Pirmasenser Hochschule
Großgeräte interdisziplinär sinnvoll nutzen
Pirmasens. Bei seiner Sommerreise besuchte Wissenschaftsminister Clemens Hoch Projekte der Hochschule Kaiserslautern am Campus Pirmasens. Im Rahmen einer Geräteinitiative des Ministeriums waren Großgeräte mit Bezug zum Kompetenzfeld „Biotechnologie“ angeschafft worden, die nun vorgestellt wurden. Prof. Dr. med. Karl-Herbert Schäfer, Vizepräsident für Forschung und Transfer, begrüßte die Gäste und leitete den Rundgang ein.
Kurz stellte er die Stationen vor, bevor die Forschenden ihre Projekte im Detail erläuterten: „Zum Start stellen wir dar, wie ein möglicher, neuartiger Proteinwirkstoff gegen Corona entdeckt und patentiert wurde. Dann geht es um ein MEA-Multiwellsystem für die elektrophysiologische Erfassung von Aktivitäten neuronaler Netzwerke. Zum Schluss werden wir Photofermenter zur Algenkultivierung präsentieren.“
„Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, Rheinland-Pfalz zu einem führenden Standort in der Biotechnologie zu entwickeln und in diesem Zusammenhang die lebenswissenschaftliche Forschung zu stärken“, sagte Wissenschaftsminister Clemens Hoch.
Neuer potenzieller Wirkstoff gefunden
Prof. Dr. Peter Groß, Prodekan des Fachbereichs für Angewandte Logistik und Polymerwissenschaften, zeigte bei der Führung durch die Labors einen neuen Chromatographen. Biopolymere, wie Proteine oder mRNA, sind die biotechnologischen Blockbuster unserer Zeit. Ihre Herstellung, Charakterisierung und Stabilität ist allerdings oft komplex, zeitaufwendig und schwierig. Eine grundlegende Technik stellt die Chromatographie, besonders in ihrer modernen Form der UPLC dar. Der Begriff UPLC steht für Ultra-Performance-Liquid-Chromatography. Eine solche Anlage wurde neu beschafft und im Rahmen des Ministerbesuchs vorgestellt. Der Chromatograph kann Biopolymere hochauflösend voneinander trennen und untersuchen, beispielsweise zur Entlarvung schädlicher Verunreinigungen. Die Forscher in Pirmasens arbeiten seit einigen Jahren an neuen antiviralen Wirkstoffen und anderen Proteinprodukten. So wurde ein potenzieller Wirkstoff gegen das Corona-Virus gefunden, der bereits patentiert wurde. Dabei gibt es Kooperationen mit akademischen und industriellen Partnern. Auch hier wird die neue UPLC-Anlage gewinnbringend eingesetzt. Das Gerät hat rund 60.000 Euro gekostet und wird sowohl von den Studenten am Standort Pirmasens genutzt, als auch von ihren Kommilitonen am Zweibrücker Standort, die für die Arbeit an der neuen UPLC-Anlage nach Pirmasens kommen.
Erforschung des Darmnervensystems
Schneller, besser, sicherer könnte das Motto für das nächste Großgerät sein: Ein MEA-Multiwellsystem beschleunigt signifikant die Messungen an neuronalen Netzwerken, beschrieb Schäfer. Multielektrodenarray-Systeme (MEA) erlauben die Ableitung elektrischer Signale von Nerven- und Herzmuskelzellen. Die Pirmasenser Forscher nutzen diese Technologie, um die Rolle des Darmnervensystems bei systemischen Erkrankungen wie Neurodegeneration oder auch der COVID-Infektion zu untersuchen. Damit erfassen sie zum Bespiel die direkten Einflüsse relevanter COVID- oder Alzheimerpeptide auf das Darmnervensystem. Dieses ist oft die erste „Anlaufstelle“ für pathologische Veränderungen durch unterschiedliche Erkrankungen. Das System ermöglicht die gleichzeitige Messung unterschiedlicher Versuchsansätze. Das minimiert systematische Fehler und erhöht die Anzahl der Messungen pro Zeit deutlich. Dies führt zu einer erheblich besseren Datenausbeute. Bei der Messung von Einzelpeptiden aus einem komplexen Protein, wie zum Beispiel dem Covid-Virus, lassen sich hiermit die aktiven Zentren, bzw. Sequenzen, welche eine Reaktion bei den Nervenzellen auslösen, sicher identifizieren.
Untersuchung von Mikroalgen
Dr. rer. nat. Michael Lakatos, Fachbereich Angewandte Logistik- und Polymerwissenschaften, ging dann auf Investitionen in Technologien zur biotechnologischen Erschließung phykologischer Potentiale ein. Mikroalgen können nachhaltig und ressourceneffizient Wirkstoffe und Wertstoffe produzieren, wie etwa Bioplastik, Farbstoffe, Polysaccharide oder Aminosäuren. Zur biotechnologischen Erforschung von Mikroalgen wollen die Forscher in Pirmasens Kompetenzen und Infrastruktur aufbauen. Und dazu gehört auch der Technologietransfer in die Wirtschaft. So sollen auf geeigneten Produktionsflächen terrestrische Mikroalgen ganzjährig Wirk- und Wertstoffe produzieren. Kurzfristig soll diese Technologie als Prototyp in einer angewandten Umgebung realisiert werden. Für die Weiterentwicklung der Technologie werden Investitionen in die Grundausstattung, in spezielles analytisches Equipment und in biotechnologische Fermentationsanlagen dringend benötigt.
Minister Hoch zeigte sich beeindruckt: „Heute ist mir in Pirmasens deutlich geworden, wie außerordentlich wertvoll die Anschaffung teurer Großgeräte sein kann. Sie entfalten aber vor allem dann ihr Potential, wenn sie so interdisziplinär genutzt werden wie an der Hochschule Kaiserslautern.“red/fsf
Autor:Frank Schäfer aus Wochenblatt Pirmasens |
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