„Fürstbischöflicher Landvermesser“ unterwegs:
Bekommt "Kirrlach" möglicherweise eine andere Bedeutung?
Waghäusel-Kirrlach. In Wiesental unternimmt der Wissädalä Nachtwächter seit 2018 seine abendlichen Streifzüge durch das Dorf und informiert seine Begleiter über die Ortsgeschichte. Neuerdings gibt es in Kirrlach einen fürstbischöflichen Landvermesser aus der Zeit um 1719, der über die Anfänge und die weitere Entwicklung von Kirrlach aufklärt und mit viel Wissen imponiert.
Neben der einen oder anderen Anekdote aus den guten alten Zeiten geht es vor allem darum, bislang unbekannte Erkenntnisse aus Geländeuntersuchungen zu präsentieren. Es ist eine Zeitreise zurück - bis ins 11. Jahrhundert. Was ist heute noch in Kirrlach aus der ersten Hälfte des letzten Jahrtausends erhalten oder zu erkennen? Wo findet man noch Spuren des alten Kirrlach?
Jetzt kam es zu der Premiere. Wer dabei war, der fühlte sich um 800, 600 und 300 Jahre zurückversetzt, Der Start erfolgte am Duttlacher Graben, der früher nur Todtlache hieß. Als Sammelbegriff steht „Lache“ für eine Ansammlung von Wasser. Die natürliche Todtlache war ein stehendes Gewässer (Grundwasser) ohne Gefälle. Im Westen begrenzte sie über eine Länge von mehreren Kilometern die Kirrlacher Gemarkung vom Hegerfeld im Süden bis weit über die Kaigartenallee im Norden hinaus, abgeriegelt durch eine Sanddüne im Gewann „Alte Fährt“.
Die natürliche Breite liegt im Schnitt bei rund 80 bis 100 Meter. Nach wie vor ist dies außerhalb der bebauten Ortschaft noch gut zu erkennen, etwa bei den heutigen Bachquerungen beim Frohsinnheim oder an der Reilinger Straße.
Der Schloßplatz ist eine natürliche Senke in Kirrlach, die nicht ohne Grund lange von der Bebauung ausgenommen wurde. Nässe und sumpfige Böden waren weder für die Landwirtschaft noch zum Wohnen geeignet. Die Siedlungen entstanden auf den höheren Lagen (wenn auch nur wenige Meter Höhenunterschied, doch für das Wasser ist das ein entscheidender Wert.
An einem der höchsten Punkte von Kirrlach, nämlich beim Friedhof an der Wegescheide, endete die Führung. Die beiden ältesten Wege führten an der Todtlache entlang nach Altlußheim (Rheinquerung nach Speyer) und nach St. Leon (wichtige Handelsroute nach Wiesloch/Sinsheim/Bad Wimpfen). Aus Kirrlacher Sicht besteht dort ein Wegescheidel, aus Sicht der Handelsroute eine Wegekehre (im Mittelalter auch „Kir“ oder „Ker“ genannt. Vor diesem Hintergrund ergeben sich neue Namendeutungen für Kirrlach: Einerseits das Wort „kir“ (für Kehre) und das Wort „Lach“ für die Gewässer.
Zu den einzelnen Stationen gehörten die Waghäuseler Straße, die nicht nur eine kerzengerade Verbindung zwischen Schloss Kislau und der Eremitage Waghäusel ist, sondern auch eine der Schönbornschen Richtalleen (quadratisch) - und als Erweiterung zur Anlage des Schlossgartens in Bruchsal zählt. Sie ist nicht zufällig parallel zur Hauptachse des Bruchsaler Schlossgartens angeordnet. Vor 300 Jahren entschieden sich die Bauherren für strenge geometrische Formen, wie etwa für die Fächer beim Karlsruher Schloss oder die Quadrate in Mannheim.
Die Schönbornschen Richtalleen sind bis heute erhalten, sie erschlossen erstmals Kirrlach systematisch in Ost-West-Richtung. Die Lachen wurden mit Brücken gequert, Hoch- und Tiefpunkte auf den Routen eingeebnet. Zuvor führten kaum trockene Wege aus dem alten Kirrlach heraus. Wasser und Lachen riegelten den Ortskern weitgehend ab, bis auf die beiden Wege beim Friedhof.
Gesprächsstoff boten die weiteren Haltepunkte, so der „rote Kuhhirt“, die ältesten Kirrlacher Häuser (drei beieinander: 1650 (zeitweise Kloster), Küfers um 1700 sowie 1750), die Kirche (19. Jahrhundert) mit dem Kirchturm aus 1504.
Der rote Kuhhirt gilt als die markanteste Sagengestalt. Sie steht nicht ohne Grund mit einem Bein im Sumpf. Und die Bedeutung der Kinzig-Murg-Rinne (Ostrhein war der Name, den Tulla benutzte) zeigte, wie das viele Wasser immer wieder Kirrlach immer wieder dominierte. Heute ist der Wald trockengelegt, die Spuren des nassen Kirrlach sind allerdings überall noch präsent
Nächster Termin:
Der fürstbischöfliche Landvermesser (in der Person des Heimatvereinsvorsitzenden Roland Liebl) ist am Freitag, 24. März, 17:30 Uhr, wieder unterwegs und erwartet die Dorfbewohne am Schloßplatz Kirrlach bei der Sitzgruppe am Bach.
Zu Fuß werden etwa 2,5 km innerhalb von Kirrlach zurückgelegt. Der historische Rundgang endet nach knapp zwei Stunden beim Taglöhnerhaus.
Eine Anmeldung ist erforderlich (E-Mail: Roland.Liebl@gmx.de oder Telefon (07254) 60981). Die Teilnehmerzahl ist begrenzt, ein Unkostenbeitrag wird nicht erhoben.
Autor:Werner Schmidhuber aus Waghäusel |
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