatte alles zu bieten. In diesem Rückblick werfen wir einen humorvollen...

Autor:

Andrea Kling aus Pirmasens

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

10 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Wirtschaft & HandelAnzeige
Ihre IT-Security ist bei OrgaMAXX in besten Händen. Um ein Höchstmaß an IT-Sicherheit zu gewährleisten und vor Cyberangriffen zu schützen, wird sichergestellt, dass die Systeme und Prozesse bei den Kunden einem permanenten Monitoring unterliegen | Foto: Orgamaxx/gratis
4 Bilder

IT-Security: Sicherheit durch OrgaMAXX - Partner für maßgeschneiderte IT-Lösungen

IT-Security im Raum Kaiserslautern / Mannheim / Ludwigshafen. In jedem Unternehmen werden täglich riesige Mengen sensibler Daten erfasst und verarbeitet, darunter Kundeninformationen, Umsatzzahlen, Mitarbeiterdaten und Betriebsgeheimnisse. Eine der unmittelbarsten Auswirkungen durch Cyberangriffe ist der Verlust oder Diebstahl von Daten. Persönliche Daten, finanzielle Informationen oder Geschäftsgeheimnisse können in den Händen von Cyberkriminellen verheerende Auswirkungen haben. Sie können ein...

RatgeberAnzeige
Palliativstation Landstuhl: Die Palliativmedizin stellt den individuellen Menschen mit all seinen Bedürfnissen ins Zentrum. Dabei geht es in der Einrichtung nicht nur um die medizinische Versorgung, sondern auch um die seelische Begleitung der Patientinnen und Patienten.  | Foto: ake1150/stock.adobe.com
3 Bilder

Palliativstation Landstuhl: Einfühlsame Begleitung von Anfang an

Palliativstation Landstuhl. Im Palliativzentrum des Nardini Klinikums St- Johannis in Landstuhl steht der Mensch mit seinen individuellen Bedürfnissen und Ängsten im Mittelpunkt. Vor 20 Jahren begann die Arbeit des Teams, das damit eine Vorreiterrolle für die Palliativversorgung in der Region übernommen hat. Ziel ist es, mit einem ganzheitlichen Ansatz so viel Lebensqualität wie möglich zu erhalten und bis zuletzt ein würdevolles, erfülltes und selbstbestimmtes Leben zu gewährleisten....

Ausgehen & GenießenAnzeige
Mit einem Sinfoniekonzert, dirigiert von Michael Francis, startet das Konzertprogramm 2025 | Foto: Monika Klein
11 Bilder

Konzertprogramm der Stadt Kaiserslautern: Highlights im Januar 2025

Konzertprogramm Kaiserslautern Januar 2025. Ein breit gefächertes Programm von Klassik über Jazz bis hin zu Contemporary Folk Pop hat das Kulturamt der Stadt Kaiserslautern zum Jahresbeginn aufgelegt. Und auch für die Kleinsten ist in diesem Monat wieder einiges dabei. Sinfoniekonzert „Imagination“ in der Fruchthalle Am Freitag, 10. Januar 2025, lädt die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter der Leitung von Michael Francis zu einem besonderen Sinfoniekonzert ein. Solist des Abends...

Wirtschaft & HandelAnzeige
Photovoltaikanlage Ramstein-Miesenbach: Mit der Anschaffung von PV-Modulen auf dem Dach lassen sich Stromkosten stark reduzieren. So kann man sich durch Solarstrom unabhängig vom Strommarkt machen. | Foto: Daniel Neumüller
7 Bilder

Photovoltaik: Nachhaltig Strom sparen durch Solaranlage und Speicher

Photovoltaikanlage Ramstein-Miesenbach. Steigende Energiepreise und der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit: Erneuerbare Energie gewinnt immer mehr an Bedeutung. Eine Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach bietet Hausbesitzern die Möglichkeit, selbst Strom zu erzeugen. So lassen sich bis zu 80 Prozent der Stromkosten senken und man leistet gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Wer einen zuverlässigen Partner für Solarstrom im Raum Ramstein-Miesenbach sucht, findet mit dem Team von...

Wirtschaft & HandelAnzeige
Wohnmobil Kaiserslautern: Die Fachwerkstatt Kfz Graf übernimmt auch den Einbau eine Solaranlage oder einer Standheizung. | Foto: Kfz Graf
2 Bilder

Wohnmobil Kaiserslautern: Für die Reparatur zu Kfz Graf

Wohnmobil Kaiserslautern: Die Werkstatt Kfz Graf erledigt Reparatur und Wartung von Reisemobilen und Wohnwagen. Die Werkstatt Kfz- und Reisemobiltechnik Graf in Otterbach im Landkreis Kaiserslautern ist Profi fürs Reparieren und Warten von Autos, Nutzfahrzeugen bis 6 Tonnen, Wohnmobilen und Wohnanhängern. Inhaber Sascha Graf hat eine besondere Leidenschaft für Wohnmobile und Nutzfahrzeuge.  Wohnmobil Kaiserslautern: Reparatur und Wartung in der Werkstatt Kfz Graf Wohnmobil Reparatur: Besitzer...

Wirtschaft & HandelAnzeige
Projektleiterin Corina Kohlmann (Mitte) mit einigen der Teilnehmerinnen des Projektes „Starthilfe für Gründerinnen in Rheinland-Pfalz“: Oxana Merida (von links), Referentin Silke Steinbach, Katarzyna Gorzedowski, Michelle Schulte und Jessica Hill  | Foto: bic

Bic: Den Gründungs-Booster „Starthilfe für Frauen“ effektiv genutzt

Kaiserlautern. Mit der Abschlussveranstaltung am Samstag, 23. November 2024, ging das Projekt „Starthilfe kompakt & kompetent für Gründerinnen in Rheinland-Pfalz“ in der aktuellen Runde zu Ende. Das Projektteam um Corina Kohlmann und Maria Beck lud die Teilnehmerinnen zu einem entspannten Projektabschluss ins Business + Innovation Center Kaiserslautern (bic) ein. Seit dem Kick-off Ende August konnten die Projekteilnehmerinnen von vielen Workshops, Seminaren und Coachings profitieren, die für...

Online-Prospekte aus Pirmasens und Umgebung



add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.