1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland
Seit 250 Jahren Juden in Frankenthal

Einst das größte Kaufhaus der Stadt - Schweitzer und Wertheimer. | Foto: Stadtarchiv Frankenthal
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  • Einst das größte Kaufhaus der Stadt - Schweitzer und Wertheimer.
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Frankenthal. Am 11. Dezember 321 erlässt der römische Kaiser Konstantin ein Edikt, dass jüdische Menschen städtische Ämter in der Kurie, der Stadtverwaltung Kölns, wahrnehmen dürfen und sollen. Dieses Edikt belegt, dass jüdische Gemeinden bereits um 300 wichtiger Bestandteil der deutschen und europäischen Kultur sind. Jüdische Gemeinden, andere Religionsgemeinschaften, gemeinnützige Organisationen, Vereine und Initiativen erinnern bundesweit in diesem Jahr mit Vorträgen, Führungen, Ausstellungen, Konzerten und anderen Veranstaltungen an das vielfältige Leben und Leiden der jüdischen Menschen in den vergangenen 1700 Jahren. So auch der Förderverein für jüdisches Gedenken Frankenthal.
In Frankenthal lebten Mitte des 18. Jahrhunderts die ersten Juden. Die jüdische Gemeinde wird 1785 offiziell in einem Brief an die Stadtverwaltung erwähnt. 1791 war die erste Frankenthaler Synagoge fertiggestellt. 1826 wurde der jüdische Friedhof eröffnet. Aus diesem Jahr erinnert der älteste Grabstein noch heute an Sarah Heymann.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten in Frankenthal 371 Juden unter 16.899 Einwohnern. Das entspricht rund zwei Prozent der Frankenthaler. Viele von ihnen waren hoch angesehene Bürger: Rechtsanwälte, Ärzte, Richter, Lehrer, Bankiers, Geschäftsinhaber, die in das wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Leben der Stadt integriert waren, es in vielen Bereichen maßgeblich prägten und sich in zahlreichen Vereinen und Organisationen engagierten. Aufgrund der Benachteiligung und Ausgrenzung im Nationalsozialismus zogen viele in größere Städte, flüchteten in andere Länder oder verloren ihr Leben. Seit Anfang der 1990er Jahre leben wieder vermehrt Menschen jüdischen Glaubens in der Region. Sie gehören zur Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz mit Sitz in Speyer.

Führung zu den Stolpersteinen

Zum Europäischen Tag der jüdischen Kultur am Sonntag, 5. September, plant der Förderverein für jüdisches Gedenken Frankenthal gemeinsam mit der Volkshochschule drei kostenlose Führungen. Um 11 Uhr trifft sich Rüdiger Stein mit Interessierten vor der Zwölf-Apostel-Kirche in der Carl-Theodor-Straße, um sie zu den Stolpersteinen zu führen. 87 dieser Steine wurden in Frankenthal verlegt. Sie erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus.
Der Kölner Künstler Gunter Demnig (www.stolpersteine.com) hat im Jahr 2000 die Aktion Stolpersteine gestartet. Vor Häusern, in denen Opfer der NS-Verfolgung gelebt haben, setzt er kleine Betonquader in den Gehweg. Der Begriff Stolperstein ist im übertragenen Sinne gemeint: Menschen sollen aufmerksam gemacht werden. Ein kurzer Text, der meistens mit den Worten „Hier wohnte ...“ beginnt, ist in eine ebenerdig aufgebrachte, zehn mal zehn Zentimeter kleine Messingplatte eingeschlagen. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, sagt Gunter Demnig: „Mit den Steinen vor den Häusern wird die Erinnerung an die Menschen lebendig, die einst hier wohnten.“ In Frankenthal wurden die Stolpersteine seit 2005 zur Erinnerung an jüdische Frauen, Männer und Kinder verlegt. Am Donnerstag, 9. September, verlegt Initiator Gunter Demnig ab 10.30 Uhr weitere Stolpersteine in der Frankenthaler Innenstadt.

