Zigarrenfertigung in Heimarbeit:
„Homeoffice“ gab's bereits um 1960
Waghäusel. Heutzutage ist überall der Begriff „Homeoffice“ zu hören. Was bedeutet das? Homeoffice, auch Telearbeit genannt, ist eine flexible Arbeitsform, bei der die Beschäftigten ihre Arbeit vollumfänglich oder teilweise im privaten Umfeld ausführen.
Doch so etwas gab es auch schon früher. Ein Blick in die Vergangenheit hat jetzt der Vorsitzende des Heimatvereins Wiesental, Hans Peter Hiltwein, mit seinen Recherchen ermöglicht.
Besonders in den 1960er Jahren nutzten ehemalige Zigarrenmacherinnen die Möglichkeit der Heimarbeit. Sie rollten zuhause vorgefertigte Wickel, die maschinell kostengünstig hergestellt wurden, in das Deckblatt ein. Von den Tabakblättern für das Deckblatt waren die Rippen meist bereits maschinell entfernt. Die Zigarrenfabriken sparten – sowohl durch Wegfall der Kosten für die Räumlichkeiten als auch durch die Zahlung niedriger Löhne.
Helga Kolb aus Wiesental kann sich noch gut erinnern und berichtet:
„Ich holte regelmäßig 400 Wickel, Kleber und die notwendigen Tabakblätter für das Deckblatt mit dem Fahrrad in der Fabrik ab, bei Neuhaus, in der Mannheimer Straße. Die angefeuchteten Tabakblätter waren in feuchten Stoff eingeschlagen. Die Wickel, die an den Enden bereits abgeschnitten waren, wurden von uns Heimarbeiterinnen aus den Zigarrenformen genommen und in mitgebrachte Behältnisse gelegt.“
(Übrigens: Im Museum befindet sich eine dieser Kisten.)
„Zuhause musste dann das Deckblatt gegebenenfalls nachgefeuchtet werden, auch musste die Mittelrippe aus dem Blatt entfernt und aus dem Deckblatt der Decker entsprechend der Fasson zugeschnitten werden. Anschließend erfolgte das Einrollen des Wickels in den Decker und das Verkleben der Enden. Der Kopf der Zigarre wurde am Schluss mit der Tülle poliert“, so ihre Schilderung.
Und weiter: „Die fertigen Zigarren brachten wir dann wieder in die Fabrik. Dort prüfte sie der Werkmeister in Anwesenheit der Heimarbeiterin und sortierte eventuell die aus seiner Sicht „schlechten“ aus.
Die Bezahlung erfolgte nach der Anzahl der einwandfrei gefertigten Zigarren. Anfang der 1960er Jahre waren dies - je nach Zigarrenfasson - 3 bis 4 DM für 100 Zigarren).“
Das Bild zeigt Frieda Klinger beim Zigarrenmachen zuhause in der Poststraße.
Übrigens: Alte Aufnahmen, besonders wenn sie den Alltag dokumentieren, werden vom Heimatverein für sein Archiv gesucht.
Autor:Werner Schmidhuber aus Waghäusel |
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