„Volksaufstand“ im „Reichsadler“?
Probleme häufen sich: Radioaktivität, Erdbeben, Verharmlosung

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Waghäusel. Es dürfte damals das erste Zusammentreffen von aufrührerischen Menschen in Wiesental gewesen sein: 1908 trafen sich im Reichsadler die Gegner einer örtlichen Kirchensteuer, um das Vorhaben zu Fall zu bringen, was schließlich auch gelang. Der Pfarrer, der über die Köpfe der Bürger hinweg entscheiden wollte, versuchte mit Brachialgewalt, die Erhebung einer speziellen Kirchensteuer in Wiesental durchzusetzen, um eine neue Orgel zu finanzieren, deren Finanzierung bereits gesichert war.

Die Gegner brachten eine Mehrheit auf die Beine. „David“ gewann gegen „Goliath“. In Wiesental sprach man seinerzeit gar von einem kleinen "Volksaufstand". Gibt es nunmehr eine Parallele zu dem Ereignis von damals? Im „Reichsadler“ trafen sich 2023 die Gegner eines Tiefengeothermie-Kraftwerks auf Einladung des Vereins "Für ein lebenswertes Waghäusel". Wie damals 1908, so war auch 2023 die Gastwirtschaft überfüllt, waren Unmutsbekundungen und Protest angesagt.
Doch dieses Mal hatten nicht aufmüpfige Männer das Sagen, fünf Frauen (und ein Diplom-Geologe) informierten gründlich und forderten in ihren Statements, nicht leichtgläubig und widerspruchslos den betörenden Verkaufs- und Werbe-Sirenenklängen des Investors und seiner Getreuen zu unterliegen. Zur Sprache kamen alle Aspekte aus der Serie der Nachteile, einige in besonderer Nuancierung.

Radioaktivität durch Tiefengeothermie: Sollte das egal sein?
Ist es Panikmache des seriösen „Bundesamts für Strahlenschutz“? Die Behörde sorgt sich nämlich um „Rückstände aus der tiefen Geothermie“. Warum wohl? In den TG-Anlagen können im Wasser gelöste natürliche Radionuklide ungewollt in Anlagenteilen angereichert werden.
Zu allen Nachteilen der Tiefengeothermie kommen jetzt auch noch radioaktive Bestandteile ins Spiel? Die Stadt Waghäusel jedenfalls will nichts von dem Thema wissen und hat einen Hinweis im Mitteilungsblatt abgelehnt.

Was sollten wir aber wissen? In den TG-Kraftwerken im Oberrheingraben tritt in Folge von Ablagerungen des Tiefenwassers Radioaktivität auf. TG-Kraftwerksmitarbeiter müssen täglich Dosimeter bei Wartungsarbeiten tragen. Bei Wartungsarbeiten ist Schutzausrüstung gegen die Radioaktivität Vorschrift. Wohl nicht umsonst?
In TG-Kraftwerken liegen Radioaktivitäts-Werte ionisierender Strahlung über dem „Normalbereich“. Bestehen keine Gefahren durch erhöhte Strahlenwerte? Welche Auswirkungen bestehen für Menschen in unseren Wohngebieten, für Familien mit Kindern, für unsere Gesundheit, für Umwelt und Natur?

Die Entstehung von radionaktiv belasteten Rückständen mit einem erhöhten Radionuklidgehalt geht mit hohen Salzgehalten einher. Bei der Nutzung der TG kommen im Wasser gelöste, natürliche Radionuklide an die Erdoberfläche. In Abhängigkeit von der Zusammensetzung des Wassers und der Anlagensteuerung können innerhalb der Anlage Rückstände entstehen, deren Radionuklidgehalt deutlich höher ist als der natürliche Hintergrundgehalt von Böden und Gesteinen.
Beim Betrieb geothermischer Anlagen können sich in allen Anlagenteilen, die mit dem Tiefenwasser in Kontakt stehen, radionuklidhaltige Ablagerungen (englisch "Scales") bilden.

Was denken Eltern? Nehmen sie „zugunsten des Weltklimas“ hier in Waghäusel neben der Erdbebengefahr und vielen Nachteilen der TG auch noch Risiken durch vermehrte Radioaktivität, Spurenstoffe wie Arsen und Blei aus dem Tiefenwasser in Kauf? Sieht so unsere Heimat der Zukunft aus?

Niemand stellt Erdbebengefahr in Frage
Es gibt keinen Experten, der eine Erdbebengefahr ausschließt, jeder spricht von einem größeren oder kleinerem „Restrisiko“. Bei allen Projekten hieß es vorab: „Es kann nichts passieren!“ Und doch passierte etwas.
Dazu betonte Christina Friedrich: „Soll es bei uns rumoren und rumpeln? Reichen uns die natürlichen Erdstöße im Erdbebengebiet Oberrheingraben nicht mehr? Erinnern wir uns nicht mehr an das Kleppern und Wackeln, an die Ängste und Sorgen, die uns die Erdbeben in und um Waghäusel 1996 und 2018 beschert haben?“

Baden-Württemberg ist – hundertprozentig belegt - das seismisch aktivste Bundesland. Vor allem im Oberrheingraben, in Zollernalb und in der Bodenseeregion bebt die Erde nahezu täglich. Für realistischere Beben um Magnitude 6 seien Gebäude hierzulande in der Regel zumindest so sicher, dass Menschen Zeit genug zum Verlassen bleibe, sagt Andreas Schäfer vom Geophysikalischen Institut (GPI) am KIT, heißt es in der Presse. Welch ein Trost!
Auch wenn die Alb zuletzt aktiver gewesen sei, habe der Oberrheingraben mehr Potenzial für stärkere Beben, weiß Schäfer. Etwa einmal pro Monat komme es auch zu lokal leicht spürbaren Erdbeben. Und etwa einmal pro Jahrzehnt sei hier mit mittelstarken Erdbeben zu rechnen, die regional zu Gebäudeschäden und Betriebsstörungen in größerem Umfang führen können.

Panikmache oder Verharmlosung
Ist unser Hinweis nur „Panikmache“, wie einige Befürworter und leider auch Stadträte behaupten. Ist eine Verharmlosung angemessen? Stehen diejenigen, die keine Risiken und Gefahren sehen, auch hinterher zu ihrer Meinung, wenn es gerumpelt hat und Häuser in Mitleidenschaft gezogen worden sind?
Warnungen vor Panikmache sind heutzutage überall auf der Tagesordnung, jeder meint, warnen zu müssen, aber niemand will hinterher die Verantwortung tragen.

So berichteten die renommierten „Stuttgarter Nachrichten“ am 6. Februar:
„Nach einer Reihe verheerender Erdbeben im Südosten der Türkei verkündet das türkische Innenministerium, dass es gegen Panikmache in den Sozialen Medien vorgehen werde. Wenige Stunden nach der Katastrophe seien schon 13 Administratoren gefunden worden, die daran beteiligt gewesen sein sollen, Panik verbreitet zu haben.“

Autor:

Werner Schmidhuber aus Waghäusel

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