Ein mutiges Projekt kommt ins Rollen - Vorstellung mit Oldtimer-Tour von Bruchsal nach Flehingen
Mühlwerk Sinneswandel - eine Mühle will die Sinne wandeln
Bruchsal/Flehingen: „Mühlwerk Sinneswandel – dieser Name ist Programm und sagt sofort, worum es geht: um die alte Mühle in Flehingen und den Sinneswandel gegenüber Menschen mit Behinderungen“ Zitat von Bruchsals Bürgermeister Andreas Glaser. Genau wie viele Besucher und Oldtimerfreunde war er vergangenen Samstag den 9.6.18 zum Bruchsaler Schloss gekommen. Hier war Treffpunkt der Aktion „Die alte Mühle kommt ins Rollen“ von über 20 Fahrzeugen aus 63 Jahren Oldtimer-Geschichte. Menschen mit Behinderung fuhren als Beifahrer in „alten Mühlen“ nach Flehingen zur „alten Mühle“ - Inklusion leben, die „Sinne wandeln“. Initiiert wurde die Veranstaltung vom jungen Verein Mühlwerk Sinneswandel und der gleichnamigen Trägergesellschaft Mühlwerk Sinneswandel UG.
Der Verein bildete sich aus einer Elterninitiative heraus. Manuela und Felix Rominskis Tochter (13) zeigte mit 2 Jahren Rett Syndrom-typische Symptome: bereits erlernte Sprache ging verloren, autistische Züge und Hand-Stereotypien traten auf. Durch viel Förderung macht sie inzwischen in ihrem ganz eigenen Tempo ihre Fortschritte. Claudia Barresi und Familie Rominski kennen sich seit zehn Jahren aus eigener Betroffenheit. „Gemeinsame pädagogische Förderung ist uns schon immer wichtig gewesen“, sagt Barresi. Der gemeinsame Umgang von Menschen mit und ohne Behinderung ist erstrebens- und wünschenswert. In der Schule funktioniert Inklusion bereits.
Wie auch andere Eltern von Kindern mit Behinderung wie Claudia Hackenjos, beschäftigt sie alle die Frage der beruflichen Perspektiven. Beim Einstieg ins Berufsleben wird stark nach dem Grad der Behinderung geschaut. Die Auswahl an sinnvollen Beschäftigungen ist für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf begrenzt. Tätigkeiten, die Umgang mit Menschen ohne Behinderung ermöglichen, sind selten. Hier gibt es eine „Angebotslücke“ sagt Felix Rominski. Mit der Gründung des Vereins „Mühlwerk Sinneswandel“ soll beispielhaft eine Alternative angeboten werden. Das innovative Modellprojekt ist die „Alte Mühle Flehingen“, die in ein von Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf geführtes Freizeitobjekt verwandelt wird. Es soll bis zum Jahr 2020 ein Café entstehen mit (im weiteren zeitlichen Verlauf) einer eigene Backstube. Später soll es erweitert werden um ein Erfahrungsfeld der sinnlichen Wahrnehmung. Verschiedene Stationen, (einige Beispiele konnten vor Ort bereits ausprobiert werden: Hören, Fühlen, Sehen) verwandeln das denkmalgeschützte Gebäude in ein Mitmach-Museum. Wie Bürgermeister Glaser es ausdrückt: „wie in der Biologie entsteht hier eine hervorragende Symbiose, wo einer mit dem anderen lebt zum gegenseitigen Nutzen“.
Der Eigentümer der Liegenschaft der Flehinger Sägemühle ist das Sozialwerk Bethesda, das dort in Form einer Baugenossenschaft einen Senioren-Wohnpark errichtet. Mit der „Mühlwerk Sinneswandel UG“ mit den geschäftsführenden Gesellschafterinnen Manuela Rominski und Claudia Hackenjos ist die Bewirtschaftung gemeinnützig möglich und das Wohnumfeld der Senioren sowie der Freizeitwert der Region wird aufgewertet.
Die Öffentlichkeitsarbeit und Entwicklung sowie Unterstützung des Projekts hat sich der gleichnamige Förderverein und dessen Vorstand Sarah Barresi und Felix Rominski zur Aufgabe gemacht.
Mit der Oldtimer-Tour vom Bruchsaler Schloß nach Flehingen ist ein weiterer Schritt ins Rollen gebracht: die Gewinnung von Mitgliedern und Förderern dieses beispielhaften Projektes. So sagt zum Beispiel Tatjana Grath, Ortsvorsteherin in Helmsheim, die mit ihrem Renault Dauphine von 1959 dabei ist „ich hoffe, dass man durch solche Aktionen die Hemmschwelle überwindet“. Aufeinander zugehen ohne Berührungsängste sei der Anfang. Peter Mayer, Vorstandsvorsitzender des Sozialwerk Bethesda sieht keine Zweifel, dass demnächst in der Mitgliederversammlung der letzte förmliche Schritt geschafft wird. Er habe „die Fantasie sich vorzustellen, was aus diesem Bauwerk in Kombination mit dem Senioren-Wohnpark entsteht, auch wenn es ein Kraftakt werden kann, das sei allen bewusst“. Dieses Projekt besticht durch Umsicht, Kreativität und Schwung, der hoffentlich andere mitreißt, genau wie die muskalische Unterhaltung in Bruchsal am Schloß von „JUMIFA akustika“ Michele Zappone, geboren in Bretten, mit seiner Gitarre.
Alexandra Nachtigal
Autor:Alexandra Nachtigal aus Philippsburg |
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