Selbstversorgung zukünftig Lebensgrundlage?
Ein Stück Freiheit am Rosengarten
Frankenthal. Wer am Wochenende durch die Kleingartenanlage, am Rosengarten 1, in Frankenthal geht, dem steigt unweigerlich der verführerische Geruch von Gegrilltem in die Nase. Seit das Virus das gesellschaftliche Leben nahezu stillgelegt hat, hat der Garten für viele eine noch höhere Bedeutung gewonnen. Entsprechend groß ist der Wunsch, in den Besitz einer dieser grünen Oasen zu kommen.
Olga Kusnezov ist eine der glücklichen, die ihre Freizeit im Kleingarten verbringen kann. Ihre Eltern haben den Garten seit zwölf Jahren. Seit sie selbst Kinder hat ist die junge Familie regelmäßig zu Gast. Überall grünt und wächst es, Da gibt es Aprikosen, Pfirsich- und Kirschbäume, die Tomatenstöcke hängen voll, ein Treibhaus zur Anzucht junger Pflanzen ist vorhanden und dahinter planschen Elias und Milan in einem kleinen Swimming Pool. „Frage ich die Kinder, ob sie auf den Spielplatz wollen oder in den Garten, fällt die Entscheidung immer für den Garten“, lacht die 28-jährige. Der sechsjährige Elias hat hier seine Freunde, in der Anlage kennt man sich. Heute sitzt sie mit ihrem Mann, Sandro Kusnezov und dem Nachbarn, Viktor Rapp, auf der überdachten Veranda des gemütlichen Häuschens und wartet, bis die gegrillten Hähnchenstücke gar sind.
Manfred Huchatz ist Vorsitzender der Größten der Anlagen Frankenthals, „sie dürfte mit knapp 500 Gärten sogar zu den größten von Rheinland-Pfalz zählen“, meint er. Eine Warteliste für die Grundstücke gab es schon vor Corona, aber seit zwei Jahren sind etwa achtzig Familien als Anwärter gemeldet. Das bedeute eine Wartezeit von zwei bis drei Jahren. „Unser Verein nimmt jetzt auch keine Bewerbungen mehr auf“, meint er.
Familie Kusnezov empfindet es als ein Stück Freiheit, im Garten zu sein. Wenn die Kinder in der Wohnung zu Hause laut sind, dann schauen die Nachbarn, hier störe das keinen, berichtet die junge Mutter.
Aber Dauerparty und zu viel Lärm wird auch in den Gärten nicht unbegrenzt geduldet. Sie kennt sogar ein Beispiel dazu. Die Enkel eines verstorbenen Paares in der Anlage hatten es übertrieben. „Nach zu häufigen und lauten Partys wurde ihnen gekündigt“, erzählt die Frankenthalerin.
Die Nachfrage junger Familien sei immens, berichtet Huchatz. Er befürchtet, dass durch den Anstieg der Lebensmittelpreise das Prinzip Selbstversorgung einen noch höheren Stellenwert erlangt. Das war schon zur Gründerzeit, im Jahr 1924, der eigentliche Grundgedanke der Kleingärten. Durch die Inflation hatten die Menschen damals ihr Vermögen verloren. Einen Kleingarten zu besitzen bedeutete daher, eine Lebensgrundlage zu haben.
Das Thema biologischer Anbau werde bei den Kleingärtnern nicht direkt zur Sprache gebracht. „Ich selbst verwende keine Spritzmittel, entweder die angebauten Früchte und Pflanzen werden etwas oder halt nicht“, meint er pragmatisch. So sehen das auch die meisten anderen der Gärtner, weiß er.
Die junge Familie wird ihren Urlaub diesen Sommer in dem kleinen Paradies verbringen und sicher kommen auch die Nachbarn, wie heute Viktor Rapp, der den übernächsten Garten bewirtschaftet, regelmäßig zu Besuch vorbei.
Die Zeit, in der in seinem Garten noch kleine Kinder tobten, ist bei Ibrahim Baskaya vorbei. „Die Kinder sind groß, sie kommen nicht mehr so oft“, erzählt er lächelnd. Auch er schätzt den Garten als ein Stück Freiheit. „Man kann nicht immer in der Wohnung sitzen. Und hier gibt es immer etwas zu tun“, meint er und schaut sich um. Auch in seinem Garten sind neben Blumen, Tomaten, Gemüse und Paprika angebaut. Ein großer Bogen ist gespannt, an dem reichlich Brombeeren ranken. Fahren die Baskayas in Urlaub helfen die Nachbarn untereinander beim Gießen aus. Auch das schätzt der 63-jährige.
Viele der Gärten haben wenig Rasenfläche aber dafür sehr große Flächen mit Bepflanzung.
„Das Kleingartengesetz schreibt etwa zwei Drittel Nutzgarten vor, ein Drittel kann für Freizeit genutzt werden“, weiß der Vorsitzende. Zu diesem Drittel gehöre auch das Gartenhäuschen, ergänzt er. Im Gegensatz zu manch anderen Kleingartenanlagen in der Umgebung verfügen die Grundstücke im Rosengarten zudem über Wasser und Strom. Ein kleines rundes Schwimmbecken, wie das von Familie Kusnezov, in dem sich Milan und Elias gerne abkühlen, ist ebenfalls erlaubt, solange es nicht im Boden eingelassen ist und das Wasser ohne Zusatz von Chemikalien bleibt. Auch das ist im Kleingartengesetz festgelegt.
Jedenfalls ist es eine herrlich grüne Oase im Gegensatz zu den monotonen Schottergärten vieler Neubaugebiete.
Claudia Matheis
Autor:Stadtmagazin Frankenthaler aus Frankenthal |
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