Jubiläumsfeier
100 Jahre Bücherei Hauenstein

Das Bürgerhaus in Hauenstein, bis 1975 Hauptgebäude  der Schuhfabrik Johann Naab („Jona“). Der Eingang zur Bücherei liegt ebenerdig auf der gegenüberliegenden Längsseite. | Foto: W. G. Stähle
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  • Das Bürgerhaus in Hauenstein, bis 1975 Hauptgebäude der Schuhfabrik Johann Naab („Jona“). Der Eingang zur Bücherei liegt ebenerdig auf der gegenüberliegenden Längsseite.
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Hauenstein (Südwestpfalz). Die Bücherei im Bürgerhaus von Hauenstein konnte am Donnerstagabend, (24. Okt. 2024) dem Tag der Bibliotheken, im Rahmen eines Festakts ihr Hundertjähriges begehen. Gegründet im turbulenten und schwierigen Jahr 1924 als Pfarrbücherei bewältigte diese Institution die folgenden Herausforderungen, entwickelte sich, und verfügt aktuell über circa 10.000 Medien in der Ausleihe sowie zusätzlich 40.000 im Online-Angebot. Genutzt und geschätzt wird das Angebot auch von der Bürgerschaft umliegender Gemeinden, wie Hermann Rippberger, Bürgermeister der Ortsgemeinde Lug (Verbandsgemeinde Hauenstein), im Gespräch wissen ließ. Besonders für Familien mit Kindern sei die Bücherei „eine hervorragende Einrichtung“.
   Dass diese Einrichtung bis heute besteht, ist neben ehrenamtlichem Engagement zu beträchtlichen Teilen auch Hartnäckigkeit zu verdanken.

Die Begrüßung der zahlreichen Festgäste, eingeladen waren auch alle Abonnenten, übernahmen Silke Franz, seit 2013 Büchereileiterin und Steffen Mellein, Hauensteins Ortsbürgermeister, der den „Büchereidamen“ für ihr ehrenamtliches Engagement dankte. Volker Damian (Keyboard) und Michael Schneiders (Saxophon) sorgten für musikalische Umrahmung und Intermezzi.

Pfarrer Ulrich Nothhof betonte in seiner Ansprache die Vorteile des Lesens: „Das finde ich das Tolle an Büchern, dass man sich hinein versenken kann, dass die Phantasie geweckt wird, dass man sich seine Helden selbst vorstellen kann.“ Er sei froh, dass es die Bücherei gibt und empfehle diese immer wieder seinen Kommunionkindern.

Hermann Rippberger, Erster Beigeordneter, der vertretungsweise im Namen der Verbandsgemeinde gratulierte, erzählte, „die Lehrerin hat eines Tages zu meiner Mutter gesagt, ‚der Bub kann überhaupt nicht lesen, der spielt nur Fußball‘. In Lug hatten wir keine Bücherei, deshalb finde ich es ganz toll, dass in Hauenstein diese Bücherei existiert.“ Sie sei wertvoll, auch für die Umlandgemeinden, vermittele Kindern Lesekompetenz, ebenso Erwachsenen, und liefere Informationen.

Grüße der Landrätin überbrachte Martina Wagner, Erste Kreisbeigeordnete. Sie dankte für das „nicht alltägliche Engagement“ zum Wohl von Hauenstein und den umliegenden Gemeinden. „Sie können stolz sein auf Ihre Bücher, die schönen Räumlichkeiten und die Vielfalt der Medien“. Die Jubilarin gehe mit der Zeit, jung, dynamisch, aktiv und den Blick in die Zukunft gerichtet. „Genau das ist es, was die Bücherei attraktiv macht.“

Claudia Holzmann von der Landesbüchereistelle in Neustadt (zu Landesbibliothekzentrum Rheinland-Pfalz) betonte „die Pfalz wäre verloren ohne das Ehrenamt. Von daher ganz vielen Dank für die Dienste, die Sie dem Lesen und den Menschen an der Stelle erweisen“.

