Wie soll ein Waghäuseler Verantwortungsträger entscheiden?
Berechtigte Befürchtungen oder grundlose Angstmache?
Interview mit dem unabhängigen Stadtrat Marco Gersonde zum umstrittenen Projekt Tiefengeothermie
Die Auseinandersetzung um das geplante Tiefengeothermieprojekt auf Waghäuseler/Wiesentaler Gemarkung und die mögliche Bereitstellung eines städtischen Grundstücks nahe an der Wohnbebauung zu Bohrzwecken ist voll im Gange.
Dazu fünf direkte Fragen und fünf offene Antworten zu dem Thema, das die Bevölkerung in starkem Maße bewegt und stark emotionalisiert.
Wie sieht es nach Ihrer Einschätzung derzeit im Gemeinderat aus?
Marco Gersonde: Ich würde sagen, die Stimmung ist durchwachsen. Eine Prognose abzugeben, wie die Entscheidung letztlich aussehen wird, wäre derzeit schwierig. Ich denke, die Meinungsfindung ist noch nicht ganz abgeschlossen.
Ein Teil hat sich sicherlich schon definitiv festgelegt. Ein anderer Teil registriert, vielleicht eher noch abwartend, die Stimmung in der Bevölkerung und nimmt sie als Barometer wahr.
Wie argumentieren die Befürworter?
Marco Gersonde: Geothermie wird als Alternative in der heutigen Zeit zu Kohle und Atomkraft angesehen. Geothermie sei im Vergleich zu den anderen Methoden, die der Energieerzeugung dienen, umweltfreundlicher. Auch handle es sich um erneuerbare Energie.
Mitunter wird in der Diskussion behauptet, alles sei eine grundlose Angstmacherei.
Geld spielt natürlich auch eine große Rolle. So wird von den Befürwortern erwartet, dass die Stadt durch den Grundstücksverkauf an Geld kommt und dass auch gewerbesteuermäßig etwas hängen bleibt. Genau dies ziehen aber andere in Zweifel, weil der als Einnahmenquelle entscheidende Hauptsitz des Unternehmens nicht in Waghäusel ist.
Hinzu kommt als Aspekt: Die Vertreter der Erdwärme sind, wie ich finde, supergute Verkäufer, können gut reden und die Zuhörer beeindrucken.
Was meinen die Gegner?
Marco Gersonde: Die Bedenkenträger verweisen gerade in Waghäusel auf die extreme Nähe zur Wohnbebauung und zur Bahntrasse, auf die Grundwassergefahr, den möglichen Lärm mit Dauergeräuschen bei immerhin 105 Dezibel und auf die durchaus existente Gefahr von Erdbeben, da 4.000 Meter tief gebohrt wird. Sie misstrauen den Beteuerungen, wird ja alles nicht so schlimm kommen. Und sagen: Hier geht es nach dem Motto "Augen zu und durch?"
In der Bevölkerung heißt es: Wie lange hören wir diese nervende Lärmquelle? Warum baut man die saubere und ruhige Solarenergie nicht einfach aus? Dann höre ich immer wieder Stimmen, die sagen: Ist es okay, dass stets alles Nachteilige in Wiesental untergebracht wird?
Sie kommen viel mit Menschen zusammen. Was kann man zur Stimmung in der Bevölkerung sagen?
Marco Gersonde: Vor allem in Wiesental, aber inzwischen auch in den Stadtteilen Waghäusel und in Kirrlach, ist eine nicht unerhebliche Skepsis, ja Besorgnis auszumachen. Im Umfeld der „IG“ sind, wie ich vernehme, viele Leute verärgert, bringen bereits einen Bürgerentscheid oder eine eigene Beteiligung an der Kommunalwahl 2024 ins Gespräch, die zu einem Zeitpunkt sein wird, wenn hier bei uns die Bohrungen voll im Gang sind.
Ich denke, wir sollten die Ängste und Befürchtungen ernst nehmen, sehr ernst nehmen. Als Kommunalpolitiker dürfen wir die Leute nicht einfach übergehen nach dem Motto: „Wir wissen mehr als ihr, deshalb machen wir es so. Findet euch damit ab.“
Wie sehen Sie es persönlich?
Marco Gersonde: Auch ich habe mit mir gerungen. Auch habe ich mich an einen überzeugenden Fachmann gewendet, der beruflich damit zu tun hat.
Ergebnis: Ich kann mich mit dem Projekt und mit dem vorgesehenen Standort nicht anfreunden.
Ich bin von unserer Bevölkerung gewählt worden und nicht von der „Erdwärme“. Deshalb muss ich die Interessen der Waghäuseler und insbesondere der Wiesentaler wahrnehmen.
Wenn etwas passieren sollte, irgendwo der erste Sprung an einem Haus auftaucht oder es mit unserem Grundwasser Probleme gibt, könnte ich mich – ganz zurecht - als Stadtrat nicht mehr sehen lassen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Autor:Werner Schmidhuber aus Waghäusel |
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