Späte Industrialisierung der Südpfalz
Unter Dampf
Historie. Die industrielle Entwicklung kam erst im späten 19. Jahrhunderts allmählich in der Südpfalz an. Sie wurde durch die 1872 eröffnete untere Queichtalbahn von Landau nach Germersheim und die 1874 eröffnete Queichtalbahn von Landau nach Annweiler und später bis in die Kohlereviere des Saarlands forciert. Fabriken siedelten sich entlang oder soweit möglich in Nähe der Bahnstrecken an, sagt der Historiker Christian Decker vom Institut für pfälzische Geschichte in Kaiserslautern.
In Annweiler wird 1890 das Emaillier- und Stanzwerk Ullrich und Söhne gegründet, aus dem sich eine Firma für Gas- und Wasserleitungen entwickelte, die 1903 an Otto Föll verkauft wurde – unter seinem Namen wurde das Metallwerk Föll und Leber GmbH daraus. 1889 zieht auch Franz Ulrich von Maikammer nach Annweiler, um Zollstöcke herzustellen – aus dieser Fabrik wurde die heutige Firma Stabila, die noch heute in Annweiler Messgeräte für den Weltmarkt produziert. In Herxheim stand die Leinenweberei Engel, vorher unter Moses Wolf bekannt, die 1911 mechanisierte Webstühle einführte. Außerdem wurde 1879 die erste Zigarrenfabrik von Jakob Wagner gegründet, der in den 20er Jahren ganze 40 Pfälzer Fabriken betrieb, zählt Decker auf. Auch die Schuhindustrie in Hauenstein wuchs im späten 19. Jahrhundert. Die meisten heutigen Industrieansiedlungen kamen jedoch erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in die Südpfalz.
Südpfälzer fürchten um Traditionen
Die südpfälzische Bevölkerung sah die Industrialisierung skeptisch. Auch wegen Unfällen in den Fabriken hielt man Dampfmaschinen für ungestüm und unberechenbar. Die Menschen fürchteten den Verlust der traditionellen ländlichen Lebensart. Auch die Bauernlobby befeuerte diese Sichtweise, da sie sich wegen der Landflucht seit 1850 um Arbeitskräfte sorgte und darum, die Löhne für die Landarbeiter wegen der viel höheren Löhne in den Fabriken anheben zu müssen. Andererseits führten Dreschmaschinen und Traktoren auch in der Landwirtschaft zu Arbeitserleichterungen.
Rheinhafen in Ludwigshafen
Nachdem die Pfalz 1816 nach den Napoleonischen Kriegen an Bayern fiel, verschleppten Zollschranken und die hohe Besteuerung aus München den Aufschwung. „Erst die Zollfreiheit nach 1834 erleichterte eine breitere Industrialisierung“, so der Historiker Decker.
Ein wichtiger Standortvorteil war dabei der Rhein als wichtigste Wasserstraße Europas. Davon profitierte jedoch vor allem der 1822 errichtete Handelsplatz „Rheinschanze“, der Keimzelle des heutigen Ludwigshafens. „Ludwigshafen wurde Hauptknotenpunkt im Eisenbahnnetz und zugleich Kopfstation für die Rheinschifffahrt“, sagt Historiker Decker. Während der Hafen Ludwigshafen aufblühte und wuchs, blieb südlichere Häfen in der Pfalz unbedeutend, da die Regierung in München bis ins frühe 20. Jahrhundert Warenumschlag südlich von Ludwigshafen verhinderte. Alles sollte in Ludwigshafen umgeschlagen werden, um einen wirtschaftlich starkes und dominantes Verkehrsdrehkreuz zu haben. Die Häfen in Germersheim und Wörth wurden erst in den 1960er Jahren errichtet.
Von 1847 bis 1849 wurde die pfälzische Ludwigsbahn gebaut, die als erste Ost-West-Verbindung der Pfalz die damals noch pfälzischen Kohlereviere im heutigen Saarland mit dem Rhein verband, so Decker. Sie führte von Bexbach über Kaiserslautern und Neustadt nach Ludwigshafen. So erlangten die dortigen Kohlegruben und die anderen Großunternehmen Zugang zum Weltmarkt und brachten die Industrieentwicklung der Pfalz voran. Eine Nord-Süd-Strecke führte ab 1855 von Ludwigshafen über Neustadt und Landau bis Weißenburg. jg/rk
Autor:Dehäm Magazin aus Ludwigshafen | |
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