Expertenhearing zu Tiefengeothermie:
„Wir fühlen uns nach den Erdbebenschäden alleingelassen“
Waghäusel. In der Stadt Waghäusel gehen derzeit die Wogen hoch. Es geht um die Tiefengeothermie, um das von der Deutschen Erdwärme anvisierte Kraftwerk auf der Gemarkung, um die Bohrstellen und konkret um die Frage, ob die Stadt dafür eigene Grundstücke zur Verfügung stellen soll. Dazu ist die wahlberechtigte Bevölkerung am 26. März zu einem Bürgerentscheid aufgerufen.
Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung? Zum Expertengespräch in der Wagbachhalle, anberaumt von der Stadt Waghäusel und dem eingesetzten Forum Energiedialog, waren nahezu 500 Frauen und Männer erschienen, wie eine Zählung ergab. Im Laufe von drei Stunden meldeten sich über 50 Personen zu Wort, die sich durchweg kritisch zu dem Vorhaben äußerten, Sorgen, Bedenken und Ängste artikulierten. Immer wieder gab es auch kräftigen Beifall für bohrende Nachfragen.
Inwieweit dies ein Maßstab für das Meinungsbild in der Bevölkerung ist, bleibt abzuwarten. Sind die Befürworter zu Hause geblieben oder haben sie nur geschwiegen, fragte jemand im Meinungsaustausch nach der Veranstaltung. Die Moderation hatte Dr. Christoph Ewen vom Forum Energiedialog übernommen.
Bei dem Expertenhearing ging es um zwei Themenblöcke: „Seismische Risiken der Tiefengeothermie“, also die Gefahr von Erdbeben, wozu die beiden Fachleuten Dr. Stefan Baisch (Q-con Bad Bergzabern) und Professor Joachim Ritter vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ihre Bewertungen abgaben.
In der zweiten Hälfte standen der Versicherungsschutz und die Handhabung von Gebäudeschäden im Mittelpunkt. Am Mikrofon gaben Achim Fischer-Erdsiek von der NW Assekuranz und Claudia Wuttke von der wave-ing Ingenieurwerkstatt, eine Betroffene aus Vendenheim, ihre Statements ab.
Nach den jeweiligen Ausführungen der Fachleute konnten Fragen aus dem Publikum gestellt werden, wovon reger Gebrauch gemacht wurde. Bei der im Vorfeld angekündigten ausgewogenen Expertenrunde kamen häufig die Vertreter der Erdwärme zu Wort und konnten ihre Position darstellen.
Beim Bürgerentscheid am 26. März sollen die Wahlberechtigten in Waghäusel folgende Alternative mit Ja oder Nein beantworten: „Sind Sie dafür, dass stadteigene Grundstücke zur Errichtung eines Tiefengeothermie-Kraftwerks oder für andere Unternehmungen mittels Tiefenbohrungen überlassen werden?“ Der Bürgerentscheid ist dann erfolgreich, wenn die Gegner oder die Befürworter mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten erreichen und damit das gesetzlich vorgegebene Quorum erfüllen.
Auf die durch Tiefengeothermie verursachte Erdbeben, die in der Vergangenheit unterschiedlich stark ausgefallen sind, von Magnitude 3,4 (Basel) bis 4,0 (Vendenheim), ging Ritter ein, erwartete aber in der Region wegen des Untergrunds und der nicht ganz so tiefen Bohrungen wie andernorts deutlich niedrigere Werte. Von einem „Restrisiko“ sprachen immer wieder der Moderator und die Experten. „Schäden können mit bestimmter Wahrscheinlichkeit auftreten“, formulierte Ritter.
Ein Ampelsystem an der Bohrstelle, das von Mitarbeitern betreut wird, sorge für eine Abschaltung, wenn sich ein Beben bemerkbar machen würde. „Dadurch können wir Erdbeben in Schach halten“, hieß es. Allerdings räumte Baisch ein, dass die nichtautomatische Handhabung und damit eine zu späte Abschaltung zu erheblichen Problemen geführt haben und sogenannte Nachlaufeffekte über Jahre und Jahrzehnte hinweg auftreten können. Wenn auch die Erdbebengefahr nicht so groß wie andernorts ausfalle, so bleibe ein Restrisiko bestehen.
Können Erdbeben verstärkt auftreten, wenn Tiefengeothermie-Kraftwerke in einem relativ geringem Abstand voneinander liegen wie in Waghäusel - neben Neudorf und Philippsburg und auch Dettenheim. Ein Erdbeben sei in einem Umkreis von ein bis zwei Kilometer zu spüren, mache sich aber in einem weiten Radius immer noch bemerkbar.
Über ihre eigenen Erfahrungen mit Erdbebenschäden berichtete Claudia Wuttke, so Sprünge und Risse im Putz, im Mauerwerk und an den Bodenplatten. Ohne Erdbeben wären diese Schäden nicht aufgetreten, lautete ihre Erkenntnis. „Wir fühlten uns alleingelassen: Bis sich jemand darum kümmerte, hat es sehr lange gedauert. Die Bürger ließ man von Seiten der Behörden und Versicherungen einfach im Regen stehen“, so ihre Kritik.
Die Vorkommnisse in Vendenheim bezeichnete Fischer-Erdsiek als Horror. Dagegen seien die Schäden in Landau und Insheim gering ausgefallen. Es gebe eine versicherungstechnisch eine Nachhaftung von fünf Jahren, da Auswirkungen erst im Laufe der Zeit auftreten können. Dass es Probleme mit Versicherungen, Schadensfeststellungen und Schadensausgleiche gebe, räumt der Versicherungsexperte ein.
Autor:Werner Schmidhuber aus Waghäusel |
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