Glaubensstreit in Waghäusel:
Energie künftig wesentlich günstiger oder erheblich teuer?

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Waghäusel. Am 26. März dürfen die Waghäuseler an die Wahlurne. Dann steht der Bürgerentscheid zur heftig umstrittenen Frage an, ob die Stadt der “Deutschen Erdwärme“ als interessiertem Investor stadteigne Grundstücke zum Bau einer Tiefengeothermieanlage mit Bohrungen in bis zu 4.000 Meter Tiefe überlassen darf. Gegner und Befürworter benötigen für ihre Position jeweils mindestens 20 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten.

Die Vorbereitungen sind getroffen, alle Seiten haben ihre Truppen in Stellung gebracht. Jetzt war zum zweiten Mal von der Stadt und dem Forum Energiedialog ein Expertengespräch in der Wagbachhalle anberaumt worden, zu dem – wie vor fünf Wochen - etwa 400 bis 500 Besucher kamen. Bei dem Meinungsaustausch ging es um die Frage „Kostengünstige und nachhaltige Wärme durch Tiefengeothermie?“

„Was ist der richtige Weg?“
Wie beim ersten Hearing, als die möglichen Erdbebengefahren durch TG im Vordergrund standen, konnten auch die Bürgerinnen und Bürger das Wort ergreifen. „Was ist der richtige Weg?“, so fasste Moderator Christoph Ewen zusammen. Diese zentrale Frage sollte einer Klärung zugeführt werden, was aber nicht gelang. Die „Blöcke“ ließen sich offensichtlich nicht aufweichen.
Im Laufe der vergangenen Tage und Wochen hatte es eine Fülle von Informationen durch die Stadt, das „Forum Energiedialog“, durch die Gegner und Skeptiker einerseits und die Befürworter andererseits gegeben. So bildeten sich private Zusammenschlüsse in Form einer IG und eines Vereins „Lebenswertes Waghäusel“, in dem sich alle parteipolitischen Couleurs wiederfinden, aber auch etliche Politikverdrossene. Im Gegenzug mobilisierte der Investor DEW und brachte auch allerlei Kräfte, so Wortführer der CDU und der Grünen, Geschäftsleute und Ökos, unter einen Hut.

Mit Prospekten und Plakaten, Bannern und Autoaufklebern wird derzeit Überzeugungsarbeit geleistet, was eine Stange Geld kostet, sowohl für das Großunternehmen als auch für die Bürgerinitiative. Ob es etwas bringt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist die Stimmung angespannt und Waghäusel zerfällt in zwei Lager, die sich teils feindselig gegenüberstehen.

Neue Gesichtspunkte
Einige neue Gesichtspunkte tauchten im Laufe der fast vierstündigen Abendveranstaltung auf, etwa die verbindlichen Aussagen von mehreren Seiten, es werde nicht, wie andernorts, zu einem Anschlusszwang kommen, um die hohen Kosten für ein Wärmenetz einzutreiben. Aber auch Stadt und Erdwärme wollen finanziell nicht in ein Wärmenetz einsteigen, war zu erfahren.
Neu zur Sprache kam auch die Sorge um Radioaktivität: In den TG-Kraftwerken im Oberrheingraben trete in Folge von Ablagerungen des Tiefenwassers gewisse Radioaktivität auf. Von einem Fachmann im Publikum wurde ein Flusskraftwerk als sinnvolle Alternative ins Gespräch gebracht.

Klare Kante zeigte Hochschulprofessor Dieter Wolff. Tiefengeothermie werde nicht benötigt. Er vermisse dazu auch langfristige fundierte finanzielle Betrachtungen. Für gewisse Unruhe sorgte der Fachmann vom „Institut für energieoptimierte Systeme“ mit seiner Äußerung, bei der TG seien doppelt so hohe Energiekosten zu erwarten wie momentan. Am Beispiel eines Wohngebäudes rechnete er eine Steigerung von bislang 2.500 Euro Energiekosten pro Jahr auf 5.000 bei TG-Fernwärme vor und belegte dies auch wissenschaftlich (siehe Anlage).

Faktencheck muss her
Ganz anders sah es der Experte der Gegenseite: Ulrich Ramsaier, Geschäftsführer und Öko-Energieanbieter im schwäbischen Hemmingen. Er verwies auf sein gut funktionierendes Fernwärmenetz bei sich zuhause mit einem Mix aus Biogas, Holzhackschnitzel, Holzpellets und Biomethan und empfahl wärmstens so ein Wärmenetz. Doch musste er einräumen, dass der Mix keine Tiefengeothermie vorsieht. Ein Faktencheck soll Klarheit in den „Zahlensalat“ der Vor- und Nachteile bringen, kündigte Moderator Christoph Ewen an.

Bei den Publikumsfragen kam ein Großteil aus der Bürgerschaft nicht zu Wort, was für Verärgerungen sorgte. Dass dafür drei Mal der Erdwärme-Geschäftsführer Herbert Pohl am hinterem Infostand Stellungnahmen abgeben konnte, nahmen die TG-Gegner zum Anlass, „an einem neutralen Ablauf zu zweifeln“, so etwa Christina Friedrich.
Mehrere Waghäuseler wollten wissen, wie es bei einem Nein der Bevölkerung weitergehe. Die Erdwärme will dann trotz des Votums private Grundstück zusammensuchen. Komme das Bürgerbegehren zu einer breiten Ablehnung der Tiefengeothermie, werde eine Entscheidung der zuständigen Landesbergdirektion am RP Freiburg „sicherlich sehr schwierig“, räumte Referatsleiter Axel Brasse ein, verwies aber auf die Gesetzeslage, wonach eine Entscheidung über die Kopfe der Bevölkerung möglich sei. „Ob es das Land auf eine solche erstmalige politische Konfrontation ankommen lässt, warten wir mal ab“, hieß es am Infostand der TG-Gegner.

Waghäusel setzt nicht nur auf TG
OB Thomas Deuschle erinnerte in seinem Statement an das Zustandekommen des Bürgerbegehrens. „Sorgen und Ängste sind berechtigterweise vorhanden“, gab er zu. Effizient sollte das Ganze nur funktionieren, wenn Wärme (und nicht nur Strom) produziert wird. Die Stadt könne das Vorhaben nicht allein stemmen - nur in Kooperation mit anderen Kommunen und „Playern aus dem Energieversorgungsbereichen“.
Für Manche vielleicht überraschend bekundete der Rathaushauschef: „Wir setzen nicht ausschließlich auf Tiefengeothermie.“ Auch andere Energieträger seien für ihn vorstellbar und so nannte als Beispiel den Forlenhof, der mit seiner Biogasanlage die Einheit von Rathaus, Schwimmbad und Realschule versorge. Ein Blockheizkraftwerk etwa halte er für eine „Energieinsel“ im Bereich der Karlsruher Straße in Wiesental für gut denkbar.

Infos an Infoständen
An mehreren Informationsständen konnten sich die Besucher ein Bild machen und Gespräche führen, so bei den Befürwortern – wie der Deutschen Erdwärme, des Solarverein, der „Wirtschaft“ und der Umwelt- und Energieagentur -, andererseits bei dem „Verein für ein Lebenswertes Waghäusel – Gegen Tiefengeothermie“ und bei der der BI „Keine Tiefengeothermie“ Graben-Neudorf/Waghäusel. Auch die Stadt Waghäusel mit dem RP Freiburg (Landesbergdirektion) war vertreten.

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Autor:

Werner Schmidhuber aus Waghäusel

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