Interview der Woche
Christuskirche Haßloch und Restaurator Quentin Saltzmann
Haßloch. Als bedeutendes kunsthistorisches Dokument im Spannungsfeld zwischen Katholizismus und Reformation um 1600 bezeichnet Restaurator Quentin Saltzmann die Malereien im Turmraum der Christuskirche Haßloch. Im Gespräch mit dem Wochenblatt erläutert er das Gesamtkonzept der von der Haßlocher Turminitiative ins Rollen gebrachten Sanierungsaktion.
??? Herr Saltzmann, wie bewerten Sie die kunsthistorische Bedeutung der bisher frei gelegten Malereien?
Quentin Saltzmann: Die um 1600 entstandenen Malereien sind ganz klar in die reformatorische Phase einzuordnen. Um diese Zeit war in der Kurpfalz die Reformation im Vormarsch. Möglicherweise verfügte die Kirche vorher über gotische Malereien und vielleicht stoßen wir im Rahmen der Ausgrabungen auf Freskenreste aus der katholischen Zeit. Der Turmraum gehörte ursprünglich zu einer kleinen Kapelle und man vermutet, dass der Erdgeschoßraum des Turmes ehemals der Chorraum einer größeren Kirche war. Die weiteren Joch wurden dann wahrscheinlich im Zuge des Neubaus im 18. Jahrhundert abgerissen und es blieb nur noch der Chorraum übrig. Um 1600 wurde die Kirche lange vor dem großen Umbau radikal von einer katholischen zu einer protestantischen Kirche umgestaltet. Anstelle figürlicher Darstellungen trat nun eine dekorative Ausmalung in Gestalt eines Rollwerks mit zeittypischen Renaissance-Motiven. Salopp gesagt, hat man damals den Katholizismus aus dem Haus gejagt. Die Dekorationen, die wir momentan freilegen, erinnern dabei eher an Schlossmalereien, haben also mehr profanen Charakter. Eigentlich passen sie nicht in eine Kirche, auch wenn wir in der Ausgestaltung eine gewisse Glorifikation feststellen können. Und genau das macht die Haßlocher Malereien im Spannungsfeld zwischen dem Katholizismus und der Reformation so spannend. Eine weitere Besonderheit: Die Umgestaltung wurde nicht von der Kirche bezahlt, sondern über ein Bürgerstiftung finanziert. Auch dabei handelt es sich um einen klaren reformatorischen Ansatz.
??? Wie sind Sie zu dem Auftrag gekommen?
Quentin Saltzmann: Über meine Restaurierungsarbeiten an der Konstantinbasilika in Trier wurde eine SWR-Sendung gedreht, die Architekt Rudi Einholz von der HTI zufällig gesehen hatte. Meine Auffassung, dass man solche Sanierungsvorhaben als Gesamtkonzept angehen muss, welchem zunächst eine generelle Bestandsaufnahme vorausgehen sollte, hat meine Auftraggeber offensichtlich überzeugt.
??? Stichwort „Gesamtkonzept“. Erzählen Sie uns bitte etwas darüber.
Quentin Saltzmann: Was wir brauchen ist kein peu à peu, sondern eine Konzepterstellung, die das Projekt in seiner Gesamtheit betrachtet. Ziel der Maßnahme ist die musterweise Freilegung der Malereien. Neben umfassenderen Infos zur Raumgestaltung und zum Erhaltungszustand der Malereien sollten Erkenntnisse zur optimalen Freilegungstechnik gewonnen werden. Ebenfalls soll von der Ergebnissen auf den Gesamtaufwand für die Freilegung des Raumes geschlossen werden.
??? Und dazu gehört wahrscheinlich auch ein Konzept für die Ausgrabungsarbeiten, das heißt für die Freilegung der derzeit noch im Boden befindlichen Wandbereiche?
Quentin Saltzmann: Ja. Im Zuge des Abbruchs des Gewölbes des Vorgängerbaues hat man den Fußboden um 1,30 Meter höher gelegt. Der Turmraum soll nun auf sein historisches Bodenniveau zurückversetzt werden. Das führt unter anderem zu Veränderungen bezüglich der klimatischen Bedingungen im Raum – im Zuge der vermehrten Wasserbildung können zum Beispiel Salze transportiert werden, die möglicherweise Schäden verursachen. Wir brauchen daher eine klar konstruierte Abfolge der Arbeitsabläufe, mit dem Ziel, einen eindrucksvollen Kapellenraum zu erhalten.
