Ausgrabungen bei Herxheim: Pfälzer Kanibalen

Teilweise war die Konzentration an Schädeln und Knochen bei den Funden sehr stark.  | Foto: GDKE RLP
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[urlnt=http:/www.wochenblatt-reporter.de/herxheim]Herxheim[/urlnt]. Die Faktenlage ist dünn. Allein die Tatsache, dass hier rund 1.000 Menschen ihr Leben ließen, ist klar. Heute steht hier ein Gewerbegebiet, nichts erinnert an den Massenmord vor rund 7.000 Jahren. Bei Ausgrabungen bei Herxheim von 1996 bis 1999 und noch einmal zwischen 2005 und 2008 wurden Menschenknochen in einem Graben um eine steinzeitliche Siedlung gefunden. Von den „Kannibalen von Herxheim“ war die Rede.

Vieles weist auf Kannibalismus hin und der Chef-Anthropologe bei den Grabungen Bruno Boulestin ist überzeugt, dass die Menschen nicht nur geopfert, sondern auch verzehrt wurden. Die Menschen wurden komplett skelettiert, wie Schlachtvieh wurden sie auseinander genommen, die Gelenke zerschlagen, die Wirbelsäule getrennt und der Knochen abgeschabt. Die Spuren weisen viele Merkmale auf, die zu Kannibalismus passen. Doch beweisen kann man es nicht. „Ich glaube, dass wir nie wissen werden, ob es sich um Kannibalismus handelt“, sagt Archäologin Andrea Zeeb-Lanz, die für die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz das Forschungsprojekt Grabung Herxheim leitet.

Bei den Ausgrabungen der Schädel und Knochen. | Foto: GDKE RLP
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Musterbeispiel für Bandkeramiker-Siedlung

Das rund vier Hektar große Siedlungsgebiet bei Herxheim mit fruchtbarem Lössboden, in dem über von etwa 5300 bis 4950 vor unserer Zeitrechnung geschätzt 100 Menschen pro Generation lebten, ist eigentlich ein Musterbeispiel für eine Bandkeramiker-Siedlung. Wenn da nicht der Graben wäre, in dem die Menschenknochen verscharrt wurden. „Wir gehen von einem Ritual aus“, sagt Projektleiterin Andrea Zeeb-Lanz. Darauf weisen die anderen Gegenstände hin, die ebenfalls in dem Graben gefunden wurden - allesamt wertvolle Gegenstände wie besonderer Feuerstein, Mühlsteine und Keramik, die von weit her stammt. Und wie die Menschenknochen sind diese wertvollen Gegenstände systematisch zerstört worden. Dass die Knochen in sehr kleine Stücke geschlagen und die Schädel auf bestimmte weise auseinander genommen wurden, spricht eher gegen Kannibalismus.
Ob es nur ein einziges großes Ritual gab oder fünf oder sechs ist unklar, mehr waren es wahrscheinlich nicht, stellt Zeeb-Lanz klar. Das beweist die Verteilung der Knochen und Gegenstände, die in den Graben wie Abfall gekippt und mit Erde bedeckt wurden. In jedem Fall war es ein enormer Aufwand, der von den wenigen Bewohnern kaum alleine zu bewältigen war. Alleine den Graben von bis zu vier Metern Tiefe auszuheben, war viel Arbeit. Und wenn es sich um Kannibalismus handelt: 1000 Menschen zu verzehren, muss auch erst einmal bewältigt werden. Es ist unmöglich, dass dieser ganze Aufwand von den rund 100 Bewohnern alleine bewältigt wurde. „Wir gehen davon aus, dass sich hier mehrere Gruppen getroffen haben“, so Zeeb-Lanz. In jedem Fall ist der massenhafte Ritualmord in Herxheim einzigartig.

Wer waren die Opfer?

Ein weiteres Rätsel ist, wer die Opfer waren. Genetische Untersuchungen ergaben, dass sie mit den Bandkeramikern eng verwandt waren. Allerdings ergaben Strontium-Untersuchungen der Zähne, dass sie in größeren Höhen im Mittelgebirge gelebt haben – vollkommen ungewöhnlich für die Kultur der Bandkeramiker. Es gibt noch viele Fragen rund um die Funde in Herxheim und einige werden wohl für immer unbeantwortet bleiben. 

Eine typische Bandkeramiker-Flasche, die ebenfalls in Herxheim gefunden wurde. | Foto: GDKE RLP
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Bandkeramiker

Die sogenannten Bandkeramiker - korrekt: die Träger der Linearbandkeramischen Kultur - kamen um etwa 5500 vor unserer Zeitrechnung nach Europa und siedelten vornehmlich in Gebieten mit Lössboden, so die bisherige Forschung. Vom Pariser Becken bis ins Gebiet der heutigen Ukraine lebten sie bis etwa 4900 vor unserer Zeitrechnung von Ackerbau und Viehzucht und stellten Keramik mit den typischen Bändern her, die ihrer Kultur den Namen gab. [rko]

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