Barbara Hengen, vor Silke Franz 28 Jahre Büchereileiterin, erzählte, die (Kombination) Pfarr- und Gemeindebücherei sei „immer mal wieder Thema“ gewesen. „Ich bin ein großer Verfechter beides zusammen zu lassen in einer Bücherei“, positionierte sie sich. Bibliotheken würden den Zugang zu Bildung für alle Bevölkerungsschichten fördern. Die Herausforderungen hätten sich im Laufe der Zeit gewandelt, die Bücherei stehe in einem spannungsgeladenen Verhältnis zwischen Veränderung und Tradition. „Sie muss sich immer wieder neu erfinden“, sei auch sozialer und kultureller Treffpunkt ohne Konsumzwang, ermögliche sich auszutauschen, zu lesen und Dinge auszuleihen.

„Mit Büchern erschließen wir uns die Welt“, zeigte sich Karin Falkenhain überzeugt, die dienstälteste unter den Ehrenamtlichen der Bücherei. Sie spreche für deren Gesamtheit in Vergangenheit und Gegenwart. „Die halten die Bücherei am Laufen.“ Das sei über die Jahrzehnte eine ganze Heerschar. Zur Zeit der Gründung sei der Besitz von Büchern noch ein Luxus der Wohlhabenderen gewesen, blickte sie zurück. „Vielleicht war auch das ein Motiv eine Pfarrbücherei in dieser Zeit in Angriff zu nehmen“. Der Ecklohn in der Schuhindustrie habe damals 40 Pfennige betragen, der Urlaub sechs Tage bei 48-Stunden Wochenarbeitszeit. Sie beschrieb auf Grundlage von Archivrecherchen die stetige und weitgehend unbehelligte Weiterentwicklung bis in die späten 1930-er Jahre sowie das abrupte Ende: „1941 erfolgte die Schließung der Pfarrbücherei durch die Gestapo.“ 1953 habe man dann wieder eröffnet. Sie beschrieb auch wie auftretenden Widrigkeiten begegnet wurde. „Trotz hat die Bücherei bis heute erhalten.“

Bernhard Rödig, zur Zeit des Bürgerhaus-Projektes Bürgermeister der Ortsgemeinde Hauenstein (bis 2019), erinnerte an die damalige „spannende Phase“. Das ehemalige Fabrikgebäude sei nach privatwirtschaftlicher Zwischennutzung frei geworden. Der angestrebte Erwerb durch die Gemeinde habe sich zum „politischen Kampf“ entwickelt und in ein Bürgerbegehren gemündet, in dem „eine ganz klare Mehrheit entschied.“ Mit viel eigener Kraft sei es dann umgebaut worden. Um Bauhofmitarbeiter einbeziehen zu können, hätte „ein Frauenteam“ von diesen Reinigungs- und Grünpflegearbeiten im Ort übernommen. „Viel Kreativität war im Spiel und so ist es auch finanziell aufgegangen.“

Zum Abschluss wurde ausgiebig in geselligem Rahmen geplaudert. Bei dieser Gelegenheit äußerte ein langjähriges Gemeinderatsmitglied gegenüber dem Verfasser, „ohne die Büchereileute würde es ‚dieses‘ Bürgerhaus nicht geben“.

Anfänge in einer Zeit von Not und Unsicherheit
Das Jahr der Büchereigründung (1924) war geprägt von Not und Unsicherheit. In Hauenstein waren alle größere Betriebe geschlossen; die Reichsregierung hatte seit Januar des Vorjahres zum „passiven Widerstand“ gegen die Besetzung des Ruhrgebiets dort und im besetzten entmilitarisierten Rheinland, zu dem die Pfalz zählte, aufgerufen. Entlassene erhielten Unterstützung und arbeiteten stundenweise für die Gemeinde. Aus der einstigen „Mark“ war mangels ursprünglicher Gold-Deckung die „Papiermark“ geworden, die nach galoppierender Inflation und vorübergehender Einführung der „Rentenmark“ am 30. August durch die „Reichsmark“ ersetzt wurde. Der Wechselkurs betrug eine Billion zu eins (1.000.000.000.000:1). Ersparnisse waren verloren. Mit dem blutigen Sturm auf das Bezirksamt in der nahegelegenen Stadt Pirmasens am 12. Februar endeten separatistische Bestrebungen in der Pfalz; 23 Menschen kamen zu Tode. Bei der Reichstagswahl im Mai errangen radikale Parteien (KPD, DNVP, NSDAP) starke Gewinne.

