Rheinauen: artenreiches Refugium für seltene Tiere
Amazonas der Pfalz

Die Rheinauen bei einem Hochwasser im vergangenen Jahr | Foto: Volker Westermann
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Natur. Vom mächtigen Strom geschaffen, sind die Rheinauen heute Schutzzone für seltene Tiere und Pflanzen. Doch die Natur kommt aus dem Tritt.

Kaum zehn Meter weit sieht man angesichts der dichten Vegetation, wenn man von dem schmalen Deichpfad durch den Auwald bei Römerberg schaut. Die Kühle des Wassers, die hohe Luftfeuchte, das laute Vogelgezwitscher erinnern mehr an das Amazonasgebiet und dessen undurchdringlichen Dschungel als an die Rheinauen in der Pfalz.
Das Urwaldfeeling kommt auch bei Bildungsförster Volker Westermann vom Forstamt Rheinauen auf. „Die Auenwälder erinnern mich stark an die tropischen Regenwälder in Costa Rica“, sagt er. Die Rheinauen gehören zu den artenreichsten Gebieten Deutschlands. Denn dort findet man nasse, überflutete und feuchte Zonen ebenso wie trockene Stellen. Rund 4.000 verschiedene Arten von Pilzen, Pflanzen und Tieren leben hier zusammen.

Kormoran und Eisvogel in den Rheinauen

Nahezu alle Baumarten kommen im Auwald vor. Die Rheinauen sind Schutzzone für seltene und bedrohte Vögel wie Purpurreiher, Kormoran und Eisvogel. Im Wasser zeigt sich ein enormer Reichtum an Amphibien und Fischen: Bedrohte Arten wie Laub- und Moorfrosch, Rotbarsch und Lachs leben hier. Nachts flattern die Fledermäuse, huschen Siebenschläfer, Haselmäuse und Biber durch den Wald. „Es ist der Fluss, der mit jedem Hochwasser Nährstofffracht heranschafft, für fruchtbare Böden und perfekte Wasserversorgung sorgt und so gigantische Dimensionen an Vielfalt schafft“, erklärt Westermann. Das führt auch zu außergewöhnlichen Größenordnungen. Westermann zeigt auf einen Feldahorn, dessen Stamm einen Durchmesser von einem Meter misst. Normale Ahornbäume haben einen Stamm von 30 Zentimetern Durchmesser. Auch das Totholz trägt zum Artenreichtum bei. Es ist ein Refugium für verschiedenste Insektenarten.

Klimawandel: unregelmäßiges Hochwasser

Selbst im Trockenjahr 2022 zeigt sich die Pflanzenwelt in und um die Auen in sattem Grün. Bis zum sogenannten Hochufer, der Abbruchkante, die einst vom mächtigen Gevatter Rhein aufgeschoben wurde, herrschen feuchte Verhältnisse. „Die Rheinauenwälder sind nah am Wasser. Die Trockenheit wirkt sich hier vielerorts nicht so sehr aus“, so Westermann. Trotzdem macht sich der Klimawandel auch hier bemerkbar: Die drei typischen Hochwasser zum Advent, Frühjahr und Sommer, bei denen das Wasser bis zu zehn Meter höher steht, gibt es in dieser Regelmäßigkeit nicht mehr. Während es 2021 vier Hochwasser gab, blieben sie in diesem Jahr bislang aus.
Während der Staatswald bei Römerberg nicht mehr bewirtschaftet wird, betreibt das Forstamt in Lingenfeld nachhaltige Forstwirtschaft. An der Südgrenze von Römerberg liegt ein 30 Meter breiter Seitenarm des Rheins: der Schäfersee, der den Altrhein mit dem Rhein verbindet. „Bei einem Hochwasser in den 90er Jahren war der Druck auf eine Landzunge so groß, dass sie durchbrach“, erinnert sich Westermann an dessen Entstehung. Das breite Gewässer hat die rund 100 Hektar Wald auf der anderen Uferseite unzugänglich gemacht – im Sinne der Natur, die ihre Ruhe braucht, um Rettungsinsel für seltene, bedrohte Tiere zu sein. Auch im zugänglichen Wald ist es wichtig, dass Besucher auf den Wegen bleiben. jg

Rheinbegradigung

Seit der Rheinkorrektur durch den Karlsruher Ingenieur Johann Gottfried Tulla ab 1817 machen die Rheinauen nur noch ein Prozent ihrer ursprünglichen Fläche aus, was die Vielfalt der Natur stark verringerte. Andererseits wurde der Hochwasserschutz verbessert, die Malaria ausgerottet und die Grundlagen für die Rheinschifffahrt gelegt. Davor hatte sich der Rhein sein Flussbett selbst gegraben, Seitenarme und Seen geschaffen, Land aus Kies und Schlamm aufgeschoben. Mit jedem Hochwasser änderte der Fluss seinen Lauf. jg

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