Hans-Martin Flinspach im Interview
Mehr Hilfestellungen für Eigentümer von Streuobstwiesen

Hans-Martin Flinspach beim Baumschnitt | Foto: privat
2Bilder
  • Hans-Martin Flinspach beim Baumschnitt
  • Foto: privat
  • hochgeladen von Cornelia Bauer

Kraichgau. Die Streuobstinitiative im Stadt- und Landkreis Karlsruhe fördert seit 1996 in der Region den Erhalt artenreicher Streuobstwiesen. Im Rahmen der Apfelland-Serie des „Wochenblatts“ sprach Cornelia Bauer mit Hans-Martin Flinspach, dem Vorsitzenden des Vereins.

???: Es scheint, als würden sich heute mehr Menschen für Streuobst beziehungsweise Streuobstwiesen interessieren als noch vor einigen Jahren.
Hans-Martin Flinspach: Es gibt inzwischen einige Initiativen, die den Fokus auf diese wichtige Kulturlandschaft richten. Es gibt Schnittkurse und Fachwartausbildungen zum Beispiel. In diesem Jahr war das Interesse an den Schnittkursen des Landratsamtes, aber auch an unseren eigenen Kursen sehr groß.
Es kommen erstaunlich viele junge Leute in unsere Kurse - und der Wissensbedarf ist groß. Sie erben oder übernehmen Grundstücke und wissen zunächst einmal nicht, was zu tun ist. Wir versuchen, unsere Kursteilnehmer dort abzuholen, wo sie stehen, und der Wissenserosion entgegen zu wirken.
Der veredelte Obstbaum braucht den ständigen Eingriff wie zum Beispiel Schnittmaßnahmen auch als vorbeugenden Pflanzenschutz. Mangelnde Pflege führt zu verstärkter Alternanz. So nennt man es, wenn sich hoher und niedriger Ertrag jährlich abwechseln, der Ertrag also stark schwankt. Aber auch Jahre, in denen Spätfröste die Blüte ruiniert haben, sorgen dafür, dass die volle Kraft des Baumes im darauf folgenden August in die Knospenbildung geht. Es folgt ein Jahr mit Massenertrag; Bäume kommen statisch an ihre Grenzen oder es gibt Bruch. Solche Entwicklungen tragen zur Verzweiflung der Streuobstbauern bei. Das ist mit ein Grund, warum sie zu uns in die Kurse kommen. Im Herbst haben wir daher Kurse dazu angeboten, wie man Bruchäste in der Krone versorgt.

???: Heißt das, der Erhalt der Streuobstwiesen im Kraichgau ist gesichert?
Flinspach: Das Problem ist, dass es auch weiterhin viele Streuobstwiesen gibt, die nicht mehr gepflegt werden. In der Folge verarmt der Lebensraum. Kleinarten in der Wiese gehen verloren, Bäume sterben ab. Und, ja, auch die Insekten brauchen die Artenvielfalt als Nahrungsgrundlage.

Wohin mit dem Mähgut?

Gerade verfolgt man den Ansatz, Blühstreifen auf Äckern anzulegen, um dem Insektensterben entgegen zu wirken. Das ist sicher sinnvoll, aber alleine damit können wir keine wesentliche Verbesserung erreichen. Wenn die Streuobstwiesen zweimal im Jahr zum richtigen Zeitpunkt gemäht und traditionell gepflegt werden, ist das für die Insekten nachhaltiger als die Blühstreifen am Ackerrand. Dazu sind aber Anstrengungen notwendig.
Wir müssen Konzepte entwickeln und den Grundstücksbesitzern Hilfestellungen geben. Zum Beispiel auch bei der Frage: Wohin mit dem Mähgut? Es gibt nicht mehr so viel Vieh in der Region - und ein Pferdebesitzer mäht einfacher eine baumfreie Wiese, um an das Heu für seine Tiere zu kommen. Daher bin ich davon überzeugt, dass es Anreize geben muss, damit wieder gemäht wird, plus ein Verwertungskonzept fürs Mähgut. So wird zum Beispiel bei der Energieagentur darüber nachgedacht, das Mähgut energetisch zu verwerten. Wir müssen auch in den Bürgermeistern die Verantwortung wecken und sie bitten, die Pflege der Streuobstwiesen zu ihrem Projekt zu machen. Indem sie sich für Pflegemaßnahmen in den Streuobstwiesen ihrer Gemarkung einsetzen und auch dafür, dass unsere Säfte bei Festen verkauft werden. Dabei ist es mir ganz wichtig, herauszustellen, dass wir kein Saftprojekt sind, sondern ein Naturschutzprojekt zum Erhalt des Lebensraums Streuobstwiese.