Wiederholt Umzug und Erweiterung
Maßgeblichen Einfluss auf Gründung, Ausgestaltung und Entwicklung der Bücherei dürfte Pfarrer Georg Sommer gehabt haben, der von 1915 bis 1957 in Hauenstein wirkte. Wo sich die ersten Räume der Pfarrbibliothek befanden ist nicht überliefert, war dem zentralen Vortrag von Karin Falkenhain zu entnehmen. Im August 1933 wurde die neu errichtete Christkönigskirche geweiht und die Bibliothek konnte in das angrenzende Pfarrhaus einziehen. In den Räumen findet sich heute die karitative „Kleiderstube“ der katholischen Kirchengemeinde. 1959 wurde im alten Gemeindehaus (Ecke Schul-/Hauptstraße) die „Gemeinde- und Pfarrbücherei“ eröffnet, in die letztere ihren Bücherschatz einbrachte. Als Leiter fungierte Grundschullehrer Robert Hamm. Nachdem dieser schwer erkrankte übernahm 1972 Elisabeth Scheib. Als Blütezeit der Bücherei gelten die Mitte 1960-er bis 1970-er Jahre mit ständig steigenden Ausleihzahlen, obwohl pro Buch zehn Pfennig für Erwachsene und fünf Pfennig für Kinder erhoben wurden. Vom Pfarrhaus zog die Bücherei in ein weiteres Domizil, heute „Kreativ-Punkt“ (Hauptstraße 15). Wegen zunehmend beengt werdender Verhältnisse und nach Absage an einen Anbau wurde die alte Eichendorffschule als Standort auserkoren, nachdem von dort die Handelsschule weggezogen war. 1985 übernahm Barbara Hengen die Leitung an diesem räumlich sehr großzügigen Standort, zusammen mit Ute Braun. Ein massiver Wassereinbruch, zu dem es durch Renovierungsstau und Desinteresse gekommen sein soll, zwangen zur Schließung der Einrichtung.

Wiederbelebung durch Engagement
Nach vielen Aktionen der ehrenamtlichen Büchereimitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unterstützt von der Bürgerschaft, sowie dank der erfolgten Umgestaltung des einstigen, mittlerweile (1999) ausgebrannten, Hauptgebäudes der 1975 geschlossenen Schuhfabrik Johann Naab zum Bürgerhaus, fand die Bücherei dort ihre heutigen „von Christoph Seibel individuell und einzigartig gestaltet heutigen Räume“ (Karin Falkenhain).
   Im August 2020 erwies der damalige Kulturminister Konrad Wolf der Hauensteiner Bücherei seine Referenz (wir berichteten).

Information
Die Bücherei Hauenstein im Bürgerhaus (Burgstraße 6, barrierefrei) ist geöffnet Dienstag 17:30 bis 19:30 Uhr, Mittwoch 10 bis 11:30 Uhr, Freitag 17:30 bis 19:30 Uhr, Sonntag 10 bis 11:30 Uhr plus extra Öffnungszeiten für die Grundschulkinder. Derzeit sind dort zwölf Ehrenamtliche plus Leitung tätig. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 12 Euro pro Jahr, Kinder sind frei. Leser haben Zugang zum Online-Angebot.
   Die Bücherei nimmt jährlich am Lese- und seit zwei Jahren auch am Vorlesesommer teil.
Kontakt: Telefon 06392/815.9056, E-Mail: Buecherei-Hauenstein@gmx.de, Internet: http://www.buecherei-hauenstein.de

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Autor:

Werner G. Stähle aus Hauenstein

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