Geheimnisvolle Heimat
Die faszinierende Stille der Auenlandschaft am Rhein
Germersheim. Wenn man im nahezu geräuschlosen E-Nachen sanft über den Germersheimer Altrhein gleitet und den Geschichten des erfahrenen Bootsführers Karl Dirolf lauscht, glaubt man ihm sofort, wenn er berichtet, er habe sich in seiner Kindheit immer ein bisschen wie Huckleberry Finn aus den Geschichten Mark Twains gefühlt. Nicht nur aufgewachsen, auch groß geworden sei er quasi auf dem Altrhein erzählt er, sein Vater habe ihm das Fischen beigebracht, er kennt sich aus mit der Tier- und Pflanzenwelt, ist heute auch noch Imker. Wie am Mississippi oder am Amazonas könne man sich hier im Sommer fühlen, wenn die Luft stickig und die Natur üppig ist. Und man kann sich gut vorstellen, wir noch vor einigen Jahrzehnten kleine Jungen mit Angelschnüren hier am Ufer oder in den Booten saßen und ihr Glück versucht haben. Die „Insider von damals“ wissen auch heute noch, wo die besten Plätze zum Angeln sind, das ist keine Frage.
Wir sitzen im Boot und hören unserem Bootsführer fasziniert zu, denn er präsentiert nicht nur launige Anekdoten aus seinem Leben, weiß zudem auch noch einiges über die bewegte Geschichte des Rheins, die Natur und ihre Probleme. Er weiß, was wann wo blüht und wächst, welches Kraut und welchen Pilz man essen kann, von was man besser die Finger lässt, welche Tiere hier heimisch sind und wie man sie finden kann.
Mit Respekt berichtet er vom Zweiten Weltkrieg, zu dessen Ende es am Germersheimer Altrhein zu furchtbaren Gemetzeln kam. Aber auch über die angeblich 1852 dort versunkene und seither verzweifelt gesuchte Lok kann er einiges berichten.
Aber wir lauschen auch den Tierstimmen, denn, wie es sich für einen guten Bootsführer gehört, weiß Karl Dirolf auch, im richtigen Moment zu schweigen – nämlich dann, wenn es etwas ganz Besonderes zu hören gibt – außergewöhnliche Vogelstimmen etwa. Oder eben, wenn es einmal gar nichts zu hören gibt. „Denn viele Gäste kommen auch wegen der unglaublich angenehmen, fast meditativen Stille auf den Altrhein“, weiß er. Auch riechen kann man den Altrhein. Und so sagt Dirolf von sich, dass Heimat für ihn der typische „brackige“ Geruch des Wassers hier ist. Schön ist anders, aber ruppig markant, wie die Landschaft selbst – das trifft es ganz gut.
Auf dem Wasser gleiten wir vorbei an alten Booten, Leitern, die zum Ufer hinauf führen und geheimnisvollen Wegen – die zum Teil noch aus des Zweiten Weltkriegs stammen. „Man weiß zu Beginn einer Fahrt nie, wie weit man wirklich in den Altrhein hineinfahren kann“, sagt unser Bootsführer und würzt die Nachenfahrt so mit einer Prise echten Abenteuers. Was er meint: Wie weit man auf dem Altrheinarm Richtung Rhein mit dem Nachen fahren kann, hängt ab zum einen vom Wasserstand – der nicht zu hoch und nicht zu niedrig sein darf, aber auch von Hindernissen, wie Baumstämmen oder ganzen Bäumen, die die Fluten gerne in den Altrhein spülen. Auch wenn es manchmal ein bisschen ruckelt, wenn das Boot eine der niedrigen Sandbänke streift, haben wir Glück und schaffen es bis zu dem Punkt, wo der Altrhein in die „echten Rhein“ fließt. Dort schauen wir uns das Spektakel aus sicherer Entfernung an, bevor es wieder zurück zum Bootshaus auf der Insel Grün geht.
Info:
Die Nachenfahrten kann man bei der Touristinfo der Stadt Germersheim im Weißenburger Tor buchen.
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Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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