Frauenhaus als Zuflucht - Einzelfall bei Lockdown
Lieber Gewaltexzesse als Corona

Gewalt in der Familie ist kein „Kavaliersdelikt“.  Foto: pixabay
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von andrea katharina kling-kimmle

Pirmasens. Gewalt in der Familie, misshandelte Frauen, die oft jahrelang ihr Martyrium auf sich nehmen der Kinder zuliebe oder die auf übelste Weise von ihren Männern manipuliert werden. Das sind Probleme, die sich durch alle Gesellschaftsschichten ziehen. Für viele ist das Frauenhaus der einzig sichere Hafen. Edeltraut Buser-Hussong, 1. Vorsitzende des Trägervereins „Frauenzufluchtsstätte Pirmasens“ und Sozialpädagogin Michaela Göke schildern im Gespräch mit Wochenblatt-Redakteurin Andrea Kling-Kimmle, welche Dramen sich oftmals abspielen.

Am 9. Oktober 1986 war der Trägerverein gegründet worden, zwei Jahre später erfolgte dann die Eröffnung des Frauenhauses. Edeltraut Buser-Hussong war von Anfang an mit im Team um die Vorsitzende Dr. Sieghild Mueller, deren Amt sie 2004 übernahm. Anfangs holte sie die betroffenen Frauen noch von zuhause ab, nicht selten ein gefährliches Unterfangen. „Später dann vereinbarten wir ein Treffen an einer Tankstelle, die rund um die Uhr geöffnet hat und wo auch nachts noch Betrieb herrscht“, erinnert sich die Vereinsvorsitzende, die unter anderem Sozialpädagogik studiert hat. Heute kommen viele Anfragen über soziale Medien oder die Polizei wird eingeschaltet.
Michaela Göke hat die Erfahrung gemacht, dass sich viele Betroffene schon im Vorfeld über Wege aus der Gewaltspirale, die auch vor den Kindern nicht halt macht, informieren. So konnte die Sozialarbeiterin in 2020 rund 70 Beratungen per Telefon, Mail oder im persönlichen Gespräch verzeichnen, „das waren mehr, als die eigentlichen Aufnahmen in der Zufluchtsstätte“. Gerade soziale Medien würden die Kontaktaufnahme erleichtern, „heute hat jede Frau ein Smartphone“. Aufnahmen sagt Michaela Göke sind rund um die Uhr möglich. Außerhalb der Bürozeiten besteht Rufbereitschaft unter Telefon: 06331 92626.
Jeder Fall ist anders. Es sind Einzelschicksale, die alle Gesellschaftsschichten betreffen. Das reicht von Frauen mit Migrationshintergrund bis zur studierten Pädagogin. Ein Vorfall ist Edeltraut Buser-Hussong bis heute in Erinnerung. Es ging um eine Juristin, die mit einem Richter verheiratet war. Das Paar hatte zwei Kinder. Jahrelang war die Frau von ihrem Mann brutal misshandelt und manipuliert worden. Sohn und Tochter zuliebe ertrug sie starke Schmerzen und Demütigungen. Doch eines Abends, als der „ehrenwerte“ Richter seiner Gattin die Kehle zudrückte, begannen die Kinder zu schreien, um ihn davon abzuhalten. Das brachte ihn so in Rage, dass er auf den Sohn losging. „Später hat mir die Frau erzählt, dass dies für sie der auslösende Moment war, ihren Mann zu verlassen“, erzählt Edeltraut Buser-Hussong. Dank der Vermittlung eines Pfarrers konnte die Schwerverletzte mit den beiden Kindern Zuflucht im Frauenhaus Pirmasens nehmen. Der Täter wurde einen Tag später von der Polizei festgenommen und für längere Zeit in psychiatrische Behandlung gebracht. Die Juristin kehrte mit Sohn und Tochter zu ihren Eltern in einem anderen Bundesland zurück, zu denen sie auf Betreiben ihres Mannes jahrelang keinen Kontakt hatte.