??? Sind Sie bei ihrer Arbeit als Restaurator auf vergleichbare Objekte gestoßen?
Quentin Saltzmann: Die Art der Malereien, wie wir sie in der Christuskirche vorfinden, kenne ich nur von Profanbauten. Die Erklärung hierfür ist einfach: Im Gegensatz zu Schlössern werden Kirchen im Schnitt pro Jahrhundert bis zu dreimal neu verputzt und gestrichen. Da bleibt oftmals nichts übrig von den Malereien der vergangenen Jahrhunderte. Der Anspruch, sie zu schützen, ist in Kirchen eher gering.
??? Welche Freilegungstechniken wenden Sie an?
Quentin Saltzmann: Dispersionsanstreiche lassen sich gut mit Alkohol anlösen, aber nicht komplett ablösen. Wenn man im Anschluss mit dem Skalpell arbeitet, besteht die Gefahr der Beschädigung. Ich habe mich für die Behandlung mit Trockeneis entschieden. Das Verfahren funktioniert folgendermaßen: Mittels eines Luftstroms wird das Trockeneis stark beschleunigt. Dabei werden bei -70 Grad kleine Eispartikel in die Oberfläche eingeschossen, die sich bei Eintritt sofort vom festen in einen gasförmigen Zustand verwandeln. Der Vorteil: Das Trockeneis ist sehr weich, das heißt, die Kratzwirkung ist sehr gering. Wir können also auf einer recht fragilen Oberfläche mit einem effizienten Gerät relativ schonend arbeiten. Die verbleibenden Reste werden dann im dritten Schritt mechanisch mit dem Skalpell entfernt. Bezüglich der Kosten-Nutzen-Bilanz ist es das wirtschaftlichste Verfahren, das freilich nicht die händische Freilegung, wie sie zum Beispiel an den kostbaren gotischen Malereien in der Stiftskirche angewendet wird, ersetzen kann.
??? Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Quentin Saltzmann: Ursprünglich wollte ich Archäologe werden, da ich mich schon immer stark für Geschichte interessiert hatte. Aber dies Branche erschien mir dann doch zu brotlos. Bereits während meiner Schulzeit hatte ich eine Reportage über eine Restaurierung gesehen, die mein Interesse geweckt hat. Was mich am meisten überzeugt hatte, war der Umstand, dass man technisch an Kulturgütern arbeiten kann. Die „Exponate“ kann man nicht transportieren. Man muss für jeden Ort spezielle Lösungen finden, die den jeweiligen individuellen Begebenheiten gerecht werden. Und gerade das macht den Beruf des Restaurators für mich so interessant.
Vita
Quentin Saltzmann, Jahrgang 1990, ist gebürtiger Rheinländer (Bergisch-Gladbach). Sein Studium der Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft an der Technischen Universität München am Lehrstuhl für Renovierung schloss er zunächst mit dem Bachelor ab, gefolgt von einem zweijährigen Masterstudiengang. Begleitend zum Studium übte er eine Forschungstätigkeit am Fraunhofer Institut Braunschweig zur Reinigung organischer Auflagen mittels oxidierender Niedertemperatur-Atmosphärendruck-Plasmen aus. Im Frühjahr 2016 absolvierte er ein Praktikum am Kunsthistorischen Museum in Wien. Seit August 2015 ist er selbstständig als Restaurator tätig. Zu seinen Referenzarbeiten zählen unter anderem die Restaurierung des Grabmals Gustav v. Schlör sowie Restaurierung und Neuversatz des Grabmals Karl Max von Bauernfeinds auf dem Alten Nördlichen Friedhof in München, reversible Schutzüberputzungen an römischen Außenputzen der Weltkulturerbestätte Konstantinbasilika Trier und die Restaurierung eines durch Vandalismus geschädigten jüdischen Grabmals in Egelsbach.
Weitere Infos
www.master-rest.de
Autor:Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße |
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