Bruchsaler Kulturfenster
Der „Klammeraffe“ vor 215 Jahren
Jeden Donnerstag laden das Städtische Museum und das Stadtarchiv zum Blick durch das „Bruchsaler Kulturfenster“ ein. In dieser Woche gibt Tamara Frey vom Stadtarchiv Einblick in die Heidelsheimer Stadtratsprotokolle von 1806.
Schlägt man den Band des Heidelsheimer Stadtratsprotokoll von 1806 auf, fällt gleich auf der ersten Seite ein besonderes Zeichen ins Auge. Heute überall gegenwärtig, mutet es auf dem geschöpften Papier mit den altersbedingten braunen Verfärbungen am Rand und der Kurrentschrift in dunkler Tinte anachronistisch an. Vielleicht sticht es gerade deshalb aus den ordentlichen Schriftreihen so hervor. Ein „At-Zeichen“, umgangssprachlich auch „Klammeraffe“ in den Stadtratsprotokollen von 1806?
Tatsächlich! Aber wie und warum wurde das Zeichen damals genutzt? Die Antwort führt uns zum einen in die Paläographie, die Schriftauswertung, zum anderen in die Aktenkunde des frühen 19. Jahrhunderts. Abkürzungen wurden schon immer genutzt, schon allein um wertvolles Papier zu sparen, doch sicher auch um die amtssprachlichen Kenntnisse der zeitgenössischen Ratsschreiber herauszustellen. Um eine Abkürzung anzuzeigen, wurden oftmals geschwungene Rundungen genutzt. So passt auch die Form des „Klammeraffens“ in das Schriftbild, der in den Stadtratsprotokollen immer dann auftaucht, wenn eine Streitigkeit zwischen Bürgern bzw. eine Anklage der Stadt gegen einen Bürger behandelt wird. Denn im 19. Jahrhundert wurden diese zunächst vor dem Stadtrat verhandelt; in schwerwiegenderen Fällen bzw. bei Nichteinigung der Parteien wurde der Fall danach an das Kurfürstliche Landamt übergeben.
Der „Klammeraffe“ wird hier im lateinischen Sinn als Zeichen für „Ad“ bzw. „Contra“ verwendet, um die beiden Konfliktparteien voneinander abzutrennen und gleich darauf hinzuweisen, dass es sich um eine rechtliche Streitigkeit handelt. Doch nicht nur das Zeichen selbst erscheint dem modernen Betrachter vertraut, auch der Verhandlungspunkt No. 3 (Foto) ist gar nicht so weit von unserer Lebensrealität der letzten Monate entfernt, geht es doch um Übertretung der „Polizeistunde“. Die Strafe jedoch unterscheidet sich dann doch erheblich: anstatt eines Bußgeldes wurde den drei Delinquenten die Aushebung von Gräben in den städtischen Waldungen aufgebrummt.
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