Poetry Slam Landau: Wie wird man eigentlich Poetry-Slammer, Anuraj?
Landau/Edenkoben. Im prall gefüllten Saal herrscht gespannte Stille. Erwartungsvoll richtet das Publikum den Blick auf die Bühne. Kurz vor seinem Auftritt versucht Anuraj Sri Rajarajendran noch einmal tief in den Bauch zu atmen, um die Nervosität zu verscheuchen. Die letzten Gespräche verebben, als der junge Mann die Bühne mit nichts als einem Zettel in der Hand betritt. Als erster Poetry Slammer des Abends trägt er seinen selbst geschriebenen Text vor. Am Ende des Auftritts ist er es, der gespannt wartet - auf die Reaktion des Publikums.
von Katharina Schmitt
Anuraj Sri Rajarajendran aus Edenkoben studiert Geographie und Englisch auf Lehramt an der RPTU in Landau mit dem Drittfach Darstellendes Spiel. An mittlerweile einem runden Dutzend Poetry Slams hat der 26-Jährige teilgenommen; seit seiner Kindheit schreibt er Rap-Texte. Von der Rapmusik und Rapbattles kam Anuraj vor rund einem Jahr zum Poetry Slam.
Was ist Poetry Slam?
„Der Poetry Slam ist ein Dichterwettstreit und das Publikum entscheidet“, versucht Anuraj Poetry Slam zu erklären. Bei einem Poetry Slam treten Künstlerinnen und Künstler meistens in einer Vorrunde und einem Finale gegeneinander an.
Dabei haben die Künstler nur ihre selbst geschriebenen Texte mit auf der Bühne und ihre Stimme. Es darf nicht gesungen werden, es dürfen keine Requisiten verwendet werden. Jeder Künstler hat sechs bis sieben Minuten Zeit.
Das Publikum entscheidet über das Weiterkommen und den Sieger. Das funktioniert über Punktetafeln, die vor der Veranstaltung zufällig unter einzelnen Sitzen platziert wurden, oder über den Applaus.
Der Weg auf die Bühne
Auf YouTube entdeckte der Lehramtsstudent Videos von Poetry Slams. Sein Interesse war geweckt. Über Freunde lernte er die Slammerin Julie Kerdellant kennen. Zwei bis drei Wochen später war der Senkrechtstarter direkt in Speyer bei seinem ersten Slam auf der Bühne. „Ich war sehr aufgeregt und hatte eine zittrige Stimme“, erinnert sich Anuraj an seine ersten Slam-Erfahrungen zurück.
Der erste Text handelte von einem Erlebnis im Fitnessstudio. Anurajs Texte entstehen aus seinem Leben. „In der Fitnessstudio-Umkleide fragte mich ein älterer halb nackter Mann, woher ich komme“, erzählt Anuraj. „Ich antwortete: ,Meine Eltern kommen aus Sri Lanka’, daraufhin meinte der Mann: ,Ich war schon einmal in Indien.’ – Diese Situation war so absurd und komisch, dass ich wusste, ich musste etwas daraus machen.“
Seine Erfahrung aus rund 20 Rap-Texten hilft ihm bei den Poetry Slam-Texten. Zum Rap kam er durch seinen älteren Bruder. Dieser hörte viel Hip-Hop, Anuraj bekam den alten MP3-Player. In der fünften Klasse schrieb er Liebeslieder. „Früher dachte ich ,Das ist Kunst’, heute wären sie mir vermutlich eher peinlich“, so Anuraj schmunzelnd. Die Frage, ob Poetry Slam Kunst ist, bejaht Anuraj, auch wenn Kunst schwer zu definieren sei.
Poetische Sprache
Der zukünftige Englischlehrer verfasste in der elften Klasse einen englischen Poetry Slam-Text und erhielt darauf die Höchstpunktzahl. Dennoch ist es für Anuraj noch keine Option, seine Texte auf Englisch zu schreiben. Deutsch sei für ihn einfacher und intuitiver, da ihm hier direkt Reime einfallen. „Deutsch ist eine sehr poetische Sprache. Wir haben viele Wörter, die es in anderen Sprachen nicht gibt“, erklärt Anuraj seine Sprachwahl. Sein deutsches Lieblingswort ist Mumpitz.
