Neues junges Kulturdenkmal
Mannheimer Landgericht
Mannheim. Im Zuge der systematischen Erfassung junger Kulturdenkmale der 1970er- und 1980er-Jahre haben sich die Experten des Landesamts für Denkmalpflege (LAD) im Regierungspräsidium Stuttgart 2023 mit dem Mannheimer Landgericht befasst und dem 1964 bis 1970 errichteten Staatsbau eine hohe architektonische und städtebauliche Qualität zuerkannt.
Der vierflügelige Rechteckbau im Quadrat A 1 gegenüber dem Schloss mit dem prägnanten kantigen Rostkastenaufsatz und den schmalen, Schießschartenähnlichen Fenstern geht auf den bekannten Mannheimer Architekten Helmut Striffler (1927 bis 2015) zurück.
„Striffler gelang in deutlicher Abgrenzung zu den „Justizpalästen„ der Vergangenheit eine moderne zeitgemäße Justizarchitektur, die das nach Krieg und Zusammenbruch erneuerte Rechtsverhältnis zwischen Bürger und Staat selbstbewusst und gestalthaft verkörpert“, so Prof. Dr. Claus Wolf, Präsident des LAD. Nicht Transparenz stehe auf seinen Fahnen, wie noch wenige Jahre zuvor bei Paul Baumgartens Karlsruher Bundesverfassungsgericht, sondern andere Merkmale des Rechtsstaats: Wehrhaftigkeit, Verlässlichkeit und Unabhängigkeit – wichtige Signale in einer von schleppender Entnazifizierung und gewalttätigen Protesten erschütterten Zeit, erläuterte Prof. Dr. Wolf weiter.
Einigen von Beginn an ein Dorn im Auge war die selbstpatinierende Roststahlfassade aus wetterfestem Cortenstahl, eine der frühesten Anwendungen des Materials in Europa nach seiner Premiere in den USA am Gebäude der John-Deere-Hauptverwaltung in Moline, Illinois (1964). Noch vor der berühmten „Rostlaube“ in Berlin hatte Mannheim seinen „Rostfleck“, wie es ein konservativer Leserbrief abschätzig nannte. Striffler faszinierten nicht nur die technischen Eigenschaften, sondern die „Ehrlichkeit“ des Materials „mit einer Farbe, die aus dem Stoff selbst kommt“ (Striffler). Anstelle des zunächst angedachten Natursteins nutzte er das Rostrot als moderne Antwort auf den mächtigen Rotsandsteinbau des Mannheimer Schlosses, eigenständig und selbstbewusst ohne unziemliche Konkurrenz. Architekturgeschichtlich katapultierte Strifflers Kunstgriff das Landgericht in die Riege der progressivsten Bauten seiner Zeit und sicherte ihm überregionale Aufmerksamkeit und Pilgerströme neugieriger Architekten zu.
Von Bedeutung für die Einordnung in die Baugattung der Justizbauten ist die kunstvolle Verschränkung von Gerichtssälen und Verwaltungsräumen auf kleiner Fläche: Der fächerartig gegliederte Saalblock ist der Vierflügelanlage wie ein Haus-im-Haus eingeschrieben, extrem schnell erreichbar, jedoch akustisch, wärme- und sicherheits-technisch vollständig isoliert.
„Funktional im besten Sinne, und das auch heute noch“ lobt Landgerichtspräsident Martin Maurer, den die starke Nutzerorientierung des Entwurfs noch immer beeindruckt. „Man merkt, dass die Abläufe und Arbeitsbedingungen der Justiz im Zentrum der Planung standen. Dennoch erschöpfen sich die Lösungen nicht im Funktionalen. Der Respekt vor der Bauaufgabe und dem Bauherrn, der Öffentlichkeit, das zeichnet den Bau aus,“ gibt er sich überzeugt.
Trotz der introvertierten Aura signalisiert eine große verglaste Eingangsnische die prinzipielle Öffentlichkeit des Gebäudes. Das weiträumige Foyer bietet den Eintreten-den unmittelbar einen Überblick über die Verhandlungssäle und ausreichenden Raum für Kommunikation oder Rückzug. Kontemplation ermöglicht der „Bilderbaum“ des Künstlers Hubertus von Pilgrim, 29 Kupfertafeln mit Einätzungen nach Kupferstich- und Fotovorlagen, die existentielle Erfahrungen des Menschen in unterschiedlichen Facetten darstellen.
Oberhalb der öffentlich zugänglichen Räume befinden sich Büroflächen: Die Flure und Richterbüros kennzeichnet eine Sachlichkeit, die die „Gleichheit vor dem Gesetz“ programmatisch auf die Spitze treibt.
Das Landgericht Mannheim stellt aufgrund seiner architektonischen und städtebaulichen Qualitäten, wegen seiner Stellung in der baugeschichtlichen Entwicklung der zweiten Nachkriegsmoderne und in der Gattungsgeschichte deutscher Justizbauten ein nahezu unverändertes charaktervolles Bauzeugnis von künstlerischen und wissenschaftlichem Wert dar. In Baden-Württemberg nimmt der Bau eine Sonderstellung ein als eines der ganz wenigen modernen Gerichtsgebäude überhaupt, ein Bekenntnis zur zeitgenössischen Architektur und Zeitgeschichte in der unmittelbaren Umgebung des historischen Schlosses .
„Die Erfassung des Mannheimer Landgerichts als neues junges Kulturdenkmal erfüllt uns als Bauherrenvertretung des Landes mit Stolz. Sie bekräftigt unseren Anspruch an Nachhaltigkeit und setzt ein klares Zeichen für unsere Überzeugung, dass die Gebäude des Landes nicht nur architektonisch und städtebaulich überzeugen, sondern auch für eine langfristige Nutzung konzipiert sind – aus Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen“, betont Andreas Hölting, Direktor des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg. hät/red
Autor:Kristin Hätterich aus Mannheim |
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