Hinweise auf politischen Hintergrund
Vandalismus in Physiopraxis in Haßloch
Haßloch. Nachdem das Wochenblatt vor drei Wochen über den Vandalismus in der Physiotherapie-Praxis in Haßloch berichtete (siehe unten), kamen nun mehr Details an die Öffentlichkeit. Der Inhaber, Serdar Özdüzenciler, beschreibt seine schwierige Lage in einem Brief, den er in der Zwischenzeit selbst öffentlich in den sozialen Medien geteilt hat und gibt Hinweise auf die Hintergründe der Tat. Die Wochenblatt-Redaktion hat mit dem Inhaber und einer Mitarbeiterin gesprochen.
Von Kim Rileit
Was war passiert?
Laut Polizeiangaben brachen Unbekannte brachen Christi Himmelfahrt, 20. Mai, in eine von drei Thera-Fit-Praxen, die Özdüzenciler führt, ein. Dort zerstörten der oder die Täter einen Großteil der Einrichtung, schlitzten Behandlungsliegen auf und sprühten Symbole an die Wand. Die Polizei schätzte den entstandenen Schaden auf etwa 50.000 Euro. Die Täter wurden noch immer nicht gefasst.
Hinweise auf politischen Hintergrund
In der Martin-Luther-Straße in Haßloch wurde eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Die Behandlungsräume wurden fast vollständig zerstört. Der Inhaber vermutet, den Tätern ging es um „Arbeitsunfähigkeit (der Praxis, Anm.d. Red.) und Rassismus.“ Denn neben zerstörter Einrichtung und geklauter Elektronik wurden die Wände aller Behandlungsräume mit Symbolen verunstaltet, welche offensichtlich einen politischen Hintergrund besitzen. Die Polizei spricht nach Anfrage von „verfassungswidrigen Symbolen und beleidigendem Text“.
Die Polizei hielt sich aus ermittlungstaktischen Gründen bisher bedeckt, spricht von „Täterwissen“, welches nicht veröffentlicht werden soll. In der Mitteilung der Polizei wird von „versprühter Farbe“ gesprochen. Auf Wochenblatt-Anfrage räumte eine Sprecherin ein, dass damit falsche Geständnisse verhindert werden sollen. Das Motiv des Täters ist derzeit noch unklar. „Ob die Tat tatsächlich einen rassistischen oder politischen Hintergrund hat, ist nach derzeitigem Ermittlungsstand noch unklar“, so eine Polizeisprecherin. Auch das Motiv des Täters sei noch nicht klar.
Der emotionale Schaden ist viel größer
Trotz des sehr hohen Sachschadens belastet den Besitzer etwas anderes: „In Wahrheit liegt der Schaden weit drüber. Der emotionale Schaden ist nicht wieder gut zu machen“, erklärt Özdüzenciler. „Ich saß in der Praxis, es war eine Ohnmacht, die Frage nach dem Grund beschäftigte mich pausenlos“, so der Inhaber. Die Auswirkungen zeigen sich auch bei den Angestellten, die indirekt in Mitleidenschaft gezogen wurden. Eine langjährige Mitarbeiterin leidet noch immer unter der Tat: „Ich war schockiert und verängstigt“, beschreibt sie ihren Gefühlszustand im Mai. „Mein Magen drehte sich um, mir wurde schlecht. Ich hätte heulen können“, erklärte sie weiter. Die Situation vor Ort schien beängstigend zu sein. „Es wurde mit so viel Hass zerstört, das sieht man. Ich kann in diesem Haus nicht mehr arbeiten“, so die Angestellte. Noch immer beschäftigt sie die Straftat: „Mittlerweile ist es Wut. Wut auf gestörte Personen, die so viele Menschen leiden lassen.“
Großer logistischer Aufwand
Tatsächlich betrifft die Tat auch die Angestellten der Praxis mehr, als auf den ersten Blick anzunehmen ist. Da im gesamten Haus der Praxis nicht gearbeitet werden kann, mussten Alternativen her. Die Patienten wurden auf die anderen Praxen von Özdüzenciler in Neustadt und Böhl verteilt. „Das war und ist ein hoher logistischer Aufwand für alle“, erklärte die Mitarbeiterin. Doch der Einsatz bleibt bei ihrem Chef nicht unbemerkt. „Mein Team ist das beste! Sie haben sich selbst organisiert“, sagte der Inhaber erleichtert. Doch Özdüzenciler will die Praxis nicht erneut eröffnen, das Haus steht zum Verkauf. Stattdessen sucht er nach neuen Räumlichkeiten in Haßloch.
An Aufgeben ist nicht zu denken
„Mein Team und meine Familie sind immer noch erschüttert“, versucht Özdüzenciler die Situation in Worte zu fassen. Doch für ihn ist auch dieser Rückschlag kein Grund, sich aufzugeben. Er offenbart sich der Gemeinschaft „Haßloch, ich wende mich an Euch und nicht von Euch ab! Ich bin in Deutschland, in der Pfalz, zuhause. Ich liebe mein Haßloch!“ Mit dieser Liebesbekundung macht Özdüzenciler klar, dass er nicht alle Haßlocher unter Generalverdacht stellt, sondern sein Dorf, seine Heimat, liebt. Und dass, obwohl er bereits in der Vergangenheit oft mit Attacken zu kämpfen hatte: Aufgestochene Reifen und eingeschlagenen Scheiben seien keine Seltenheit gewesen. Er richtet sich direkt an die Täter: „Ich bin ein pfälzer Türke mit einem deutschen Pass, wann kapiert Ihr das da draußen?“ Weiterhin hat der Inhaber noch eine Botschaft, die mit Blick in die Vereinigten Staaten aktueller nicht sein könnte: „Die Täter werden uns nicht kleinmachen. Es reicht jetzt mit dem subtilen Rassismus im Alltag. Wir sind mehr, und wir sind ausländerfreundlich!“ In Zukunft will Özdüzenciler sich wieder mehr engagieren. „Ich war viel zu lange ruhig“, erklärte er. Dafür will er in die Politik einsteigen, sich gegen Rassismus stark machen: „Ich werde mit allem kämpfen, was ich habe – wir Özdüzencilers sind Trotzköpfe!“
Positive Resonanz und Unterstützung
Der Brief ist mittlerweile im Netz zu finden und wurde mehr als 540 Mal geteilt. Mittlerweile haben über 100 Personen aus seinem Umfeld ihr Mitgefühl zum Ausdruck gebracht. Neben aufmunternden Botschaften sind häufig Ausdrücke wie Trauer, Sprachlosigkeit und Wut zu lesen. Doch auch Unterstützung wird angeboten: Viele Facebook-Freunde wollen bei der Suche nach neuen Räumlichkeiten für die zerstörte Praxis helfen.
Aber auch die Nachrichten, die ihn privat erreichten, machen Mut: „Mir wurden viele Spenden angeboten“, so der Physiotherapeut. Doch diese Angebote habe er abgelehnt. Auch Vertreter der lokalen Politik verschiedener Parteien haben sich bei ihm gemeldet und ihr Mitgefühl ausgedrückt, sich von der Tat distanziert.
Autor:Kim Rileit aus Ludwigshafen | |
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