Feuerwehren der Verbandsgemeinde Annweiler im Einsatz
Flutkatastrophe im Ahrtal
Annweiler. Bei der Flutkatastrophe, die in der vergangenen Woche Teile von Nordrhein Westfalen und Rheinland Pfalz heimgesucht hat, waren auch die Feuerwehren der Verbandsgemeinde Annweiler im Einsatz.
Bereits wenige Stunden nach der verheerenden Flutwelle im Ahrtal wurden die Wehrleiter des Landkreises Südliche Weinstraße durch den Brand- und Katastrophenschutzinspekteur Jens Thiele über einen sehr wahrscheinlich bevorstehenden Einsatz im Katastrophengebiet in Kenntnis gesetzt. Die Lage vor Ort sei schrecklich. Es gäbe viele Tote, Verletzte und vermisste Menschen. Viele Ortschaften seien von der Außenwelt abgeschnitten.
Bernd Pietsch, Wehrleiter der Verbandsgemeinde Annweiler, informierte umgehend alle 12 Wehrführer der Feuerwehren der VG Annweiler über die Lage im Ahrtal und kündigte einen bevorstehenden Einsatz mit hohem Personalaufwand über mehrere Tage an. Die Aufgabe der 12 Ortswehren war es zunächst, schnellstmöglich das verfügbare Personal aus allen Wehren für eine Woche aufzustellen um den Einsatz koordinieren zu können.
Bereits um 12.53 Uhr wurde durch die Integrierte Leitstelle Landau Alarm für die Feuerwehren des Landkreises Südliche Weinstraße und der Stadt Landau ausgelöst.
Gegen 15 Uhr setzte sich dann der Verband aus 27 Fahrzeugen und 130 Einsatzkräften aus dem Kreis SÜW und der Stadt Landau in Bewegung. Unter ihnen auch 25 Feuerwehrangehörige aus der VG Annweiler. Die Fahrzeuge, die sich alle auf dem neuen Messplatz in Landau sammelten, hatten außer den Einsatzkräften auch jede Menge an technischer Ausrüstung dabei. Tauchpumpen, Schmutzwasserpumpen, Stromerzeuger und vieles mehr, was im Katastrophengebiet dringend gebraucht wurde.
Kurz vor 18 Uhr erreichten die Einsatzkräfte dann den zuvor festgelegten Bereitstellungsraum im Bereich Emmelshausen, in dem sich sämtliche Rettungkräfte aus dem südlichen Rheinland Pfalz sammelten. Feuerwehr, Rettungsdienste, THW, Rettungshundestaffeln, alles was helfen konnte war vor Ort.
Im nächsten Schritt galt es, das Personal und das mitgebrachte Material aufzulisten und an die Einsatzstelle im Katastrophengebiet zu melden. Um zu vermeiden, dass tausende von Rettungskräften gleichzeitig am Unglücksort eintrafen, wurden die Einheiten entsprechend gezielt abgerufen. Gegen 22.30 Uhr waren die Feuerwehren aus dem Kreis SÜW und der Stadt Landau an der Reihe. Ziel war ein weiterer Bereitstellungsraum direkt im Katastrophengebiet im Bereich Ahrweiler. Kurz vor dem Ort Grafschaft kamen den Feuerwehren duzende von Reisebussen entgegen. In Ihnen, evakuierte Menschen aus dem Ahrtal.
„Das, was diese Menschen in den vergangenen Stunden erlebt haben, konnte man in ihren Gesichtern erkennen. Leere Blicke, Tränen in den Augen. Ein schrecklicher Anblick“, sagt Bernd Pietsch.
„Wir haben bereits am Tag zuvor in den Medien von der Katastrophe erfahren und auch einige Berichte in den Nachrichten gesehen. Aber das, was uns dort wirklich erwartete, wurde uns erst jetzt allmählich klar.“
Um 0.30 Uhr waren die Kräfte dann im Bereitstellungsraum Grafschaft angekommen. Jedes Fahrzeug meldete sich einzeln bei der dortigen Abschnittsleitung „einsatzbereit“. Auch hier hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits tausende Helfer eingefunden. Jeder wollte helfen. Im Minutentakt wurden die Fahrzeuge und Einheiten vor Ort abgerufen. Jeder bekam einen Einsatzauftrag.
Um kurz vor 3 Uhr am frühen Morgen kamen dann auch die Kräfte aus der VG Annweiler zum Einsatz. Teile der Mannschaft wurden zu Tragehilfen angefordert. Hier galt es, den sich bereits vor Ort befindlichen Rettungsdiensten bei der Rettung von verletzten Personen aus überfluteten Häusern zu helfen. Weitere Einsatzaufträge waren unter anderem auch die Evakuierung eines Krankenhauses. Als nächstes kamen die beiden Kommandofahrzeuge der VG Annweiler und Landau Land zum Einsatz. Da beide Fahrzeuge über Allrad verfügten wurde sie in die Dörfer Dernau und Mayschoß geordert, welche sich im Ahrtal direkt an der Ahr befanden. Aufgabe war es, die Dörfer zu erkunden.