???: Wie lief das Rekord-Obstjahr 2018 für den Verein?
Flinspach: In der letzten Saison haben wir mehr als tausend Tonnen Obst von unseren rund 180 Hektar Vertragsflächen angenommen. Das war eine Riesenherausforderung für den Verein, sowohl logistisch als auch finanziell. Nur dank unserer Rücklagen konnten wir das stemmen und unsere Obstbauern zeitnah auszahlen. Die Nachfrage nach unseren Säften - Äpfele und Birnle in Flaschen und Saft im Tank - war erstaunlich gut. Vor allem das Interesse am Verkauf von Saft im Tank verdanken wir der Tatsache, dass wir bio-zertifiziert sind.

???: Lohnt sich das für die Obstbauern?
Flinspach: Im vergangenen Jahr gab’s von der Kelterei sieben Euro pro Doppelzentner, die Streuobstinitiative hat 16 Euro bezahlt. Der doppelte Marktpreis und der Biozuschlag funktionieren als Anreiz sehr gut. Die Streuobstinitiative ist als Bio-Betrieb zertifiziert, die Obstbauern übertragen uns die Nutzungsrechte an ihren Bäumen und wir beauftragen sie mit der Pflege. Diese Pflege wiederum wird über den Obstertrag honoriert. Um den nicht gerade geringen bürokratischen Aufwand kümmert sich der Verein.

Mehr als 5.000 Arten in der Streuobstwiese

???: Was wünschen Sie der Initiative für die Zukunft?
Flinspach: Ich wünsche mir, dass der Anteil der Eigentümer, die ihre Obstwiesen nachhaltig pflegen, wächst. Es gilt, den gesamten Lebensraum Streuobstwiese in den Blick zu nehmen. Mit mehr als 5.000 Arten ist die Streuobstwiese unsere artenreichste Kulturlandschaft, ein Highlight in Sachen Ökologie und biologischer Vielfalt quasi. Vor allem wir in Baden-Württemberg haben eine besondere Verantwortung, weil sich knapp 50 Prozent der Streuobstbestände Deutschlands hier befinden. Und in Deutschland sind es noch einmal rund die Hälfte aller Streuobstbestände europaweit.

Lokales
Was weißt du noch von 2024? Teste dein Wissen im Quiz mit zwölf Fragen über die Ereignisse des Jahres in der Pfalz – von den größten Highlights bis zu den kleinen, aber spannenden Überraschungen. | Foto: Erstellt von OpenAI’s DALL·E/Katharina Wirth

Weißt du noch, was 2024 alles passiert ist? Mach das Wochenblatt-Quiz!

Quiz.  Das Jahr 2024 hatte es in sich – auch in unserer Region. Große Ereignisse, kleine Kuriositäten und so manche Überraschung: Aber wie viel davon ist wirklich in deinem Gedächtnis hängen geblieben? Mit unserem Quiz kannst du dein Wissen testen – oder zumindest mit einem Augenzwinkern herausfinden, ob du das Jahr vielleicht komplett verschlafen hast. Von den spannendsten Faschingsumzügen über politische Schlagzeilen bis hin zu sportlichen Highlights: In 12 Fragen nehmen wir dich mit auf eine...

