Geschichten ums Taschentuch im Museum Herxheim
Trost &Tränen auf kleinem Quadrat

Aus der Sammlung  Prinzhorn stammt das Taschentuch „souvenir tears“ von  Jane Grier.   | Foto: Monika Brückner
  • Aus der Sammlung Prinzhorn stammt das Taschentuch „souvenir tears“ von Jane Grier.
  • Foto: Monika Brückner
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Herxheim. Noch bis 26. September ist im Museum Herxheim die Sonderausstellung „Trost &Tränen auf kleinem Quadrat“ - Geschichten ums Taschentuch zu sehen. Die Ausstellungsmacherinnen Monika Brückner, Kristina Baumert und Rosa Tritschler widmen die Schau einem scheinbar kleinen, alltäglichen Accessoire.
Beim Gang durch die fünf Ausstellungsräume begegnen die Gäste dem Taschentuch in vielen Facetten. Es sind Geschichten ums Taschentuch, die erzählt werden: Kunst in Taschentuchformat, politischer Widerstand, Zeit- und Sozialgeschichte, Literatur und Poesie hat Platz auf diesem meist 30 auf 30 Zentimeter großen Stück Textil.
Ein Schwerpunkt der Schau ist die umfängliche Taschentuch-Sammlung von Liesel Becker. In den 1960er Jahren begann die ehemalige Handarbeitslehrerin mit ihrer Sammlung. Sie hat über tausend Exemplare aus Seide, Batist, Leinen, Baumwolle und Mischgewebe zusammengetragen. Die Sammlung zeigt Damen- Herren- Kindertaschentücher. Braut-, Beerdigungs- Kommunionstaschentücher erinnern an zentrale biografische Stationen der BesitzerInnen. Familienerbstücke. Blickfang der Taschentücher aus Beckers Sammlung sind ihre Umrandungen und Umsäumungen. Sie erzählen von dem geballtem Fleißpotential und der atemberaubenden Kunstfertigkeit ihrer damaligen Herstellerinnen.
Taschentuch, das war einmal. Doch die Kuratorinnen der Ausstellung sind bei ihren Recherchen auf höchst Aktuelles in Sachen Taschentuch gestoßen.
Die Künstlerin Beatriz Schaaf Giesser hat mit ihrem Projekt „global texture – das Taschentuchprojekt“ Das quadratische Stück Stoff zu einem heutigen künstlerisch-kommunikativen Bedeutungsträger gemacht. Schaaf-Giesser erhielt 2009 den 1. Preis für die Arbeit „Bewahren“, bei der 5. Bienal Internacional de Arte Textil in Buenos Aires.
Sie startete im Netz einen Aufruf sich an einem „Taschentuchprojekt“ zu beteiligen. Als Grundlage schlug Schaaf-Giesser vor, ein Taschentuch als Leinwand zu benutzen. Das Echo war überwältigend. Fast 100 Künstlerinnen aus Südamerika und Europa beteiligten sich. In der Ausstellung in Herxheim sind 25 Arbeiten dieses Taschentuchprojektes im Original zu sehen.
Ein weiteres künstlerisches Kleinod ist das über und über mit Garnen und Garnbündeln bestickte Taschentuch der Jane Grier von 1892. Das Taschentuch ist eine textile Ikone aus der historischen Sammlung Prinzhorn des Universitätsmuseums Heidelberg. Das Taschentuch gehört zu einem der ersten Werke, die der promovierte Kunsthistoriker und Arzt Hans Prinzhorn als Assistent der Heidelberger Klinik in seine „Lehrsammlung“ aufnahm.
Das Taschentuch scheint in seiner harmlosen und allgegenwärtigen Materialität besonders in menschlichen Krisensituationen sich als Bedeutungsträger, als Botschaftsträger anzubieten. Hiervon erzählen besonders eindrücklich vier Taschentücher aus dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, die ebenfalls in der Herxheimer Ausstellung zu sehen sind. Die Taschentücher wurden von den Frauen im Lager zum Zeichen für Vernetzung und Zusammenhalt vielleicht auch zur gegenseitigen Bestätigung gefertigt. Sie sind ein bewegendes Zeugnis für die Selbstvergewisserung von Menschen unter extremen Gewalt- und Zwangsbedingungen.
Einen außergewöhnlichen Höhenflug startete das Taschentuch während der Berlinblockade 1948/49. Während die Alliierten ganz Berlin über den Luftweg mit Nahrungsmitteln und Gütern versorgten, hatten die „Rosinenbomber“ für die Berliner Kinder eine besondere Fracht an Bord. Als der Pilot Gail Halvorsen bei einem seiner Anflüge auf Berlin eine Schar Kinder am Rande des Rollfeldes sah, kam ihm die Idee Süßigkeiten für die Kinder abzuwerfen. Er schnürte Schokoriegel und Kaugummis zu einem Bündel und befestigte diese an Taschentüchern, die dann wie Fallschirme vom Himmel fielen. So hat das Taschentuch als Himmelsbote seinen Part beigetragen zum Aufbau der deutsch-amerikanischen Freundschaft. In der Ausstellung können Kinder solche Taschentuchfallschirme bewundern, und, wenn sie wollen, selbst nachbasteln. kl/ps
Information:Taschentücher - Trost & Tränen auf kleinem Quadrat Geschichten ums Taschentuch, 30. Mai - 26. September, Museum Herxheim, Untere Hauptstraße 153
www.museum-herxheim.de
Öffnungszeiten Donnerstag und Freitag von 14 bis 19 Uhr
Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr.

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Autor:

Thomas Klein

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