Prächtiger Festabend mit Programm und Prominenz:
Wie Wiesental vor 725 Jahren entstanden ist
Waghäusel-Wiesental. Vor 725 Jahren ist Wiesental als kleine Ansiedlung im dichten Lußhardtwald entstanden. Wie die ungewöhnliche fürstbischöfliche Anordnung einer Dorfgründung im März 1297 vor sich gegangen sein könnte, haben die rund 500 Teilnehmer am Festabend in der Wagbachhalle bestens nachvollziehen können: dank der Theatergruppe „Parole“, die mit einer fast halbstündigen Aufführung die regionalpolitisch begründete Entscheidung des damaligen Würdenträgers Friedrich von Bolanden nachvollziehbar machte.
Zu Beginn der zweieinhalbstündigen Veranstaltung rief die „Parole“ die geschichtlichen Ereignisse im Bistum Speyer in Erinnerung. Am Schluss nahmen sich die „Wissädalä Duddära“ mit Liedern und Textbeiträgen die „Badische Revolution“ von 1849 vor, in der sowohl Waghäusel als auch Wiesental eine wichtige Rolle spielten.
Im Mittelpunkt der 725-Jahrfeier stand allerdings der Festvortrag des Innenministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten Thomas Strobl, der von Waghäusel als eine Stätte der Demokratie und der Demokratiebewegung sprach. Auch das mache die Stadt und den Stadtteil zu einem überregional bekannten Ort, dem er die Adjektive „liebenswert“ und „lebenswert“ bescheinigte. Viel Leid musste Wiesental bei einem Fliegerangriff 1945 erleben, als 37 Männer, Frauen und Kinder ums Leben kamen. Doch die Welt habe nichts hinzugelernt. Heute herrsche das kaum ertragbare Kriegselend in der Ukraine, erinnerte Strobl nachdenklich.
In seiner Ansprache würdigte Oberbürgermeister Walter Heiler die Aufwärtsentwicklung von Wiesental, von der Gründung 1297 mit 50 bis 80 Dorfbewohnern bis heute. Um 1500 zählte das Gemeinwesen bereits 170 Häuser. Das Wort „Ukraine“ bedeute Grenzgebiet, ließ das Stadtoberhaupt wissen. Auch Wiesental hatte jahrhundertelang die Funktion als Grenzgebiet zum kriegerischen Frankreich inne und musste unter den Gegebenheiten immer wieder leiden, etwa 1689, als das Dorf ganz zerstört wurde und neu aufgebaut werden musste.
Doch das Festprogramm, von Heiko Mail angesagt, ließ die Trostlosigkeit früherer Generationen vergessen. Die Wiesentaler und ihre Gäste feierten, wenn auch eingeschränkt und coronabedingt mit Mund- und Nasenschutz. Zu den Promis, die dem stolzen Jubilar ihre Reverenz erwiesen, gehörten neben Strobl die Regierungspräsidentin Sylvia Felder, die Abgeordneten Olav Gutting und Ulli Hockenberger, etliche Bürgermeister aus der Nachbarschaft, Vertreter der Konfessionen, Ehrenbürger Robert Straub, fast alle Stadträte, die OB-Kandidaten Thomas Deuschle und Claudia Sand.
Wie in einer Zeitreise, so versetzte die „Parole“ die Zuschauer nach Speyer, an den Sitz des Fürstbischofs. Das Theaterstück, von Werner Schmidhuber verfasst, stammte aus den sechsteiligen „Szenen aus der Ortgeschichte“, die 1997 mit großem Erfolg aufgeführt worden war. In Anwesenheit des Vertreters seines Domkapitels (Ralf Mahl), seines Schreibers (Harald Sälzler) und des Waldfauts (Herbert Mahl) übergab Fürstbischof Friedrich mehreren armen Leuten im hochstiftlichen Lußhardtwald ein ödes Waldland zur Bebauung und Kultivierung.
Den langen Text der Gründungsurkunde, den Matthias Schmitteckert in der Rolle des Kirchenfürsten unterhaltsam und überzeugend vermittelte, steht unter anderem: „Wir übergeben als immerwährendes Erbe unseren Ort, genannt Wiesenten, in unserem Bischofshart benannten Wald, jetzt Lushart, in einer Länge und Breite von 80 Huben, wie sie in der Volkssprache genannt werden, bestimmten Personen zu eigen. Diese haben den Ort von uns empfangen, um ihn, da er jetzt noch unbebaut ist, in Bebauung zu nehmen und einen Weiler zu errichten, der Wiesenten genannt werden soll.“
Die Not in den Jahren vor der Badischen Revolution – mit ein Grund für die Unruhen - führten die „Duddära“ mit Werner Köhler an der Spitze vor Augen. Mit Freiheitsfahnen zog die starke Truppe in die Halle. Auf der Bühne eröffnete sie ihr Revolutionsrepertoire mit dem bekannten „Hungerlied“, das 1844 während der Weberaufstände entstand und als Werk der politischen Lyrik der literarischen Epoche des Vormärz zuzuordnen ist. Nachdenklich stimmten auch das „Heckerlied“ und das „Badische Wiegenlied“. Assoziationen an die Unterdrückungen in vielen Ländern der Erde weckte die Hymne des Widerstandes, „Die Gedanken sind frei“.
Dass in Wiesental vor bereits 173 Jahren eine Revolutionärin, Freiheitskämpferin und Führerin einer „Umsturzpartei“ ziemlich rührig war und damit den Ort zu etwas Besonderem der Demokratiebewegung machte, zeigten die „Duddärä-Freischärler“ mit dem Verweis auf die einheimische Maria Josepha Wittmer auf.
Ein bärenstarkes musikalisches Ambiente boten das Percussion-Ensemble und die Blechbläsergruppe, die Akkordeonspieler und die Tänzerinnen, die beeindruckend das hohe Leistungsvermögen der Musikschule verdeutlichten. Zum Abschluss gab es das Hochlied auf Wiesental, 1922 von Fritz Gund verfasst: „Wissädal – än wunnäscheener Ort“.
Die Nachfahren des 725 Jahre alten fürstbischöflichen Weilers wollen das ganze Jahr hindurch feiern. Nach dem ökumenischen Festgottesdienst als Auftakt und dem Festabend geht es jetzt Schritt für Schritt mit mehreren hochkarätigen Veranstaltungen weiter. Am 16. Mai folgt ein bunter Wiesentaler Abend. Ein Straßenfest mit Jubiläumslauf steht im Sommer auf der Agenda, im September kommt es zu einer „Geschichtswanderung“, bei der an historische Ereignisse und Überlieferungen, beispielsweise an die Sage vom Wiesentaler Knochenmännchen, erinnert wird.
Voraussichtlich am 18. Oktober soll der Power-Projektchor „Queen“ auftreten. Mit einem schönen Weihnachtsmarkt endet das Jubiläumsjahr.
Autor:Werner Schmidhuber aus Waghäusel |
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