Ehrenamtliche Bewährungshelfer in Bruchsal gesucht
„Die Balance zwischen Distanz und Nähe“
Bruchsal. Aljoscha Friedrich ist Bewährungshelfer - während andere dieses wichtige Amt als Beruf ausüben und dafür bezahlt werden, ist er seit rund zwei Jahren ehrenamtlich für die Bewährungs- und Gerichtshilfe Baden-Württemberg im Einsatz.
Aber was bewegt einen jungen Mann dazu, seine Freizeit straffällig gewordenen Menschen zu widmen und diese auf einem Weg von bis zu drei Jahren dauerhaft zu begleiten?
„Ich wollte ein Ehrenamt mit Verantwortung ausüben - und einfach auch etwas Sinnvolles machen, das mich in andere Lebenswelten als meine eigene führt“, sagt der 33-Jährige. Auf die ehrenamtlich Bewährungshilfe sei er gekommen, als er vor drei Jahren nach Bruchsal gezogen ist und hier eine neue „Freizeitbeschäftigung“ suchte. Er habe im Internet auf der Webseite der Stadt Bruchsal ein Portal für ehrenamtliche Aufgaben gefunden und das Thema Bewährungshilfe habe ihn dort sofort angesprochen. „Dann habe ich mich einfach kurz per Mail beworben, bin zu einem Gespräch eingeladen worden und jetzt seit gut zwei Jahren dabei.“
Gratwanderung
Der Balanceakt zwischen Nähe und Distanz zu den Klienten sei am Anfang am schwierigsten gewesen, gibt er zu. „Es geht eben nicht, dass man sich Klienten auch auf einer privaten Ebene nähert oder etwa Nummern austauscht, aber andererseits muss eine Vertrauensbasis für meine Arbeit auch da sein.“
„Aber um genau dieses Maß zu lernen, werden die Ehrenamtlichen professionell eingearbeitet, machen vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Kurs und werden kontinuierlich begleitet und weitergebildet“, sagt Gudrun Schikorra-Leidag, die Abteilungsleiterin der Bewährungshilfe in Bruchsal, die auch die Arbeit der ehrenamtlichen koordiniert. Voraussetzung für die Tätigkeit sei, dass man mindestens 21 Jahre alt ist und ein polizeiliches Führungszeugnis ohne Einträge hat. „Man sollte sich auch bewusst sein, dass eine Betreuung bis zu drei Jahre dauern kann und man idealerweise mindestens so lange dabei bleiben sollte“, fügt Aljoscha Friedrich an. Jeder ehrenamtliche betreut bis zu fünf Klienten, die er jeweils einmal monatlich trifft. Die Termine können flexibel gelegt werden, so dass auch Berufstätige dieses Ehrenamt gut ausüben können. Man trifft sich in den Räumlichkeiten der Bewährungshilfe - beim Bruchsaler Schloss, allenfalls geht man dort mal zusammen spazieren, aber andere Kontakte gibt es nicht.
Denn es geht darum, straffällig gewordene Menschen durch den Zeitraum ihrer Bewährung zu begleiten, Hilfestellung - etwa bei der Arbeitssuche, bei finanziellen Schwierigkeiten oder bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu leisten, aber eben auch die nötigen Kontrollen der Bewährungsauflagen durchzuführen. „Hat der Klient seinen Drogentest gemacht, seine Geldstrafe rechtzeitig bezahlt, seine Therapiestunden eingehalten - all das sind Dinge, die man je nach Fall regelmäßig überprüfen muss“, erklärt Friedrich seine Aufgaben. „Und dann schreibt man natürlich auch Berichte an das Gericht, eben darüber, ob der Klient seinen Auflagen eingehalten hat oder nicht.“ Ausnahmen oder ’ein Auge zudrücken’ kann es dabei nicht geben.“
Ehrenamt - auch für Berufstätige
Insgesamt müsse man mit zehn bis 15 Arbeitsstunden pro Monat rechnen - ein Engagement, das sich - was den Zeitaufwand betrifft - in Grenzen hält. Aber den Tätigen eben auch emotional und psychisch einiges an Stabilität und Souveränität abverlangt. „Man gibt wenig von sich Preis, ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und hat die stetige Gratwanderung zwischen Distanz und Nähe, zwischen Mitleid und Verurteilung“, sagt Aljoscha Friedrich. „Das ist nicht immer einfach.“ Aber dafür gibt es Teamtreffs bei denen die sieben Bruchsaler ehrenamtlichen Bewährungshelfer mit ihren Vorgesetzten zusammenkommen, um sich auszutauschen, sich gegenseitig zu unterstützen.
„Natürlich fragen Menschen in meinem Bekanntenkreis, warum ich gerade dieses Ehrenamt mache“, sagt Aljoscha Friedrich, der Stadtplaner von Beruf ist. „Man begegnet mir dabei aber immer mit großen Respekt und mit Neugierde - oft höre ich Aussagen wie: ’Ich glaube nicht, dass ich das könnte’.“ Aber die Arbeit sei nicht nur schwierig, man lerne auch viel daraus: Nämlich, dass eigentlich jeder in seinem Leben durch unglückliche Umstände in die Kriminalität abdriften kann und dass jeder ein Recht darauf hat, wieder in die Gesellschaft integriert zu werden, wenn er eben in der Bewährung alle Anforderungen erfüllt.
Andere Lebenswelten
Wer welchen Klienten bekommt, können die Ehrenamtlichen selbst entscheiden. Die hauptamtlichen Bewährungshelfer prüfen die Fälle vorab genau und entscheiden, wer sich für die ehrenamtliche Betreuung eignet. „Natürlich werden keine Sexualstraftäter oder Menschen mit psychischen Erkrankungen in die ehrenamtliche Betreuung geschickt. Schwere und schwierige Fälle werden selbstverständlich von den Hauptamtlichen betreut. Aber man muss sich als Ehrenamtliche schon bewusst sein, dass man Menschen gegenübersteht, deren Lebensweg und Lebensentwurf ein komplett anderer ist als der eigene“, sagt Schikorra-Leidag. Schwarzfahren, Betrug, Körperverletzung, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz - das sind Dinge mit denen man sich als ehrenamtliche Bewährungshelfer auseinandersetzen muss.
„Und natürlich setzen sich die Straftäter auch mit den ’normalen’ Lebensentwürfen der Ehrenamtlichen auseinander und können davon lernen“, meint sie. Vorbildfunktion, Motivationshilfe, Unterstützung aus der Mitte der Gesellschaft - das alles sind Gründe, warum ehrenamtliche Bewährungshilfe - neben der hauptamtlichen - sinnvoll sei, sagt sie. Deshalb werden in Bruchsal auch weitere ehrenamtliche Bewährungshelfer gesucht.
Information
Wer Interesse an dieser Tätigkeit hat, darf sich bei Gudrun Schikorra-Leidag unter 07251 3696723 oder gudrun.schikorra-leidag@bgbw.bwl.de melden. Wer vorab mehr über die Tätigkeit erfahren möchte, informiert sich unter www.bgbw.landbw.de
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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