Es wird immer Kritik geben
Die Flüchtlingslage ist in jeder Hinsicht dramatisch
Frankenthal. Die Stadtverwaltung Frankenthal hatte vergangenen Donnerstag, 23. Februar 2023, zur Bürgerinformation rund um die Flüchtlingssituation geladen. Anlass waren Überlegungen der Stadt, Sporthallen zu Flüchtlingsunterkünften umzubauen. Konkret ging es um die Sporthalle an der Andreas-Albert-Schule, BBS, welche anfänglich dafür vorgesehen war. Ein großer Bürgerprotest ging der Sache voran. Nun hat die Stadt zur Bürgerinformation geladen. Über 200 Menschen folgten der Einladung ins Congressforum, rund 150 nahmen online teil. Zum Start verkündete Oberbürgermeister Martin Hebich sachlich die Zahlen und Fakten. Er wies darauf hin, dass die Lage sehr dynamisch sei.
Aufgrund der aktuellen Situation sind Kommunen angehalten, weitere Unterkünfte für Flüchtlinge zu schaffen. Vonseiten des Landes Rheinland-Pfalz ist die Entscheidung getroffen worden, anhand eines Einwohner- und Steuerkraftschlüssels Flüchtlinge auf die Kommunen zu verteilen. Für Frankenthal heißt dies konkret: im ersten Quartal 2023 vier Personen pro Woche, ab dem zweiten Quartal sechs Personen pro Woche. Man rechnet mit bis zu 850 Flüchtlingen bis Ende des Jahres. Man habe weitere Standorte geprüft und entschieden, vorerst einen anderen Weg zu gehen, den die Stadt an diesem Abend der Bevölkerung vorstellen wolle. Die Kritik der Bevölkerung wurde wahrgenommen, man versuche Ideen und Vorschläge mit aufzunehmen.
Stufenweiser Aufbau der Unterbringung
Geplant ist nun ein stufenweises Konzept, bestehend aus der Anmietung neuer Wohnungen, dem Bau neuer Container und – situativ – der Nutzung von Sporthallen. Erst einer kleinen, dann einer mittleren und später, wenn die Flüchtlingszahl hoch ist, einer großen Halle.
Konkret sieht der Plan zunächst Container und eine kleine Sporthalle, die Eichwiesenhalle, vor. Im Spätsommer sind der Einsatz der Isenachhalle und ein Container-Dorf auf dem Parkplatz P2 nahe der BBS vorgesehen. Gegen Ende des Jahres wäre dann die Nutzung der Sporthalle der Andreas-Albert-Schule notwendig. Hebich machte wiederholt deutlich, dass es eine Amtspflicht sei, Flüchtlinge aufzunehmen. „Wir werden sie nicht vor dem Rathaus stehen lassen, das ist menschenunwürdig“.
Überwiegend junge Männer
Im Anschluss informierte Beigeordneter Bernd Leidig über die aktuellen Zahlen in Frankenthal. Zurzeit sind 126 Männer, 32 alleinstehende Frauen und 98 Familien mit Kindern in Frankenthal. Diese Menschen kämen aus Syrien, Afghanistan, Ukraine, Somalia, Iran, Türkei, Pakistan, Aserbaidschan, Irak und Albanien. In den kommenden Monaten werden größtenteils junge Männer erwartet.
Die Stadt plane an erster Stelle die Anmietung von Wohnraum. Allerdings ist dieser bekanntermaßen knapp. Kleinere Objekte stehen allerdings zum Kauf, hier wäre Platz für rund 50 Personen.
Bürgermeister Bernd Knöppel erläuterte die unterschiedlichen Objekte und die Planungen. In der Stadt ist nicht mehr genügend dezentraler Wohnraum für Flüchtlinge vorhanden. Mit Containern könnten auf den diversen Park-, Fest- und Kerweplätzen in der Stadt und in den Vororten Ayslsuchende untergebracht werden, damit also dezentral. Für den Parkplatz P2 in der Albertstraße ist eine Fertigstellung eines Containerdorfs bis Ende 2023 vorgesehen. Die Ausschreibungen hierzu laufen, man warte noch auf die sicherheitstechnische Bewertung durch die Polizei. Es müssen aber weitere Standorte gefunden werden, damit die Flüchtlinge untergebracht werden können. Auch in der Siemensstraße soll angebaut werden, so dass dort perspektivisch bis zu 100 Personen leben können.
Kurzfristig nur mit Sporthallen möglich
Nichtsdestotrotz: Um kurzfristig Geflüchtete unterzubringen, müsse man auf eine bestehende Infrastruktur zurückgreifen. Dabei sei die Entscheidung, auf Sporthallen zurückzugreifen, nicht leichtfertig getroffen worden. In seiner Präsentation erläuterte Bernd Knöppel, wieso die drei genannten Hallen und nicht die anderen. Andere Hallen würden nicht in das Konzept passen, da sie entweder nur über den Schulhof erreichbar sind oder aus anderen Gründen für die Nutzung zur Unterbringen von asylsuchenden Menschen nicht geeignet sind. Die Nutzung der drei genannten Hallen verschaffe der Stadt die benötigte Zeit, um den Bau von neuem Wohnraum voranzutreiben.