Ratgeber
Jahresrückblick 2024: Emotion pur bei den FCK-Fans, die das Pokalfinale in Berlin unvergesslich gemacht haben | Foto: Harald Brunn
5 Bilder

Jahresrückblick: So ereignisreich und turbulent war das Jahr 2024

Jahresrückblick. Wenn sich das laufende Jahr dem Ende nähert, dann blicken wir gerne zurück auf das, was war. Persönlich, politisch, regional, global: Was hat uns im Jahr 2024 Freude gemacht, bewegt, schockiert? Welche Fotos bleiben uns im Gedächtnis, welche Aktionen und Momente waren auch für die Menschen in der Region rund um die Pfalz, Mannheim und Karlsruhe in diesem Jahr prägend? Blicken Sie mit uns zurück auf die letzten Monate: Januar 2024: Rückblick Januar 2024: Bauernproteste, extremes...

Lokales
so kurios, lustig und bizarr war 2024  | Foto: Heike Schwitalla

Lachen, Staunen, Kopfschütteln: der kuriose Jahresrückblick auf 2024

Jahresrückblick 2024. Manchmal ist das Leben absurder, als es jede Satire sein könnte, lustiger als jede Komödie. Während große Schlagzeilen oft die ernsten Momente des Jahres einfangen, gibt es dazwischen immer wieder die kuriosen, witzigen und völlig unerwarteten, skurrilen und überdrehten Geschichten, die uns zum Lachen oder Staunen bringen. Ob rebellische Tiere, skurrile Zwischenfälle oder geniale Missgeschicke – 2024 hatte alles zu bieten. In diesem Rückblick werfen wir einen humorvollen...

Hans-Martin Flinspach beim Baumschnitt | Foto: privat
Der Nachfrage nach den Kursen der Streuobstinitiative ist groß. | Foto: privat
Autor:

Cornelia Bauer aus Speyer

Cornelia Bauer auf Facebook
Cornelia Bauer auf X (vormals Twitter)
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

79 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Ausgehen & GenießenAnzeige
Karlsruhe Aktivitäten: Auch im Advent bietet die MS Karlsruhe beliebte Ausflüge an. | Foto: Thomas Adorff
2 Bilder

Karlsruhe Aktivitäten: Erlebnisse mit dem Rheinschiff

Leinen los und mit der MS Karlsruhe Sehenswürdigkeiten entdecken. Aktivitäten und Erlebnisse locken auch im Herbst und Winter. Karlsruhe Aktivitäten. Die Tage werden am Ende des Sommers immer kürzer, die Temperaturen draußen kühler. Die reizvolle Stimmung an Bord der MS Karlsruhe bleibt einzigartig. Oben auf dem Deck den zunehmend frischeren Fahrtwind zu spüren und in der Dunkelheit das Spiel der Lichter in den vorbeigleitenden Dörfer und Städte auf der badischen, pfälzischen oder elsässischen...

Wirtschaft & HandelAnzeige
Digitale PR Karlsruhe: Bruno Williams berät seine Kunden rund um Online-PR, Social Media Ads und Display Ads im Content-Umfeld der Wochenzeitung WOCHENBLATT mit wochenblatt-reporter.de und der Tageszeitung DIE RHEINPFALZ mit rheinpfalz.de.  | Foto: Bruno Williams

Digitale PR Karlsruhe: Mit Mediawerk Südwest in die Zeitung

Karlsruhe: Digitale PR über Gaststätten und Geschäfte wird in der Google-Suche schnell gefunden und erscheint im Umfeld der Zeitung.  Ansprechpartner für erfolgreiche digitale Media-Lösungen in Karlsruhe ist Digital Sales Manager Bruno Williams. Er berät seine Kunden rund um Online-PR, Social Media Ads und Display Ads im Content-Umfeld der Wochenzeitung WOCHENBLATT mit ihrem Online-Portal wochenblatt-reporter.de und der Tageszeitung DIE RHEINPFALZ mit ihrem Online-Portal rheinpfalz.de.  Events...

Online-Prospekte aus Bruchsal und Umgebung



add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.