Stadt sieht „Unzulässigkeit“ des Bürgerbegehrens
Jetzt Klage gegen Gemeinderatsentscheidung?
Waghäusel. Wie geht’s weiter? Widerspruch? Klage? Gerichtsentscheidung? Weitere Zuspitzung der kommunalpolitischen Auseinandersetzung?
Zwischen der „IG Tiefengeothermie“ und der Stadt Waghäusel mit Verwaltung und Gemeinderat gibt es eine gänzlich unterschiedliche Rechtsauffassung über die Zulässigkeit des von der IG initiierten erfolgreichen Bürgerbegehrens: So der Wortlaut einer Pressemitteilung der IG.
Um eine solche Bürgermitbestimmung auf den Weg zu bringen, hat die breit aufgestellte Initiative in kürzester Zeit rund 2.600 Unterschriften von Waghäuselern zusammengetragen.
Damit soll verhindert werden, dass die Stadt eigene Grundstücke für ein gefahrenträchtiges Tiefengeothermie-Projekt ganz in der Nähe der Wohnbebauung dem Investor zur Verfügung stellt. Nötig gewesen waren für ein Bürgerbegehren nur 1.100 Unterschriften.
Unzulässigkeit festgestellt
Nunmehr hat der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung die „Unzulässigkeit“ dieses Bürgerbegehrens festgestellt und seine Auffassung mit Fehlern in der Formulierung begründet. „Wir haben fest damit gerechnet, dass uns die Stadt etliche Probleme machen wird“, bekundet die IG zu dem Vorgang. „Vermutlich reichen 2.600 Unterschriften nicht?“
Der Meinung zur Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens widerspricht die Bürgerinitiative ganz vehement, die in weiser Voraussicht die Ausformulierung des Bürgerbegehrens von einem renommierten und allseits anerkannten Anwaltsbüro hat ausarbeiten lassen. Die Freiburger Anwaltskanzlei für Verwaltungsrecht widerlegt explizit in einem achtseitigen Schreiben an die Stadt Waghäusel deren Haltung.
Leider sei in der Gemeinderatssitzung am Montagabend kaum jemand darauf eingegangen. Die Fraktionen und Gruppen im Gremium hätten sich ausschließlich an der ablehnenden Ursprungsverwaltungsvorlage der Stadt orientiert und die Widerlegung durch den Rechtsanwalt nicht gewürdigt, befinden die IG-Sprecher.
„IG nicht einverstanden“
Nach der für sie unbefriedigenden Gemeinderatssitzung wird die IG, so die aktuelle Beschlusslage, Widerspruch gegen die Entscheidung des Rats einlegen und bei Bedarf auch eine Verpflichtungsklage erheben lassen. Mit der ersatzweisen Überlegung im Gemeinderat, dass eventuell die Stadt selbst ein Bürgerbegehren mit Zweidrittelmehrheit beschließt, sind die IG-Verantwortlichen nicht einverstanden.
OB Walter Heiler bezeichnete diese Möglichkeit als „Königsweg“. Nähme jedoch die Stadtverwaltung diese Alternative selbst in die Hand, würde die Formulierung des Bürgerbegehrens, die Darstellung des Pro und Kontra, die Art der Durchführung und das zeitliche Prozedere zu Bedingungen und Vorgaben erfolgen, worauf dann die IG keinen Einfluss mehr hätte.
Einseitige Voraussetzungen
In der Sitzung waren bereits von mehreren Sprechern gewisse „einseitige“ Voraussetzungen genannt worden. So wurde vorgeschlagen, nicht die Grundstücksveräußerungen der Stadt zum Gegenstand zu machen, sondern erst die ausgehandelten Vertragseinhalte mit der „Erdwärme“. Damit würde aber das Bürgerbegehren komplett umformuliert und ihm eine andere inhaltliche Ausrichtung gegeben. Auch sollten Bürgerinformationsveranstaltungen und Bürgerversammlungen im Vorfeld der Abstimmung – allerdings unter der Regie der Stadt - durchgeführt werden.
Die IG bedauert, dass in der Gemeinderatssitzung die Rechtsauffassung des Anwalts nicht gewürdigt wurde. Stattdessen stellte sich der Gemeinderat mehrheitlich hinter die Rechtsauffassung der Stadtverwaltung und der von ihr veranlassten Überprüfung durch die Rechtsaufsicht des Regierungspräsidiums. Für die Stadt ist es übrigens die erste Beurteilung eines Bürgerbegehrens.
Langwieriger Rechtsstreit?
In ihrer Stellungnahme vor dem Gemeinderat stellten die benannten Vertrauenspersonen der IG, Karin Rother-Linowski, Christina Friedrich und Andrea Fischer, einige Grundsätze heraus: Für den Rat bestehe die Möglichkeit, sich für ein „deutlich gewünschtes Bürgerbegehren“ im Sinne der Demokratie auszusprechen oder einen auf Kosten der Bürger und Steuerzahler vielleicht langwierigen Rechtsstreit einzugehen.
Auch in der aktuellen Gemeinderatssitzung hoben einige Befürworter der Tiefengeothermie den Klimaschutz und - mit Blick auf die Ukraine - die Energie-Unabhängigkeit für Waghäusel hervor. Es werde mit dem Projekt ein Beitrag für Wärme und Strom geleistet. Doch sind, so hält die IG entgegen, die Anteile an Wärme und Strom relativ bedeutungslos. Das räume sogar der Investor ein. Im Vordergrund stehe der Abbau von Lithium als lukratives Geschäft.
Umdenken gefordert
„Ein Umdenken und vor allem mehr Bürgernähe, dies wünschen sich die Einwohner, das haben wir in vielen Gesprächen erfahren. Der Verdruss der Bürger ist groß. Wenn Sie das Ohr am Bürger haben, wissen Sie das auch. Viele begründen ihre Nichtbeteiligung an Wahlen auch mit ihrer Unzufriedenheit“, so die drei Sprecherinnen.
Was geschehe bei einer Nichtzulässigkeit, einer Ablehnung des Bürgerbegehrens? „Die Bürgerinitiative bleibt bestehen, ein Rechtsstreit kommt in Gang, der Ärger in der Bevölkerung steigert sich enorm, die Unzufriedenheit nimmt weiter zu, die Kommunalwahl 2024 steht vor der Tür – und wird mobilisieren.“
Autor:Werner Schmidhuber aus Waghäusel |
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