Der Landkreis Germersheim setzt auf barrierefreien Tourismus
"Tourismus für Alle" bedeutet mehr als Rampen bauen
Germersheim/Region. Unter dem Motto "Tourismus für Alle" möchte der Landkreis Germersheim seine Angebote für Gäste optimieren - und zwar vom Anfang der Servicekette bis zu deren Ende: Das heißt Barrierefreiheit vom Internetauftritt über das Hotelzimmer und das Restaurant bis hin zum Museum und zur Gästeführung. Ein Ausflug in die Region soll so zu einem positiven Erlebnis für alle Menschen werden - egal in welchem Alter, mit oder ohne Behinderung.
Barrierefreiheit bedeutet Komfort für alle
Die Idee der Barrierefreiheit ist dabei eine weitreichende: "Man muss bedenken, dass Barrierefreiheit für zehn Prozent der Bevölkerung unentbehrlich ist, für rund 40 Prozent ist sie notwendig - aber komfortabel ist sie für 100 Prozent", sagt Silke Wiedrig von der Kreisverwaltung Germersheim. Wo ein Rollstuhl durchpasst, gibt es auch Platz für den Kinderwagen, übersichtliche, bebilderte Speisekarten helfen Sehbehinderten ebenso wie Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder Familien mit Kindern.
"Indem wir unser Angebot auf Barrierefreiheit hin untersuchen und optimieren, schaffen wir letztlich einen Mehrwert für alle Gäste, aber auch für den Tourismus und die Wirtschaft hier in der Region", ist sie sich sicher.
Mit dem Zertifikat werben und neue Kunden ansprechen
Wer mitmachen möchte, wird geprüft, erhält Hilfestellung und unter Umständen auch Fördermittel und wird dann zertifiziert - vom Radweg bis hin zum Gasthaus oder dem Museum. "Mit dem Zertifikat verbunden ist die landes- und bundesweite Werbung", ergänzt Tobias Baumgärtner vom Beratungszentrum Kobra. Er betreut "Tourismus für alle" als Projektmanager. "Der demografische Wandel sorgt dafür, dass immer mehr Menschen auf eine Art von Barrierefreiheit angewiesen sind. Darauf muss man einfach reagieren. Wer zertifiziert ist, wird auf einschlägigen Internetseiten aufgeführt und dort von den Gästen mit bestimmten Anforderungen gezielt gesucht und auch gefunden."
Und diese Anforderungen können vielfältig sein. "Denn Barrierefreiheit ist mehr als eine rollstuhlfreundliche Rampe, auch wenn man daran immer als erstes denkt", so Silke Wiedrig. Rollstühle, Kinderwagen, Rollatoren sind nur eine Facette. Barrierefreiheit reicht aber von speziellen Leitsystemem für Sehbehinderte bis hin zu allergikerfreundlichen, gut lesbaren Speisekarten und Führungen in einfacher Sprache für Menschen mit geistigen Behinderungen oder kognitiven Einschränkungen.
Natürlich profitiert ein Hotel, das zertifiziert barrierefreie Zimmer hat, oder ein Restaurant, das Platz für Rollstühle und Kinderwagen schafft, ebenso, wie das Museum, das Audioguides für Menschen mit Behinderung anbietet oder Hinweistafeln in Blindenschrift. Das ist nicht nur beste Werbung für die Region, das bedeutet auch neue Zielgruppen und mehr Gäste für die regionale Gastronomie und Hotellerie.
Barrierefreie Rad- und Wanderwege
Derzeit werden die Rad- und Wanderwege auf ihre Barrierefreiheit untersucht. "Wir schauen nach der Steigung, der Wegbreite, nach dem Belag, sanitären Anlagen und ausreichend Rastmöglichkeiten. Außerdem muss natürlich auch die Infrastruktur drumherum stimmen: barrierefreie Restaurants, Hotels und kulturelle Angebote", berichtet Baumgärtner und ergänzt: "Was die Topografie betrift, ist es hier am Rhein natürlich ideal. Und selbstverständlich schauen wir, wo man mit möglichst kleinen Eingriffen viel erreichen kann."
Führungen und Erlebnisse für alle
Im nächsten Schritt sollen im August Gästeführer geschult werden. In vier Modulen erfahren die, wie sie Stadt- und Naturführungen, Wander- und Radtouren oder andere Erlebnisangebote barrierefrei anbieten und so neue Zielgruppen erschließen können. Dabei wird jede gemeldete Tour in einem Praxistest individuell analysiert und bei Bedarf neu oder ergänzend konzipiert.
So hat jeder Teilnehmer dieser Fortbildungsreihe einen eigenen Mehrwert. Auch Germersheim wird zwei Gästeführer und zwei Naturführer schulen lassen, wie Frauke Vos-Firnkes, die Tourismusbeauftragte der Stadt erklärt. "Natürlich können wir nicht alle unsere Gästeführer schulen lassen, aber auch ich werde selbst an der Fortbildung teilnehmen und kann dann auch den anderen Führern beratend zur Seite stehen."
So sollen Festungsführungen für Menschen mit geistiger Behinderung oder Nachenfahrten für Gehbehinderte keine Ausnahme mehr sein, vielmehr zur verlässlichen Dauereinrichtung werden. Hinweistafeln mit großer Schrift und einfachen Formulierungen oder Audioguides können das Angebot noch sinnvoll ergänzen.
Die teilnehmenden Führer erhalten neben den fachlichen Tipps auch Hinweise zum Umgang mit den verschiedenen Gruppen, die spezielle Angebote nutzen wollen. Sie werden im Umgang mit Behinderten, Familien, Kindern oder Senioren sensibilisiert und bekommen Ratschläge, wie sie ihr Thema möglichst barrierefrei darstellen können - ob in der Stadt, im Museum oder in der Natur.
"Und sollte sich dabei einmal wirklich zeigen, dass irgendwo nachgerüstet oder nachgebessert werden muss, können auch Fördermittel beantragt werden", erklärt Tobias Baumgärtner. Er findet es wichtig, dass jetzt, rund zwei Jahre nach dem Projektstart und der Entwicklungsphase, ein guter Einstieg in die Realisierung und Umsetzung geschafft wird.
"Wir sind da auf einem guten Weg und freuen uns auf viel kreativen Input von Außen", ergänzt er.
An den Kursen, die im August stattfinden werden, kann jeder interessierte Gäste- und Naturführer teilnehmen, Informationen dazu gibt es bei der Regioakademie unter 06325 1800241 (-242, -243) oder regioakademie@pfalzakademie.bv-pfalz.de
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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