Lichtverschmutzung ein großes Problem
Wer kennt die Milchstraße noch? Wo ist der Sternenhimmel?
Lichtverschmutzung. Licht ist essentiell für uns. Wir benötigen es im Alltag, um genügend zu sehen und um unseren alltäglichen Dingen nachzugehen. Alles spielt sich am Tage ab. Keine Frage, Licht ist auch für die Natur von immenser Wichtigkeit. Doch eben nur dann, wenn es die Natur vorsieht – also tagsüber. Nachts sollen Menschen, Tier und Umwelt zur Ruhe kommen, schlafen und da wird kein Licht benötigt. Gerade in Industrieländern wird Licht aber auch nachts künstlich erzeugt, einerseits zum Arbeiten, zum Beleuchten der Straßen und eben während der Fahrt mit dem Auto. Für unsere Sicherheit immens wichtig. Doch zu viel Licht in der Nacht schadet auch. Es ist wie immer im Leben: ein Kompromiss ist wichtig, denn „wenn Licht zur falschen Zeit eintrifft, dann schadet es allen Lebewesen“, sagt Manuel Philipp, Geschäftsführer Paten der Nacht gGmbH, eine gemeinnützige Organisation zur Eindämmung der Lichtverschmutzung.
Manuel Philipp setzt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Lichtverschmutzung auseinander, hat auch die Earth Night gegründet und hält deutschlandweit Vorträge rund um das Thema. Er möchte sensibilisieren, informieren und Mensch, Tier und Umwelt helfen, Lösungen aufzeigen.„Weltweit wird ganz viel Licht verschwendet“, berichtet er. Ein Drittel des Lichts, was wir verwenden, wird entweder durch falsche Aufstellung oder falsche Zeiten verschwendet. „Ob Schaufensterbeleuchtung, die nachts brennt, über Laternen die leuchten, obwohl dort niemand ist, bis hin zur Gartenbeleuchtung, die die ganze Nacht brennt“.
Zugvögel haben mit Großstädten ein Problem
Er kann an zahlreichen Beispielen erläutern, wie dieses künstliche Licht Einfluss auf Mensch, Tier und Umwelt hat. „Nachtaktive Insekten fühlen sich von den Laternen an der Straße angezogen. Nachtfalter, eines der bekanntesten nachtaktiven Insekten, bestäuben normalerweise auch nachts die Blüten. Doch durch die Straßenlaternen werden sie vom Licht angezogen und fliegen dort wie wild umher. Das macht sie müde, sogar kraftlos, man kann sagen: sie fliegen sich zu Tode“, erläutert er. Rund 500 Milliarden Insekten kommen so pro Jahr in Deutschland ums Leben. Wie die Insekten, leiden aber auch noch andere Lebewesen, beispielsweise Bäume. „Je näher ein Baum an einer Lichtquelle steht, umso länger trägt er im Herbst auch seine Blätter. Und kommt dann im Winter der erste Frost, dann gibt es an dem Baum Frostschäden, die ihn auf Dauer kaputt machen“, berichtet er weiter.
Aber nicht nur Insekten leiden unter dem Licht nachts, auch Zugvögel. „Vögel reagieren im Schwarm. Sie kreisen hoch über einer hell erleuchteten Stadt orientierungslos umher. Auch das kostet die Vögel Kraft, die sie eigentlich benötigen, um in den Süden zu fliegen. Und je ausgeprägter diese Lichtglocken der Stadt sind, verstärkt beispielsweise noch durch Nebel, umso mehr Tiere bleiben in ihnen hängen“.
Gerade in der Vorderpfalz, durch die zahlreichen Großstädte und die Industrie sind hier riesige Lichtglocken. Parkplätze, die nachts nicht genutzt werden, könnte man beispielsweise im Licht ausschalten, dimmen oder mit Bewegungssensoren ausstatten.
Frankenthal bis zu 50 Prozent mehr – Landau bis zu 200 Prozent mehr!
Was bisher nach „Gerede“ klingt, lässt sich in Zahlen belegen. „Aktuell kann man sagen, dass es jedes Jahr um 6 Prozent in Europa heller wird, weltweit sind es knapp 10 Prozent. Immer mehr Lichter werden nachts angelassen und machen die Nacht zum Tage“, informiert Manuel Philipp.