Führung über die beidenjüdischen Friedhöfe

Am Sonntag, 5. September, um 15 Uhr startet Werner Schäfer eine Führung über die beiden jüdischen Friedhöfe. Treffpunkt ist die Trauerhalle des Hauptfriedhofs in der Wormser Straße. Bei Dauerregen findet anstelle der Führung ein Fotovortrag in der Trauerhalle statt. 1806 hatte die Stadt Frankenthal ein Gelände erworben, das 1821 zum städtischen Friedhof wurde. An seiner Ostseite kaufte die Jüdische Gemeinde 1820 ein Feld für ihren eigenen Friedhof. Der älteste Grabstein von 1826 erinnert an Sarah Heymann. Ab 1940 wurden auf einem Teil dieses Friedhofs Zwangsarbeiter beerdigt. 1915 wurde ein weiterer Jüdischer Friedhof eröffnet. Hier werden die seit 1997 in Frankenthal verstorbenen Juden beigesetzt.

Auf den Spuren des jüdischen Lebens

Um 17 Uhr schließlich führt dann Herbert Baum auf den Spuren des jüdischen Lebens durch die Frankenthaler Innenstadt. Die Führung beginnt am Gedenkstein für die 1953 abgerissene Synagoge in der Glockengasse, Treffpunkt ist am Spielplatz. Zahlreiche Fotos dokumentieren die Geschichte der jüdischen Gemeinde. Doch nur wenige Häuser sind erhalten geblieben. Ein Schild in der Schlossergasse erinnert an den Eckbach. Hier befand sich die Mikwe, das jüdische Ritualbad. An der Ecke Bahnhofstraße und Marktplatz stand das größte Kaufhaus der Stadt, Schweitzer und Wertheimer. Der Förderverein für jüdisches Gedenken, der den Rundgang in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Frankenthal organisiert, arbeitet mit einem Nachfahren der Familie Schweitzer deren komplexe Geschichte auf. Zahlreiche „Stolpersteine“ erinnern vor den letzten Wohnorten an das Schicksal der jüdischen Mitbürger. Ab 1933 wurden sie systematisch ausgegrenzt. Viele verließen ihre Heimat. Am 22. Oktober 1940 wurden die noch in Frankenthal wohnenden 39 jüdischen Männer, Frauen und Kinder in das Internierungslager Gurs in Frankreich deportiert, darunter auch der beliebte Lehrer Nathan Nathan. Er starb wenige Tage nach der Ankunft im Lager. Die Führung endet in der Wormser Straße vor dem ehemaligen Möbelhaus Abraham. Das Schicksal dieser Familie ist ausführlich dokumentiert. Die mörderische Politik der Nationalsozialisten zeigt sich hier ebenso wie der Widerstand der Betroffenen. Wenn sie überlebten, dann zumeist nur aus Zufall. Für Dienstag, 4. November, planen der Förderverein für jüdisches Gedenken und die Volkshochschule Frankenthal einen Vortrag mit Fotos. Ab 19 Uhr referiert Herbert Baum im VHS-Bildungszentrum in der Schlossergasse 10 über das jüdische Leben in Frankenthal. Der Eintritt zum Vortrag ist frei.

Gedenkveranstaltung zur„Reichskristallnacht“

Jedes Jahr am 9. November erinnert der Förderverein für jüdisches Gedenken an die sogenannte „Reichskristallnacht“ in Frankenthal. In 48 Stunden wurden in Deutschland mindestens 91 Juden ermordet, mehr als 1.400 Synagogen und Beträume verwüstet und etwa 7.500 Geschäfte geplündert.
In Frankenthal wurde am Morgen des 10. November 1938 das Innere der Synagoge in der Glockengasse in Brand gesteckt. Noch während die Feuerwehr die Flammen bekämpfte, zogen Frankenthaler Nationalsozialisten durch die Stadt und verwüsteten zahlreiche jüdische Geschäfte und Wohnungen. Ihnen folgte wenig später die Geheime Staatspolizei - Gestapo - und nahm 23 Frankenthaler Juden in „Schutzhaft“. Sie wurden tags drauf in das Konzentrationslager Dachau bei München deportiert.
Die Gedenkveranstaltung am Dienstag, 9. November, beginnt um 19 Uhr am Gedenkplatz Glockengasse. cob/ps

Weitere Informationen
www.juden-in-frankenthal.de

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Autor:

Stadtmagazin Frankenthaler aus Frankenthal

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