Hoher Lärmpegel und hohe Erdbebengefahr
Kritik am Geothermieprojekt in Waghäusel
Das Protestpotenzial werde von Tag zu Tag größer, betont Jens Linowski. In der Stadt Waghäusel, vornehmlich im direkt betroffenen Stadtteil Wiesental und auch im kleinen Stadtteil Waghäusel, rege sich erheblicher Widerstand gegen das geplante Geothermieprojekt und gegen die (vom Gemeinderat aktuell vertagte) Überlegung, ein städtisches Grundstück ganz in der Nähe der Wohnbebauung für diesen Zweck zu verkaufen.
Dies ist die Einschätzung der „IG Tiefengeothermie im Landkreis Karlsruhe“. Erfreulich ist für sie auch, dass sich inzwischen immer mehr Mitbürger auch aus Kirrlach für das umstrittene Thema interessieren und in der IG mitarbeiten wollen, so Gabriele Blum, wohnhaft in Kirrlach.
Ihre Beurteilung macht die IG fest an zahlreichen Gesprächen mit Bürgern vor Ort, Anrufen und E-Mails, an die ihr gemeldeten vielen Protestschreiben ans Rathaus (was von dort aus bestätigt werden kann), an 30.000 Zugriffen auf Facebook innerhalb von drei Wochen, der Verteilung von 4.500 Flyer durch freiwillige Kräfte. Weitere werden jetzt folgen.
Wo bleibt Transparenz?
Neben der Unterschätzung des Gefahrenpotenzials wird der Vorwurf gemacht, dass die Bürger unzureichend informiert wurden und die Corona-Pandemie mit ihren Transparenz-Einschränkungen dazu genutzt werde, um möglichst schnell Fakten zu schaffen. Keinerlei Infos zu dem belastenden Projekt seien auf der Homepage der Stadt zu finden.
Zu Recht fordern fast alle Fraktionen und Wählervereinigungen in Waghäusel, was auch die Bürger verlangen, mehr Information und Durchschaubarkeit – und eine Berücksichtigung des Bürgerwillens.
Erzürnt ist die IG auch, dass Schönfärberei betrieben und von einem „Projekt Erdwärme“ gesprochen wird, um von vornherein Gefahren zu verniedlichen. Vielmehr handelt es sich um ein Tiefengeothermieprojekt mit lautem Bohrplatz mit ständigem Lärm und der Gefahr von ausgelösten Erdbeben.
Erdbebengefahr?
Die Region gehöre zu den seismisch aktiven Gebieten in Deutschland. Von daher dürften Erdbeben nicht klein geredet werden. In Vendenheim (Straßburg) gibt es inzwischen über 2.200 (!) Schadensmeldungen zu dem Geothermieprojekt.
Interessant: Erderschütterungen können sich in einem Radius von bis zu 20 Kilometer auswirken, also auch in der weiteren Umgebung von Waghäusel - nicht nur in Wiesental, Waghäusel und Kirrlach, betont Karin Rother.
Teure Grundstücke und viel Lärm
Lärm macht krank, das weiß jeder. 105 Dezibel Krach entsteht direkt am Lüfter: also ein Wert zwischen Kreissäge und Schleifhexe sowie Druckluftmeißel und Kettensäge. Ist das der Bevölkerung dauerhaft zuzumuten?
Soll jetzt ausgerechnet den Bürgern im Neubaugebiet, wo die Stadt viele Grundstücke zu Höchstpreisen veräußert hat, eine solche Höchstlärmquelle vor die Nase gesetzt werden? Auch der nahen Flüchtlingsunterkunft kann man den Krach zumuten?
Was fehlt, ist eine Bedarfsanalyse. Für was und in welchem Umfang wird das Geothermieprojekt überhaupt benötigt? Ist es die ganze Maßnahme gegen den erklärten Willen der Bevölkerung wert, wenn es keinen nennenswerten Nutzen bringt?
Risse gehören dazu?
Wie hieß es im Magazin Focus: „Folgt man den Worten von Christoph Clauser, Geothermieexperte am E.on Energy Research Center der RWTH Aachen, können Förderbohrungen für Geothermieanlagen nicht nur Erdbeben auslösen – sie müssen es manchmal sogar. Denn Geothermie betreiben bedeutet, einen heißen Wasserstrom unter der Erde zu nutzen. Manchmal müssen Bohringenieure die natürliche Durchströmbarkeit des Tiefengesteins durch künstliche Risse gezielt verbessern. „Dabei entsteht notwendigerweise ein kleines Erdbeben“, erklärt Clauser.
Geldeinnahmen im Vordergrund?
Lob für die ablehnende Haltung von Philippsburg und Oberhausen-Rheinhausen gibt es von der IG. In Waghäusel stehen wohl, so meint sie, die Grundstückserlöse, um die hohe Schuldenlast zu decken, und die Erwartung von Gewerbesteuereinnahmen im Vordergrund - die es aber nicht in dem erhofften Umfang geben wird, weil der Stammsitz des Projektbetreibers in Grünwald ist und nicht in Waghäusel.
Eine richtige Bürgerinitiative bleibt wohl unausweichlich, um mit verschiedenen Aktionen und Aktivitäten die drohenden Belastungen zu stoppen.
Wieder Nachteiliges für Wiesental
In Wiesental herrscht zudem bei vielen verärgerten Bürgern die Meinung vor, alles Nachteilige wird in den Ortsteil Wiesental geschoben: etwa der in letzter Minute gestoppte Konverterbau und das ebenfalls – dank einer Bürgerinitiative – gestoppte Logistikzentrum, die Flüchtlingsunterkunft mit Gemeinschaftsunterkunft und Anschlussunterbringung, jetzt die Geothermie.
Vor etwa einem Jahr schrieb die IG in einem „offenen Brief“ ans Umweltministerium u.a.:
„Wir möchten unseren Kindern und Kindeskindern nicht erklären müssen, dass uns damals erzählt wurde: Alles sicher! Alles prima! Kann nichts passieren! Und dabei schweift unser Blick über die nun von Rissen übersäte Heimatstadt.“
Hinzu kommen viele gesundheitliche Gefahren: Radioaktivität, Tiefenwasserdampf und deren toxischen Inhaltstoffe, Grundwassergefahr, tinitusähnliche Lärmbelastung, Radon, Arsen, Übertragungsmedium …“
Wie äußerte sich der Oberbürgermeister der Stadt Waghäusel gegenüber der Tagespresse
„Ich appelliere an alle, da objektiv ranzugehen und andere Meinungen zu akzeptieren.“
So sehen wir es auch, sagt die IG. Es gehe darum, dass die Entscheidungsträger die Meinung der Bürger akzeptieren und sich nicht über sie hinwegsetzen.
Zusammenfassung
Nein, das Projekt wird sicherlich nicht hier entschieden, es wird in Freiburg entschieden. Jedoch wird sich das zuständige Bergamt die Situation in der Stadt Waghäusel anschauen. Es wird schauen, wie unser Rathaus das Projekt einschätzt und ob die Bürger es positiv bewerten.
Es ist wichtig, dass Bürger und Verwaltung an einem Strang ziehen und ein gemeinsames Nein bekunden. Wenn dieses äußerst fragwürdige Projekt hier keinen Standort bekommt, wird es sicherlich schwer mit einer Durchsetzung gegen den Willen der Bürger.
E-Mail-Kontakt: ig.geothermie@yahoo.com
Autor:Patrice Simon aus Wochenblatt Bruhrain |
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