René Curwy, ebenfalls Mitglied bei Paten der Nacht, kann dies für unsere Region sogar mit Zahlen belegen: Für die Stadt Frankenthal sind im Vergleich zwischen den Jahren 2012 zu 2022 die Werte innerhalb der Stadt größtenteils konstant geblieben. Bis auf wenige (oder sehr viele) Zunahmen: Denn das Industriegebiet Im Römig hat 50 Prozent zugenommen, das Gebiet rund um Kaufland, Dehner Garten Center, McDonald's, Möbelhaus Ehrmann, Stadtwerke rund 30 Prozent und das Industriegebiet Nord/West 20 Prozent.
In Ludwigshafen Oggersheim – auf der grünen Wiese – hat die Lichtverschmutzung in diesem Zeitraum zwischen 80 und 130 Prozent zugenommen. Die Stadt Landau überragt dies sogar noch. In der Südstadt, Gewerbepark Am Messegelände, ist die Lichtverschmutzung in vielen Bereichen zwischen 70 und 200 Prozent gewachsen.
Zwar nicht in der Vorderpfalz, aber für Rheinland-Pfalz gibt es auch positive Beispiele, weiß René Curwy: „Es gab positive Auswirkungen von Energiesparmaßnahmen durch Einführung oder Ausweitung der Nachtabschaltung der Straßenbeleuchtung zum Beispiel in Kastellaun von bis zu -100 Prozent, in den Werten sichtbar ab November 2022. Ettringen, hat rund 90 Prozent weniger Lichtemissionen und Budenheim hat zwischen 30 und 80 Prozent eingespart, seit Januar 2023“.
Alle Lebewesen brauchen Ruhephasen
Zugvögel, Tiere, Insekten als auch der Baum – sie alle brauchen Ruhephasen. Das gilt auch für den Mensch! Die Nacht ist dafür vorgesehen, sich vom anstrengenden Tag zu erholen, zur Ruhe zu kommen und den Körper zu regenerieren. Mit der Lichtverschmutzung nehmen wir allen Lebewesen genau diese Möglichkeit. Für den Mensch hat dies ebenfalls negative Auswirkungen, auch wenn man sich mit Melatonin zum Einschlafen oder Schlafmasken eine Brücke baut. Das ist ja nicht die Lösung!
Und wer sich von Zahlen nicht beeindrucken lässt, der kann den eigenen Test machen: Einfach mal in einer klaren Nacht vor die Tür gehen und schauen, wie viele Sterne sehe ich? Wer mehr ländlich wohnt, wird noch viele Sterne sehen, in der Großstadt kaum welche. „Eigentlich können wir hier in unserer Region sogar die Milchstraße erkennen, so denn es dunkel ist“.
Licht aus – für Unternehmer
Manuel Philipp berät nicht nur Privatpersonen, was man selbst tun kann, um die Verschmutzung zu reduzieren. Er setzt sich auch mit Industrie und Kommunen an den Tisch und gibt Ratschläge und Ideen weiter. „Eine Richtschnur für die Errichtung von Straßenbeleuchtung ist die DIN 13201. Hier gibt es vorgeschlagene Minimalwerte, die jede Straßenlaterne einhalten sollte , doch keine Maximalwerte! Und gleichzeitig ist es so, dass diese DIN viel Spielraum für die Kommunen zulässt, nicht alles so sehr zu erhellen oder die ganze Nacht leuchten zu lassen. Und überhaupt gibt es keine generelle Straßenbeleuchtungspflicht. Das ist vielen nicht bekannt. Die Idee ist, zu schauen, wo man um eine Beleuchtung in Form anderer Sicherheits-Maßnahmen nicht herumkommt. Dieses Licht sollte dann aber nur die Wege erhellen und nicht die Bereiche links und rechts daneben oder gar Hausfassaden oder Vorgärten. Das Licht sollte nicht so hell sein, dass es blendet. Und es kann aus sein, wenn da niemand ist oder geht. Mit guten Bewegungsmelden kein Problem. Das alles gelte auch für private Beleuchtung außen am Haus. Die Leuchtintensität verringern, alles nur nach unten leuchten lassen und nur eingeschaltet haben, wenn es benötigt wird. „Und umso goldfarbener das Licht, umso besser. Alles unter 2.700 Kelvin Farbtemperatur ist ok“.
