Geht’s auch ohne Plastik?
Selbstversuch beim Wochenblatt – eine Woche plastikfrei Teil 2
Plastikfrei. Immer wieder hört man, dass Plastik unsere Umwelt verseucht. Mikroplastikteile, die im Meer schwimmen, aber auch so viel Unrat, dass man ihn gut am Strand noch identifizieren kann. Plastikflaschen, Plastikverpackungen. Einerseits hat Plastik unser Leben vereinfacht, bietet mehr Frische und Flexibilität. Andererseits belastet es unser Öko-System – ein Teufelskreis? Bereits in der vergangenen Woche haben wir das Thema aufgegriffen. In dieser Woche berichten wir über unseren Selbstversuch. Natürlich sollen auch die Supermärkte und die Industrie die Möglichkeit haben, etwas zu diesem Thema zu sagen.
Sonntag war es soweit. Die erste Woche plastikfrei sollte beginnen. Sehr motiviert waren wir, ein dreiköpfiger Haushalt mit Haustieren. Wir hatten unser Einkaufsverhalten genau analysiert, festgelegt, was wir selbst machen können, wo wir was in der Region finden. Es gab aber auch Spielregeln: Was bringt es uns, wenn wir 30 Kilometer fahren müssen, um ein plastikfreies Produkt zu erhalten? Das passt nicht in unsere Zeit- und Ökobilanz. Das neu gewonnene Lebensgefühl plastikfrei muss in unseren Alltag passen.
Mittlerweile haben wir die Geschäfte in unserem Umfeld ausgemacht, die uns mit dem Thema Plastikfrei entgegenkommen, einen Metzger, bei dem man seine Edelstahldose mit Fleisch und Käse gefüllt bekommt, Baumwolleinkaufstaschen waren besorgt, um alles plastikfrei zu verpacken. Auch die Zahnbürste ist ab sofort aus Bambus, eine Seife und ein natürlicher Schwamm zum Waschen müssen reichen und dennoch für die notwendige Hygiene sorgen. Startklar und gleich ein Fehlstart: Eigentlich war uns gar nicht bewusst, wo überall sich Kunststoffe und Plastik verstecken. Es ist frustrierend: überall! Der flexible Gartenschlauch genauso aus Kunststoff wie die Tastatur des Computers, selbst ein Großteil der Kleidung beinhaltet Plastik. Auch die Einkäufe waren urplötzlich nicht mehr so leicht. So selbstverständlich das Plastik für uns geworden ist, so selbstverständlich gehen wir damit um. Der Einkauf auf dem Markt zum Beispiel. Wie selbstverständlich greift der Verkäufer zu einer luftigen Plastiktüte um die Paprika direkt einzupacken. Ich stoppe den Verkäufer und gab ihm eine von zu Hause mitgebrachte Baumwolltasche, wiederverwendbar und waschbar. Er lächelte, nahm sie geduldig entgegen. Alles da rein? Ja. Ein weiteres Lächeln. Als er dann die bereits in Plastiksäcken abgefüllten Kartoffeln in die Tasche packen wollte, verneinte ich dies. Ich möchte plastikfrei einkaufen und verstehe nicht, wieso alles in Plastik verpackt sei. Simpler Grund, es ist bereits auf ein oder zwei Kilo vorgewogen und verpackt, das spart Zeit beim Verkauf. Also wieder der Kunde, Ungeduld diesmal.
Aber auch unsere eigenen Fehler sorgen dafür, dass doch Plastik im Einkaufwagen landet. So muss der Einkauf schnell gehen, die extra gekauften Baumwolltaschen liegen natürlich zu Hause, so wird das Brot dann doch in Plastik eingepackt oder die Konservendosen. Apropos: Konservendosen sind auch nicht plastikfrei, welch eine Erfahrung!
Und auf einmal tut sich ein weiteres Thema auf: Wir verursachen zwar weniger Plastikmüll, aber dafür mehr Konservendosen, Gläser und Papiermüll. Hier heißt es zwar, wenn man es dem richtigen Recyclingsystem zukommen lässt, werden sie wieder dem System zugeführt, aber was kostet es das alles zu waschen? Wie ist hier die Ökobilanz? Ist es wirklich wirtschaftlich und nachhaltig dies aufzuarbeiten und wieder dem Kreislauf zuführen? Wenn dies so ist, wieso klappt das nicht bei Plastik? Und hier spielen wir Endverbraucher ebenfalls eine große Rolle. Da wird eine Plastiktüte für den Restmüll genutzt. Diese kann dem Recyclingsystem, wo sie hingehört, ja gar nicht zugeführt werden, sie landet meist in der Verbrennung.
Plastikfrei leben ist gar nicht so leicht. Einmal sind wir Endverbraucher sehr bequem, alles in einem Supermarkt zu kaufen, statt gezielt einzelne Produkte, optimal mit Fahrrad oder Bus und Bahn, in gewissen Geschäften zu kaufen. Andererseits ist das plastikfreie Leben auch teuer: Eine Bambuszahnbürste kostet mindestens das Dreifache gegenüber einer normalen Zahnbürste. Ob das dem Prinzip „Öko ist IN“ geschuldet ist oder tatsächlich den höheren Herstellungs- und Nachhaltigkeitskosten mag mal dahingestellt sein. Aber man muss es sich leisten können.
Die Woche plastikfrei war schwer für uns. Unser Sohn hat auf viele geliebte Spielsachen verzichten müssen, aufgrund von Zeitmangel war die Ernährung auch nicht so abwechslungsreich wie sonst, man hat einfach unter der Woche nicht die Zeit um Nudeln selbst herzustellen. Aber: Diese Woche war sehr aufschlussreich. Plastik ist Teil unseres Lebens. Wir kommen nicht drumherum. Aber unser Kaufverhalten sorgt auch dafür, wie Produkte verpackt werden. Ein übertriebenes Beispiel: Würde jeder von uns die plastikverpackte Paprika liegen lassen und sich beim Verkauf beschweren, würden diese sicherlich unser verändertes Kaufverhalten registrieren und ihren Beitrag zu einer plastikfreien Umverpackung bieten. Das wäre ein Anfang.
Lesen Sie in der kommenden Woche mehr zum Thema Plastik mit Informationen der Einzelhändler und der Industrie. gib
Autor:Gisela Böhmer aus Frankenthal |
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