Wir können das Buch zu machen!
An diesem Informationsabend konnten sich auch die Anwesenden zu Wort melden. Ein Mitglied des SV Studernheim beklagte sich über die schlechte Kommunikation: man habe von der Wahl der Eichwiesenhalle über die Zeitung erfahren. Ob SV Studernheim oder KG Royal, die Halle in Studernheim würde rege genutzt. „Wenn die Flüchtlinge kommen, dann kann der SV Studernheim das Buch zu machen“. Als Kritikpunkt wurde angebracht, dass Kinder zu mehr Bewegung angespornt werden sollen, mit der Zweckentfremdung der Halle gehe dies zu Lasten der Kinder. Dies beträfe auch die Isenachhalle in Flomersheim.
Oberbürgermeister Hebich reagierte mit dem Hinweis, dass dem Stadtvorstand bewusst war, dass es nicht auf Zustimmung treffen wird, wenn sie diese Hallen nutzen. Doch müsse jeder Stadtteil, jedes Quartier und jeder Vorort seinen Beitrag leisten, damit die Belastung gleichmäßig verteilt ist.
Sensibles Thema: Subjektives Sicherheitsbedürfnis
Immer wieder wurde es emotional und hitzig an diesem Abend. So meldete sich ein Zuhörer, der grundsätzlich nichts gegen Flüchtlinge habe, man sei bereit, diesen Menschen zu helfen. Die Stadtspitze habe aber auch Verantwortung ihren Bürgern gegenüber, so die Aussage des Redners.
Achim Schäfer von der Polizei Frankenthal informierte, dass das subjektive Sicherheitsgefühl nicht überall gut sei. Das wisse man. Aber dies sei rein subjektiv, denn in Frankenthal zeigt die Kriminalitätslage keine Auffälligkeiten.
Alle Städte diskutieren diese Themen
Nicht nur Frankenthal führt diese Diskussion, wie ein Mitglied aus dem Städtetag Rheinland-Pfalz erläutert . Sie teilte mit, dass die Stadt keine Möglichkeit hat, sich der Anweisung des Landes zu verweigern. Man sehe zwar die Problematik, man müsse aber - gerade bei der Nutzung der Sporthallen – daran denken, dass die Beschaffung von Containern bis zu 12 Monate dauern könne und man bereits jetzt Menschen aufnehmen muss. Aktuell sind die kurzfristigen Unterbringungsmöglichkeiten vorrangig, die Hallen seien als Abfederung zu sehen.
Asylsuchende seien gut integriert
Andrea Graber-Jauch aus dem Bereich Migration und Integration der Stadt Frankenthal informierte im Anschluss über die Asylbewerber der letzten Jahre. Hier handelte es sich um Menschen, die sich integrieren wollten. 60 Prozent hätten bereits Arbeit, besuchten Sprachkurse und würden von den sieben Sozialarbeitern strukturell integriert. Man sei sich sicher, dass auch die kommenden Flüchtlinge integriert werden können.
Viel Gegenliebe fand diese Aussage nicht, so wurde mit Kriminalitätsstatistiken das Gegenteil behauptet. Auch fürchten viele Frauen um ihre Sicherheit. Immer wieder wurden die Kommunikation und das Vorgehen der Stadt Frankenthal in den vergangenen Jahren kritisiert. Auch sei die Stadt in der Verantwortung, sich um ihre Bürger zu kümmern und nicht nur um die Flüchtlinge. Viele individuelle Bedürfnisse kamen zur Sprache, zeigten die Nöte und Ängste der Bevölkerung.
Doch auch die Flüchtlinge haben Nöte und Ängste, entgegneten an diesem Abend ehrenamtliche Flüchtlingshelfer. In ihrer Arbeit haben sie gesehen, dass die Flüchtlinge integriert werden wollen, dass viele Menschen sie aber vorverurteilen würden. Die Ehrenamtlichen forderten indes die Anwesenden auf, sich zu beteiligen und mit Zeit und ehrenamtlichen Engagement dafür zu sorgen, dass die neuen Flüchtlinge integriert werden.
Eine verfahrene Situation
Nach rund zweieinhalb Stunden war klar: die Situation ist kompliziert. Für die vorgebrachten Vorschläge der Stadt haben viele Verständnis, aber es gab auch viel Protest und Kritik.
Keine Seite ist mit der aktuellen Situation so zufrieden. Doch die grundlegende Thematik, die hohe Anzahl von Geflüchteten ist kein städtisches Problem, es ist ein bundesweites, europaweites. gib
Autor:Gisela Böhmer aus Frankenthal |
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