Tagebuch - Was Sprache alles vermag
„Wellenbrecher“ und andere Wörter
Von Franz-Walter Mappes
Im Tagebuch schreiben wir über die kleinen Dinge des Alltags. Schönes, Skurriles, Ungewöhnliches. Manchmal gibt es einen Zusammenhang mit Corona, manchmal sind es Dinge, an denen wir früher achtlos vorbeigegangen sind, aber die schwierige Zeit hat uns auch dafür die Augen geöffnet.
Wellenbrecher
„Wellenbrecher“ ist zum Wort des Jahres 2021 gewählt worden.
Gemeint sind damit jedoch nicht die Buhnen an der Ostsee oder andere Einrichtungen am Meer, die das Land vor dem Wasser schützen sollen, sondern Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Auch 2020 wurde dem Virus das Wort des Jahres gewidmet: „Corona-Pandemie“ hieß es. Ein Jahr davor ging es noch nicht um Covid-19, sondern um die „Respektrente“.
Erstmals 1971 und seit 1977 regelmäßig wählt die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) die Wörter und Wendungen des Jahres, die das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben eines Jahres sprachlich in besonderer Weise bestimmt haben und sind somit ein Beitrag zur Zeitgeschichte. Ein kleiner Rückblick an einige kuriose Wortschöpfungen: Lichtgrenze (2014), Wutbürger (2010), Abwrackprämie (2009), Schwarzgeldaffäre (2000), Reformstau (1997), Umweltauto (1984), Ellbogengesellschaft (1982).
Von 1991 bis 1994 wurde auch das Unwort des Jahres von einer Jury im Rahmen der GfdS gewählt. Nach einem Konflikt mit dem Vorstand machte sich die Jury als „Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres“ institutionell unabhängig. Ziel ist es, das Sprachbewusstsein und die Sprachsensibilität in der Bevölkerung zu stärken. So soll der Blick auf Wörter gelenkt werden, die „gegen sachliche Angemessenheit oder Humanität verstoßen“. Das Unwort des Jahres wird noch bis zum 31. Dezember gesucht und im kommenden Jahr bekanntgegeben. Im Jahr 2020 gab es mit „Rückführungspatenschaften“ und „Corona-Diktatur“ zwei Unwörter, 2019 hieß es „Klimahysterie“ und 2018 „Anti-Abschiebe-Industrie“.
Weitere Beispiele aus der Vergangenheit: „Gutmensch“ (2015), „Lügenpresse“ (2014), „Entlassungsproduktivität“ (2004) oder „Wohlstandsmüll“ (1997).
Das Jugendwort des Jahres 2021 heißt übrigens „cringe“, was soviel bedeutet wie „zusammenzucken“.
Wortschöpfungen
Bitte nicht gleich zusammenzucken, denn angeregt durch soviel Kreativität bei der Bildung neuer Wörter und Wortschöpfungen gehe ich seit Tagen mit offenen Augen durch den Alltag und suche nach erklärenden Worten für Dinge, die mir dort begegnen: Nach „Erklärungswortschöpfungen“, denn es gibt Gegenstände, für die es scheinbar kein Wort zu geben scheint, oder wie nennen Sie den Klotz, der in den Supermärkten auf das Band gelegt wird, um die Waren der Kunden zu trennen? Selbst der Verkäufer an der Kasse konnte mir darauf keine Antwort geben. Nennen wir es einfach „Warentrenndreieck“.
Oder beim Kauf eines Weihnachtsbaums: Wie heißt das Rohr, durch das der Baum geschoben und mit einem Netz verpackt wird? Auch interessant: Wie nennt man den Wartebereich, der durch ein Klebeband gekennzeichnet ist?
Auf der Suche nach Begriffen kennt die Fantasie keine Grenzen und so entstehen Stück für Stück ganz persönliche Wortschöpfungen des Jahres. Corona sei Dank, auch wenn man Ende immer wieder auf den heilbringenden Wellenbrecher hofft und wartet. mps
Autor:Franz-Walter Mappes aus Bad Dürkheim |
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