St. Raphael feiert 50-jähriges Bestehen
Vom Kinderheim zum Kinderhaus
Bruchsal. Seit 50 Jahren gibt es das Kinderhaus St. Raphael. Vieles hat sich gewandelt in der Zwischenzeit, manches ist geblieben. Lange gab es drei Kernbereiche unter dem Dach des seit 1969 vom Vinzentiusverein geführten Hauses: den Heimbereich, die Kindertagesstätte und den Schülerhort. Letzteren gibt es seit diesem Jahr nicht mehr. Der Ganztagesbetrieb an den Schulen hat ihn überflüssig gemacht. Eine einschneidende Veränderung, die aber auch zeigt, dass St. Raphael Vorreiter war in Sachen Kinderbetreuung in Bruchsal: Kinder von 2 bis 12 wurden hier im Zeitraum von 6.30 bis 17 Uhr betreut. Was heute für eine Kindertagesstätte ganz normal ist, richtete sich zu Anfang vor allem an Alleinerziehende und war angepasst an die Arbeitszeiten bei Siemens.
Neue Familienmodelle und der gesellschaftliche Wandel haben dafür gesorgt, dass sich die Zielgruppe schleichend verändert hat. Aus dem "Kinderheim" St. Raphael ist das Kinderhaus St. Raphael geworden. Heute unterscheidet sich das Kita-Klientel nicht mehr von dem anderer Kindertagesstätten. Die Kinder kommen aus der gesamten Stadt. Die Schließung des Schülerhorts hat eine Ausweitung der Kita möglich gemacht. 132 Plätze gibt es jetzt in der Durlacher Straße. Nach wie vor werden Kinder ab Zwei aufgenommen, allerdings sind die Plätze für die ganz Kleinen begrenzt.
Der Heimbereich ist von der Kita völlig getrennt und bietet 24 Plätze in drei Wohngruppen - zwei für Jungs, eine für Mädchen. Thomas Fleischmann, seit 1995 Leiter von St. Raphael, war in den 80er Jahren hier Zivi und erinnert sich an eine enge Dienstgemeinschaft - enger als heute. Die langjährige Leiterin, Rita Reineck, lebte im Haus, aber auch weiteres Personal hatte sein Lebenszentrum im Kinderhaus. "Das ist heute nicht mehr zeitgemäß", sagt Fleischmann.
1969 hatte der Vinzentiusverein das Haus vom Orden der Vinzentinerinnen übernommen und einen Neustart gemacht: Das Haus wurde anschließend weit weniger autoritär geführt. Eine hohe personelle Kontinuität fällt auf: In 50 Jahren hatte St. Raphael nur zwei Leiter - und auch an der Spitze des Trägervereins gab es nur Bernhard Oberle und seit 2001 Bernd Gärtner. "Der Vinzentiusverein hat der Leitung stets viel Vertrauen entgegengebracht", sagt Fleischmann. Und freut sich, dass der Vinzentiusverein es geschafft hat, dass St. Raphael autonom bleiben konnte. Der Trägerverein verfügt über keinerlei Eigenmittel - um so wichtiger ist es, dass eine konstante Vollbelegung des Heimbereichs für einen wirtschaftlichen Betrieb sorgt.
"Hauptbeleger" des Heimbereichs ist das Landratsamt Karlsruhe. Im Regelfall bleiben die Kinder zwei Jahre, aber es gibt auch Kinder, die zehn Jahre in ihrer Wohngruppe bleiben. "Wir entlassen kein Kind, wenn es keine Perspektive hat", sagt Fleischmann. Aber auch: "Wir versuchen, die Kinder so kurz wie möglich hier zu behalten." Nur brächte die Arbeit unter einem Jahr selten Fortschritte. Die Pädagogik hat sich sehr verändert: Früher gab es alle vier Wochen einen Besuchstag für die Familien, inzwischen werden die Kinder wenn möglich alle 14 Tage nach Hause geschickt und es gibt regelmäßig Gespräche mit den Eltern.
Heute sei man im Heim öfter mit rechtlichen Themen konfrontiert: Sorgerechtsstreitigkeiten, Umgangsfragen, richterliche Anordnungen. Und auch die Ämter seien vorsichtiger geworden und würden Kinder früher aus der Familie nehmen, so dass auch "Inobhutnahmen" öfter vorkämen als früher. Durchaus kritisch sieht Fleischmann die Tatsache, dass heute viel mehr medikamentös gesteuert werde als früher. "Früher waren das die Ausnahmen", sagt er. Heute sei es die Regel.
Auch die Stadt steht hinter dem Kinderhaus und hat in den Jahren 2015 bis 2017 von Grund auf saniert. Das war nicht selbstverständlich - auch ein Abriss war damals im Gespräch. Die Hortschließung hat jetzt allerdings noch einmal Nacharbeiten notwendig gemacht.
St. Raphael feiert die 50 Jahre mit einem Dankgottesdienst in der Kirche St. Paul am Sonntag, 13. Oktober, um 10.30 Uhr, mit einem Festakt für geladene Gäste am Freitag, 18. Oktober, und einem Mitarbeiterfest am Samstag, 19. Oktober. Am Freitag, 18. Oktober, findet zudem ein Fachvortrag zum Thema "Wie kann in Kitas mit herausforderndem Verhalten professionell umgegangen werden?" statt. Referentin ist Gabriele Haug-Schnabel. Die Veranstaltung beginnt um 17.30 Uhr; eine Voranmeldung ist erforderlich.
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