Edeltraut Buser-Hussong, die dank ihres ehrenamtlichen Engagements bis weit über die Grenzen der Horebstadt bekannt ist, kümmert sich bei Rufbereitschaft persönlich um jeden Fall. Da kann es auch mal passieren, dass die betroffene Frau zum weiteren Bekanntenkreis gehört. Das sei manchen peinlich, „aber ich sagen ihnen immer, dass dies jedem passieren kann“. Die Frauenzuflucht sei mit dem Ziel gegründet worden, misshandelten Frauen jeder Nationalität und Herkunft Schutz und Perspektiven zu bieten. Es gehe darum, dass die Bewohnerinnen hier zur Ruhe kommen und mit Hilfe der beiden fest angestellten Sozialpädagoginnen ihre oftmals unüberschaubare Situation meistern können. Gemeinsam werden Handlungsstrategien erarbeitet und in Gesprächen die Angst vor der Zukunft abgebaut. Immer im Mittelpunkt auch das Wohl der Kinder. Deshalb sorgt das Team unter der Leitung von Michaela Göke für ein geregeltes Leben in einer gewaltfreien Zone. Insbesondere die hauswirtschaftliche Kraft – Dritte im Bunde der Mitarbeiterinnen und einst selbst Betroffene – hat einen guten Draht zu den Jungen und Mädchen und übernimmt deshalb auch die Betreuungsangebote.
Wie lange Mutter und Kinder im Frauenhaus bleiben, entscheiden sie selbst. In den seltensten Fällen gibt es eine Rückkehr zum gewalttätigen Mann. In der Regel zieht die kleine Familie in eine neue Wohnung, manchmal sogar in eine andere Stadt, wo Angehörige oder Bekannte leben. Die Sozialpädagoginnen stehen ihnen dabei beratend zur Seite. Auch wenn es um Aufenthaltsbestimmungsrecht der Kinder geht, das meist gerichtlich geklärt wird, ist das Frauenhaus-Team den Betroffenen behilflich. Das Problem sei, so Michaela Göke, dass in der Verhandlung der Mann erfährt, wo Frau und Kinder Zuflucht gefunden hat. Das bringe sie wieder in Gefahr. Schutz gebe die Möglichkeit, dem Täter einen Platzverweis zu erteilen. Die meisten Männer nehmen es nicht einfach hin, dass ihre Frauen sie verlassen haben und setzen alles daran, sie zu finden, weiß Edeltraut Buser-Hussong. Dabei schrecken sie nicht davor zurück, auch die Mitarbeiterinnen verbal zu bedrohen.
Seit über einem Jahr herrscht durch die Corona-Pandemie überall im Land eine Ausnahmesituation. Welche Auswirkungen dies auf die Arbeit im Frauenhaus hat, schildert Michaela Göke an einer Begebenheit: „Sieben Monate lebte bei uns eine Migrantin mit ihren drei Kindern. Als angesichts der Corona-Pandemie im letzten Jahr der erste Lockdown verhängt wurde, war ihre Angst vor einer Ansteckung im Frauenhaus so groß, dass sie wieder zurückging in den Familienverband, wo sie nicht nur von ihrem Mann sondern auch von dessen Angehörigen massiv misshandelt wurde“. Da konnten die Mitarbeiterinnen nichts ausrichten.
Insgesamt habe die Verbreitung des Virus vieles verändert. So wurde die Gewaltsituation in einigen Familien entzerrt, dank Ausgangssperre, geschlossenen Kneipen und abendlichem Verbot von Alkoholverkauf. In dieser Zeit habe auch die Polizei weniger Einsätze verzeichnet. Umgekehrt hätten andere Betroffenen keine Möglichkeit gehabt, das Haus zu verlassen um etwa die Kinder in den Hort oder in die Schule zu bringen. „Seit der Aufhebung des Lockouts gibt es wieder vermehrt Anfragen“, so Michaela Göke.
Im Frauenhaus stehen sechs renovierte Zimmer mit 17 Betten, eine moderne Küche und ein liebevoll eingerichtetes Spielzimmer sowie ein kleiner Garten zur Verfügung. Für die dringend notwendigen Modernisierungen erhielt der Trägerverein, der zum Zusammenschluss aller Frauenhäuser in Rheinland-Pfalz zur Konferenz der Frauenhäuser gehört, Mittel vom Bund. Auch die Stadt, als Vermieterin des Gebäudes, habe unterstützend mitgewirkt, so Edeltraut Buser-Hussong. ak
Info:

Frauenhaus Pirmasens, Telefon: 06331 92626; frauenhaus-pirmasens@t-online.de

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Autor:

Andrea Kling aus Pirmasens

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