Das Dorf Mayschoß war zu diesem Zeitpunkt komplett von der Außenwelt abgeriegelt. Die Zufahrtsstraße zum Dorf gab es nicht mehr. Sie war durch die Wassermassen komplett weggespült. Da im ganzen Tal weder Telefon, noch Funk funktionierten, wusste niemand, wie die Lage in den beiden Dörfern ist. Wie viele Gebäude sind zerstört, wie viele Menschen haben die Katastrophe überlebt? Wie viele Tote gibt es vor Ort? Fragen über Fragen, die keiner beantworten konnte. Diese Ungewissheit, zusammen mit dem Anblick der Zerstörung durch die Wassermassen gehen an die Substanz. „Ich habe in meinen knapp 25 Jahren bei der Feuerwehr schon viel erlebt und viel gesehen“, sagt der Annweiler Wehrleiter, „aber so etwas noch nicht. Das ist unfassbar schrecklich. Dort sieht es aus wie im Krieg. Verzweifelte Menschen, die ihr komplettes Hab und Gut verloren haben, Menschen, die weinend nach ihren Angehörigen suchen und durch die Wassermassen extreme Zerstörung in den Orten. Entlang der Ahr steht fast keine Brücke mehr, viele Häuser sind einfach weg. Das kann man nicht in Worte fassen. Mittlerweile wurden ca. 130 Tote in dem Gebiet geborgen, die gleiche Anzahl an Menschen gilt immer noch als vermisst. Das sind Eindrücke und Emotionen, die tief sitzen“.
Nachdem Dernau erkundet war, wurde weiteres Personal angefordert, um den Ort systematisch nach Überlebenden zu durchsuchen. Gegen Mittag traf dann die Bundeswehr dort ein und kümmerte sich medizinisch um die Menschen.
In den nächsten Tagen wurde der Einsatzabschnitt direkt in die Stadt Ahrweiler verlegt.
Die Versorgungseinheit (SEG-V) des Landkreises SÜW und der Stadt Landau übernahm hier die Versorgung der Bevölkerung und der Einsatzkräfte in einem Stadtteil. Die Bevölkerung wurde täglich mit 5000 Mahlzeiten und Getränken versorgt.
Die Aufgabe der Einheiten des Landkreises SÜW bestand nun im Wesentlichen durch Auspumpen von Kellern und Tiefgaragen, sowie der logistischen Versorgung und der Betreuung der Bevölkerung. Alle eingesetzten Einsatzkräfte, egal woher, haben dort unglaubliches geleistet. Das kann sich niemand vorstellen und das kann man mit Worten auch nicht beschreiben. Die Jungs und Mädels haben bis zur Erschöpfung gekämpft, nach Vermissten gesucht, Keller ausgepumpt, betroffene Menschen betreut. Alles was an Aufgaben anfiel wurde, ohne zu zögern und ohne zu fragen warum, einfach erledigt.
Die Einheiten waren in 24 Stunden Schichten eingeteilt. Der Personalwechsel erfolgte täglich durch zwei Mannschaftstranportfahrzeuge. Geschlafen wurde im Einsatz so gut wie nicht. Wenn mal kurz die Möglichkeit bestand, bzw. wenn die Erschöpfung zu stark war, legte man sich an Ort und Stelle einfach kurz für ein paar Minuten hin.
VG Bürgermeister Christian Burkhart stand während des gesamten Einsatzes regelmäßig mit Wehrleiter Bernd Pietsch in Kontakt, um sich sowohl über die Situation vor Ort, als auch über den gesundheitlichen und seelischen Zustand der Einsatzkräfte aus der VG Annweiler zu informieren.
Am Donnerstag, 22. Juli, fand bereits eine Nachbereitung der eingesetzten Führungskräfte der Feuerwehren der VG Annweiler, zusammen mit Bürgermeister Christian Burkhart statt. „Es ist wichtig, dass dieser Einsatz bei unseren Kräften keine seelischen Spuren hinterlässt. Das vor Ort erlebte wird noch einige Zeit in den Köpfen der Helfer bleiben. Professionelle Hilfe steht für alle Betroffenen jederzeit bereit“.
Aber nicht nur im Katastrophengebiet wurde geholfen, auch zu Hause, im „rückwärtigen Bereich“ wurde mit enormem Einsatz gearbeitet. Sei es bei der logistischen Unterstützung der Kräfte vor Ort, bei der kontinuierlichen Einsatzplanung, oder auch bei der Organisation der dringend benötigten Hilfsgüter für ins Katastrophengebiet.
Bürgermeister Christian Burkhart und Wehrleiter Bernd Pietsch danken auf diesem Weg nochmals allen eingesetzten Einsatzkräften für ihren unglaublichen Einsatz der vergangenen Tage. „Wir sind verdammt stolz darauf, eine Feuerwehr zu haben, auf die wir uns jederzeit zu 100 Prozent verlassen können“. ffw
Autor:Britta Bender aus Annweiler |
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