Einen eigenen Stil
Mumpitz im Poetry Slam ist für Anuraj, andere Slammer nachahmen zu wollen. Selbst schaut er zum Lernen zwar Videos von sehr guten Auftritten an, versucht sich aber seinen eigenen Stil zu bewahren. Die Bühnenerfahrung aus Darstellendem Spiel in der Schule oder im Studium hilft ihm. Beim Poetry Slam ist nicht nur der Text wichtig, sondern auch die Performance dahinter. „Ich bin es gewohnt mich vor Anderen zum Affen zu machen“, sagt Anuraj und lacht dabei.
Anderen, die sich ebenfalls am Poetry Slam versuchen wollen, spricht Anuraj Mut zu: „Es ist nie zu spät, etwas Neues auszuprobieren. Du kannst nichts falsch machen.“ Jedoch rate er jedem davon ab, sich zu sehr dem typischen Poetry-Slam-Duktus unterzuordnen. Stattdessen solle man seinen eigenen Stil finden, da das Publikum merke, ob der Vortragende selbst Spaß an der Sache hat. Anuraj fand seinen eigenen Stil im Rap-Style.
Von der Idee zum TextBis zum fertigen Text durchläuft Anuraj einen sehr individuellen Prozess. Meistens geht er durch die Stadt und bekommt dann zufällig eine Idee, eine Pointe, die er sich direkt notiert. Dazu sammelt er weitere Ideen. Beim Schreiben reimt er direkt, am Ende sucht er noch mehr Reime und überarbeitet die Witze.
Neben der Umkleidegeschichte schrieb er über sein Aussehen und die Erfahrungen damit. „Manchmal vergesse ich wie ich aussehe“ beschreibt einen fiktiven Tag in seinem Leben, in dem ihn seine Mitmenschen mit seinem Aussehen konfrontieren. „Ich nehme die anderen damit ein bisschen auf die Schippe“, erklärt Anuraj lachend.
Zum Lachen bringen
Poetry Slam sei eine der einfachsten Chancen, auf die Bühne zu kommen und seine Kunst nach außen zu tragen. In der Musik käme man nicht so schnell vor so ein großes Publikum. „In erster Linie wollen die Leute unterhalten werden“, erklärt Anuraj, „und ich liebe es Menschen zum Lachen zu bringen.“ Aber nicht jeder Poetry Slam Text muss lustig sein, auch ein Denkanstoß darf gegeben werden. Anuraj selbst hat zwei tiefgründige Texte geschrieben. Sie handeln von Tod und Schizophrenie; beides Themen, die Anuraj privat beschäftigten. Das mache seine Texte neben dem Rap-Style so besonders: „Meine Texte sind authentisch, sie funktionieren nur mit mir“, betont Anuraj.
Bei seinem ersten Auftritt war es größtenteils sehr still. Dennoch kam Anuraj ins Finale. Das Gefühl, wenn bei einer Pause für Lacher, keiner lacht, sei unangenehm. „Da musst du schlucken und weitermachen“, erklärt der Slammer abgezockt. „Vermutlich wusste das Publikum nicht, ob es lachen darf oder es eher ein ernster Text sein sollte.“ Viel größer als die Angst vor unangenehmen Pausen war da seine Sorge beim Betreten der Bühne zu stolpern oder vor Nervosität kein Wort rauszubekommen. Das ist aber bislang nicht passiert.
Sich selbst beschreibt Anuraj als sehr ehrgeizigen Menschen. Bei einem Poetry Slam bekommt zwar jeder die gleiche Gage, doch Anuraj grinst spitzbübisch und erklärt dann: „Ich will immer gewinnen. Wenn ich etwas mache, will ich auch gut darin sein.“
Doch nicht nur unter den Slammern gibt es einen Gewinner: „Der Gewinner ist das Publikum“, unterstreicht Anuraj lächelnd, „Nirgendwo sonst bekommt man so eine Vielfalt an Themen geboten.“ kata
Weitere Informationen:
Am Donnerstag, 25. Mai, um 20 Uhr (Eintritt ist um 19.30 Uhr), ist in Landau wieder ein Poetry Slam. Das erste Mal ist der Slam statt im Universum Kinocenter im Gloria. Anuraj Sri Rajarajendran trägt seinen Text "Manchmal vergesse ich wie ich aussehe" an diesem Abend außer Konkurrenz vor. Der erste Slammer liest meistens einen Text als "Opferlamm" vor, um so die Stimmung etwas aufzulockern.
Neben Poetry Slam macht Anuraj auch weiter Rapmusik. Musik von Anuraj ist in Instagram unter @a.s._music oder auf YouTube zu finden.
Autor:Katharina Wirth aus Herxheim |
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