Weyher – oder auf der Suche nach einer Wüstung
Wüstungen in der Südpfalz

Einweihung des Steins für Weyer 1992   | Foto: Rolf Übel
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  • Einweihung des Steins für Weyer 1992
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von Rolf Übel
Bad Bergzabern. Im Verbandsgemeindearchiv Bad Bergzabern wird im Bestand „Ortsgemeinde Niederhorbach“ unter der Nummer ... ein Dokument verzeichnet, das den Titel „Bannbeschreibung von Weyher“ trägt. Das von dem Renovator Haecker 1770 gezeichnete Kartenwerk enthält 17 kolorierte Blätter der dörflichen Gemarkung. Auf Blatt 1 (Tabula I) kann man bei genauem Hinsehen deutlich sichtbar einen kleinen Kirchenumriss sowie einen Dorfbrunnen eingezeichnet erkennen. Und dieser Hinweis auf der Karte ist der einzige kartographische Hinweis auf das Dorf Weyher, das zwischen den Dörfern Niederhorbach, Oberhofen und Pleisweiler gestanden hatte. Und der Grund für diese Kartenaufnahme war der, dass die Gemarkung des untergegangenen Ortes unter die drei genannten Nachbarorte aufgeteilt worden war. Niederhorbach erhielt zwei Drittel, Pleisweiler und Oberhofen zusammen das weitere Drittel. Über das Schicksal des Dorf Weyher hat Haecker in seinem Kartenwerk nichts vermerkt. Aber zu späterer Zeit wurde mit anderer Hand nachgetragen: „Weyher 1622 zerstört“.
Bei der Ortslage Weyher westlich der Ortsgrenze von Niederhorbach handelt es sich also um eine Wüstung, ein untergegangenes Dorf. In Vergessenheit geraten ist das Dorf in der Überlieferung der Nachbargemeinden nie. Und dem Autor dieser Zeilen wurde auch oft erzählt, das der Ort im Dreißigjährigen Krieg untergegangen war.
Historisch ist der Ort allerdings gut greifbar, da es einige Urkunden gibt, die ihn schon früh nennen. 1303 und 1313 wird er als Wilre erwähnt. Weitere Nennungen folgen 1331 und 1493. Wilre oder neuhochdeutsch Weyher ist ein häufiger Namen, und es gab auch im Schrifttum Verwechslungen mit dem Weyher bei Edenkoben, da sich auch dieser Ort im Mittelalter Wilre schrieb. Die Urkundenkenner haben die frühen Nennungen Weyhers aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs mit den Klöstern Weißenburg oder Klingenmünster dem Ort bei Niederhorbach eindeutig zugeordnet. Die Nennung von 1493 findet sich auch in einer Urkunde des Klosters Klingenmünster. 1539 lautet es im Text einer weiteren Urkunde „in Weyherer maerk, doch unter dem richterstab Blyswyler“ – dies ist die erste Urkunde, bei der es keinen Diskussionen geben kann, welches Weyher oder Weiler gemeint ist.
1612 wird der Ort wieder in schriftlichen Quellen genannt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Ort 15 Haushaltungen, was auf eine Zahl von circa 70 Einwohnern schließen lässt. Die Kirche in Weyher wurde 1493 erstmalig urkundlich erwähnt, war aber 1582 schon sehr zerfallen. Gottesdienst fand keiner mehr statt, die Gläubigen gingen entweder nach Oberhofen oder nach Pleisweiler in den Gottesdienst. Die Einwohner von Weyher waren im Jahre 1612 Untertanen des Herzogs von Pfalz-Zweibrücken in dessen Amt Barbelroth und gehörten kirchlich zur Pfarrei Niederhorbach.
Als Zerstörungsdatum des Ortes wird in verschiedenen Quellen das Jahr 1622 angegeben. In diesem Jahr, vier Jahre nach Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs, war die Südpfalz tatsächlich Kriegsgebiet. Pfalz-Zweibrücken hatte sich zwar für neutral erklärt, aber das war keine Gewähr, nicht in die Kriegswirren einbezogen zu werden. Die Truppen der katholischen Liga und der protestantischen Union lieferten sich Gefechte in der Pfalz und kleinere Einheiten zogen durch das Land um zu „fouragieren“, das heißt zu plündern und zu rauben. Ein Niederbrennen des Dorfes ist dieser Zeit ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Und so steht es eben auch in den Quellen. Aber stimmt das?
Nach neueren Forschungen bestand der Ort noch 1631, denn zu diesem Zeitpunkt wurde noch eine Dorfrechnung niedergeschrieben. Und der Dorfmeister Matthes Schönlaub konnte noch Steuern einnehmen, z.B. 15 Gulden Beede, das ist eine Grundsteuer. Es werden auch Einwohner des Ortes namentlich genannt.
Aus der Rechnung geht aber auch ausdrücklich hervor, das der Krieg das Dorf erreicht hatte.
