725 Jahre Wiesental:
Geschichtswanderung ab dem Jahr null bis 1920
Welcher Mensch bekommt schon einmal in seinem Leben die Gelegenheit, die Geschichte seines Heimatortes – von der Stunde null bis in die heutige Zeit – zu durchwandern? Theaterensembles und Vereine, Gruppen und Einzelpersonen ermöglichten - an sechs Orten und zu sechs Zeitepochen - einen Streifzug durch zwei Jahrtausende.
Überall gab es nur Lob, Dank und Anerkennung für die großartige Leistung, für die wunderbare Bereicherung der 725-Jahrfeier, für das beeindruckende Engagement der zuständigen Rathausmitarbeiter und des Organisationsteams sowie der mitwirkenden Akteure. Zu Recht. Zwischen 2000 und 3000 Besucher, so eher vorsichtige Schätzungen, dürften sich im Laufe des Tages Jubiläumsort eingefunden haben.
Wer am Sonntag wollte, der konnte die ersten römischen Eindringlinge ab dem Jahr 80 nach Christus in die sumpfige und waldreiche Gegend kennenlernen, an dem Gründungsakt für die kleine Ansiedlung „Wiesenten“ persönlich teilnehmen und das Lagerleben unter „Prinz Eugen der edle Ritter“ genießen.
Mit dem „Wissädalä Knochämennl“ wurde nach rund 200 Jahren wieder eine alte Gänsehaut-Sage gegenwärtig. Wie im ganzen Land, so spielte sich die Volkserhebung 1849 auch auf Wiesentaler Boden ab. Und wer weiß noch, wie vor 100 Jahren das Schulleben ausgesehen hat und wie die Lehrer die Kinder erzogen haben?
Viele kennen das Lied: „Als die Römer frech geworden, zogen sie nach Deutschlands Norden…“? Zumindest zog ein Teil von ihnen an den Wagbach, auf späteres Wiesentaler Gebiet, errichtete dort eine militärische Befestigung und ließ sich für einige Jahrzehnte nieder. Über die Römer klärten die Pfadfinder auf und ließen ein paar Kämpfer aufmarschieren. Über ihre technischen Errungenschaften, etwa das Tretrad, berichtete „Magister“ Lothar Weis.
In Speyer veranlasste 1297 der Fürstbischof Friedrich von Bolanden die Gründung des Dorfes „Wiesenten“ im dichten Lußhardtwald. Dafür stellte er 80 Grundstücke entlang eines Bachlaufs zur Verfügung. Das bedeutende Ereignis mit den Entscheidungsgründen des weltlichen und kirchlichen Herrschers holte das Amateurtheater „Parole“ auf die Stufen der Pfarrkirche.
Warum heißt die Lagerstraße in Wiesental so? Sie nimmt Bezug auf den Lagerweg, der einst zum kaiserlichen Lager führte. Auf der Gemarkung hatten sich 85.000 Bewaffnete niedergelassen. In das Lagerleben der kaiserlich-deutschen Truppen um 1734 ließ der Gesangverein Sängerbund das Publikum eintauchen. Mit Soldatenliedern und nachgestellten Begebenheiten ermöglichte die Sängerfamilie eine Zeitreise weit zurück.
In die Geschehnisse der Badischen Revolution 1849 war auch das kleine Wiesental einbezogen. Wie andernorts gab es Tote und Verletzte, nicht nur unter den Freiheitskämpfern vor Ort, sondern auch in der Zivilbevölkerung. An das Gefecht bei Wiesental erinnern das Husarendenkmal und der Gedenkstein des Heimatvereins. Mit Liedern wie „Die Gedanken sind frei“ oder „Badisches Wiegenlied“ holten die Wissädalä Duddärä die damaligen Ereignisse ins Jahr 2022.
Dass auf den Wiesentaler Fluren ein Knochenmännchen sein Dasein fristete und vor allem die Holzsammlerinnen foppte, ist dank einer alten Erzählung und dank des Jahrgangs 1966/67 wieder bekannt geworden. Die umherhüpfende schauerliche Skelettgestalt schnürte den Frauen unversehens die Reisigbündel auf und verhinderte somit ein rechtzeitiges Nachhausekommen. Wie das im armen Dörfchen so vor sich ging, zeigten acht Jahrgangfrauen.
Vor dem Bau der Bolandenschule 1873 stand im heutigen Schulhof das Vorgängerschulhaus: ein zweistöckiges Gebäude, das als gemeinsames Rathaus und Schulhaus diente. Für knapp 400 Schüler gab es drei Klassenräume. Über die Unterschiede zwischen dem heutigen Schulbetrieb und der Zeit der „Zucht und Ordnung“ um 1920 informierte anschaulich und amüsant die „Kleine Bühne“ mit den jeweiligen Klassen und den beiden Lehrerinnen.
Autor:Werner Schmidhuber aus Waghäusel |
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