Auch appelliert er, dass Burgen, Kirchen und Denkmäler nicht die ganze Nacht beleuchtet werden. Natürlich sieht das schön aus, aber es wäre eine simple Methode, um einerseits Energie zu sparen und um eben die Natur und uns selbst zu schützen. Der Kompromiss: Licht aus ab 22 Uhr!
Für Unternehmen hat er ebenfalls Ratschläge. „Viele bringen die Beleuchtung zu weit oben an, diese muss weiter runter. Wenn man in sechs Meter Höhe den Strahler für die Fassade ansetzt, benötigt man 10 Watt, setzt man diesen bei drei Meter an, sind es nur noch 2,5 Watt. Gleichzeitig sorgt man aber dafür, dass nicht so viel Lichtverschmutzung entsteht, weil die Leuchte weniger streut“. Apropos Streuung: Viele Wegbeleuchtungen, die am Fußweg unten angebracht sind, haben eine Blende. Diese dient dazu, dass – sollte man direkt in das Licht schauen – man nicht geblendet wird. Damit entsteht viel Lichtstreuung, es ist sinniger, diese Blenden wegzulassen.
Licht aus – für Privathaushalte
Manuel Philipp berät aber nicht nur Unternehmen und Kommunen, er hat auch Tipps für Privathaushalte. „In gleich drei Bereichen haben wir Menschen die Möglichkeit, eigenständig etwas gegen die Lichtverschmutzung zu tun. Im Garten kann man beispielsweise auf Zierlichter verzichten. Jedes Licht, was fest auf Wegen installiert ist, könnte man mit einer Zeitschaltuhr ausstatten und ab 22 Uhr bleiben die Lichter aus. Wer die Fassade zu Hause beleuchtet, der sollte darauf achten, dass die Leuchten nicht Richtung Himmel, sondern ausschließlich Richtung Boden strahlen. Und auch hier: Keine Lampen, die deutlich mehr als 2.400 Kelvin haben einsetzen. Und wer seinen Eingangsbereich, den Weg zu Haus und Wohnung beleuchtet, der sollte auf Bewegungsmelder setzen und die Lampen nicht die ganze Nacht Leuchten lassen“.
Es ist noch viel zu tun – packen wir alle mit an!
Manuel Philipp weiß, es ist noch viel zu tun! In zahlreichen Vorträgen hat er bereits mit Industrie und Kommunen gesprochen, viele Menschen verstehen die Thematik und sind bereit, etwas zu ändern. Mittlerweile hat ein Viertel der Gemeinden in Deutschland es durchgesetzt, dass nachts die Beleuchtung komplett abgeschaltet wird, außer an Gefahrenstellen“. Aber um die stetig wachsende Verschmutzung zu stoppen, müssen alle mitanpacken.
In New York die Milchstraße sehen - Earth Night
Die Paten der Nacht haben die Earth Night 2020 ins Leben gerufen. Ähnlich dem Prinzip der Earth Hour, wo es darum geht für eine Stunde Energie zu sparen, soll mit der Earth Night gezielt das Thema Lichtverschmutzung bekannter werden. „Unsere Vision ist es, dass in der Earth Night alle Menschen eine Nacht lang alle Lichter ausschalten. Dann könnten Menschen in New York die Milchstraße sehen!“ Das Verschwinden der Sterne war ein langer Prozess, es wird Zeit, diesen umzukehren. Mit der Earth Night, die einmal im Jahr stattfindet, soll das Thema bewusster werden. Klarer Traum: Die Lichtemission in der Nacht zu minimieren. Die nächste Earth Night findet am 19. September 2025 statt.
Mit der Earth Night sind sie bereits international tätig, so gibt es in Australien, Amerika, Tschechien und in der Schweiz diese Nacht. Nun wird es Zeit, auch in Deutschland das Projekt zu etablieren. Jetzt liegt es an uns Menschen, der Natur und uns selbst etwas Gutes zu tun und mit kleinen Veränderungen einen wichtigen Beitrag rund um die Reduzierung der Lichtverschmutzung zu leisten.
Weitere Informationen unter www.paten-der-nacht.de. [gib]
Autor:Gisela Böhmer aus Frankenthal |
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