Denn es ist die Rede von der „abzahlung allerhandt krieges und hubgeldes“ und von „It 265 fl. (Gulden), 9 bz (Batzen)., 12 d. Pfennige contribution (Kriegssteuer) in beeden gemeinden Horbach und Weyher in eylff wochen dieses jahr über eingetrieben“. Diese Summe war der höchste Einzelposten der Rechnung; das Geld musste im Oberamt Bergzabern abgeliefert werden. Der Oberamtmann hatte es dann an die in Quartier liegenden Truppen weiterzuleiten. Nur diese Zahlungen bewahrten die Dörfer vor der Plünderung. Durchziehende Kavalleristen hatte im Jahre 1630 aber auch Heu für ihre Pferde direkt vor Ort eingefordert und erhalten. Die Bedrückungen und Steuern anlässlich des Krieges sind also manifest, obwohl im Jahre 1630 in unserem Gebiet keine direkten Kriegshandlungen stattfanden, waren trotzdem Soldaten im Land, die verpflegt und untergebracht werden mussten, was sich auch in den Rechnungen der Dörfer abbildet. Aber: Steuern und Abgaben können nur aus einem bestehenden Gemeinwesen erzielt werden. Also muss der Ort 1631 noch bestanden haben.
Die größten Verwüstungen und Zerstörungen sollten für die Pfalz ohnehin erst später kommen: Ab 1635 war Frankreich als Verbündeter der Schweden Kriegspartei. Und schon in diesem Jahr brandete der Krieg in die Pfalz, und es begann das, was man später „Soldatenanarchie“ nennen sollte. Bis zum Friedenschluss 1648 wurde die Pfalz immer wieder Kriegsgebiet, die Menschenverluste und materiellen Schäden nahmen unvorstellbare Ausmaße an. Wahrscheinlich ist das Dorf Weyher in dieser Zeit zerstört worden.
Ganz von Erdboden verschwunden war der Ort nicht, denn 1672 werden noch „Heußer, Hoffreithen und Gärthen im Dorf Weyer“ genannt. Aber keine Menschen! Über die Einwohner schweigt die Quelle, aber in diesen Jahren begannen wieder die Kämpfe mit Frankreich im Zuge der Reunions- und Eroberungskriege Ludwig XIV. Vielleicht ging der Ort auch erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts unter. 1747 soll im Dorfbereich noch aufgehendes Mauerwerk vorhanden gewesen sein. Vielleicht hat deswegen auch der Renovator Haecker 23 Jahre später dann Kirchenruine und Dorfbrunnen in seine Karte eingezeichnet. Und bei der bayerischen Katasteraufnahme 1843 war nur zu vermelden, dass es einmal ein Dorf Weyher gegeben hatte. Aber wie schon erwähnt, ganz in Vergessenheit geriet der Ort nicht.
1966 fand der Landwirt Emil Wendel aus Oberhofen in der „Gewanne Weiher“ einen „kleinen Kugeltopf aus hellgelben, sandige Ton mit Linsenboden“, der der Pingsdorfer Ware des 11. Jahrhunderts zugeordnet wurde. Wendel gab bei seiner Fundmeldung an, schon früher im Umfeld der Fundstelle ähnliche Scherben gefunden zu haben. Somit könnte Weyher älter sein, als die urkundlichen Belege reichen.
Sechs Jahre später wurden durch das Archäologische Amt in Speyer unter Leitung von Dr. Karl-Werner Kaiser eine Begehung im Vorfeld einer Flurbereinigung an „der Stätte der Wüstung Weiler“ durchgeführt und Sondagen vorgenommen, bei denen man offensichtlich den Friedhof des Ortes anschnitt und auch auf eine Kulturschicht stieß. Weitere Untersuchungen fanden aber nicht statt, das Gelände wurde aber durch die Flurbereinigung nachhaltig verändert.
Im Sommer 1991 fanden auf Initiative von Joachim Engelmann aus Ludwigshafen Vermessungen statt. Dabei wurden die alten Einzeichnungen aus Haeckers Karten auf moderne Flurkarten übertragen. Ein Begehung mit dem Archäologen Dr. Helmut Bernhard vom Landesamt für Denkmalpflege, Archäologisches Amt in Speyer, im Sommer 1991 kam zu dem Ergebnis, dass eine großflächige Grabung zu aufwendig wäre, aber eine Suchgrabung nach dem Dorfbrunnen Erfolg haben könnte, obwohl die Geländegegebenheiten seit 1770 durch die Flurbereinigung und die Anlage von Wegen stark verändert sind. Leider unterblieben diese Maßnahmen.
Auf Initiative von Joachim Engelsmann wurde im Frühjahr 1992 an der Stelle des Dorfes Weyher ein Gedenkstein und eine Informationstafel aufgestellt, die an den Ort erinnern und Informationen zu seiner Geschichte liefern sollen.

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Autor:

Britta Bender aus Annweiler

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