Glück gehabt, Oberammergau!
Auch Passionsspiele in Wiesental?
Waghäusel. Glück gehabt, Oberammergau: Denn Wiesental als Konkurrent hätte vielleicht vor 128 Jahren den oberbayerischen Passionsspielen sozusagen das Wasser abgraben können. Diesen Eindruck vermitteln aufgefundene alte Unterlagen und insbesondere eine noch vorhandene gedruckte Einladung. 1892 machte der „Vorstand des St. Vincens-Verein“ als Träger der Wiesentaler Festspiele die Einwohnerschaft auf die Eröffnung eines religiösen Schauspiels aufmerksam.
Überlieferungen zufolge kam die Schar der frommen Darsteller aus der eigenen Pfarrei St. Jodokus. Zu erleben sei das „große Drama Jesus und Maria, aufgeführt ganz nach Art des Oberammergauer Passionsspiels“, heißt es auf den verteilten Zetteln. Eigentlich sollte das Bühnenwerk im Februar 1892 stattfinden, doch wegen des Tauwetters, das alle Straßen unwegsam machte, musste es auf Ende März verschoben werden, so der Hinweis in einer „Vorbemerkung“.
In der Beschreibung des angekündigten Dramas heißt es: „Die Haupthandlung beginnt schon mit der Kindheit Mariens, ihrer Erziehung und Aufopferung. Dann folgt ihr Jugend- und Tugendleben, ihre Verehrung an der Krippe durch Arm und Vornehm. Alle diese Ereignisse werden durch prophetische Bilder aus dem alten Bunde eingeleitet und vorbedeutet“, steht zu lesen.
Alles in allem gab es damals immerhin 14 Aufführungen. Zu sehen waren sie jeden Sonntag und Feiertag und jeden Donnerstag von halb 4 Uhr an, dann jeden Dienstagabend um 7 Uhr. Bei Wunsch einer größeren Interessentengruppe konnte auch noch der Mittwoch gebucht werden.
Große Mühe machten sich die Veranstalter, die wissen ließen: Außer für erste Reihen mit einem Eintrittspreis von 50 Pfennig und für zweite Plätze für 40 Pfennig ist auch noch besonders gesorgt für „ansehnlichere vornehmer zugerichtete Plätze in vorderster Reihe für höhere Stände - wobei das Honorar dafür dem freien Ermessen überlassen bleibt.“
Vor 128 Jahren war Oberammergau weit bekannter als Wiesental. Im Pestjahr 1633 hatten die wenigen überlebenden Einwohner der kleinen oberbayerischen Gemeinde feierlich gelobt, regelmäßig ein Passionsspiel aufzuführen. Heute finden die weiterentwickelten Spiele unter breiter Mitwirkung der Ortsbevölkerung (in der Regel) alle zehn Jahre statt.
Doch Biechelers Unternehmungen um 1892 stießen auf Missfallen im ganzen Amtsbezirk. So mokierte sich der Großherzogliche Amtsvorstand über die Umtriebe des eigenartigen Pfarrers.
Ausführlich schrieb der Philippsburger Dekan Joseph Schäfer, wohl etwas neidisch, an das Ordinariat und petzte: „Herr Biecheler hat im Laufe des Winters und des Frühjahrs religiöse Festspiele eingeübt und aufgeführt, die sehr viel Zeit in Anspruch genommen haben. Dieses Spätjahr sollen noch großartigere aufgeführt werden und wahrscheinlich dafür noch mehr Schulden gemacht werden.“
Biechelers geradezu revolutionäre Neuerungen stießen dort auf höchstes Misstrauen. Noch im selben Jahr verboten die Freiburger Glaubenswächter weitere Theateraufführungen und kritisierten seine „vernachlässigte Seelsorgearbeit“.
Autor:Werner Schmidhuber aus Waghäusel |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.