Der frühe Fachwerkbau in der Pfalz
Das älteste Fachwerkhaus im Kreis Germersheim steht in Jockgrim

Die Ursprünge dieses Hauses gehen auf das Jahr 1503 zurück | Foto: Mirza Hasanovic
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  • Die Ursprünge dieses Hauses gehen auf das Jahr 1503 zurück
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Jockgrim. Bauforscher Dr. Stefan Ulrich fand mit wissenschaftlichen Methoden heraus, dass in Jockgrim das älteste Fachwerkhaus der untersuchten Fachwerkhäuser im Kreis Germersheim steht. Am 15.11.2023 referierte Dr. Ulrich im Zehnthaus Jockgrim über „den frühen Fachwerkbau in der Pfalz – von seinen Anfängen bis ins Jahr 1698“. In seinem Buch mit dem gleichnamigen Titel hat er die Erkenntnisse seiner mehrjährigen Forschung zusammengetragen. Das Gesicht von Dörfern und Städten prägen markante Gebäude aus der Vergangenheit. Sie sind Kulturgut und deshalb wert bewahrt zu werden. Für Jockgrim mit seiner 700 Jahre alten Stadtmauer gilt das ganz besonders. Innerhalb der Stadtmauer stehen nun wissenschaftlich belegt (noch) einige bemerkenswerte historische Gebäude, drei davon aus dem 16. Jahrhundert. Trotz seiner beachtenswerten Geschichte wurde dem Hinterstädtel seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts viel Historisches entrissen. Seit dem 11. Jahrhundert gehört der Hochufersporn zum Herrschaftsbereich des Hochstifts Speyer. Die Bischöfe ließen ab dem 14. Jahrhundert darauf eine Burg und ein Stettlin errichten. Bauten bis zum 16. der 17. Jahrhundert nur die Bischöfe des Hochstifts Speyer in Jockgrim? Häuser von „Privatleuten“ lassen sich erst im 18. Jahrhundert belegen.

Die drei ältesten im Buch aufgeführten Fachwerkhäuser in Jockgrim werfen viele Frage über ihre Entstehung auf. Hier kleine Auszüge aus dem Buch von Dr. Ulrich:

Haus Ludwigstraße 2 zweistöckiger Mischbau mit hofseitig ausladendem Dach aus dem Jahr 1569.
Das ungewöhnliche Erscheinungsbild des Hauses ist auf verschiedene Umbauten zurückzuführen. Indizien weisen darauf hin, dass das Gebäude einmal an einem anderen Platz gestanden haben könnte und später nach Jockgrim versetzt wurde. Auffällig ist das hofseitig auskragende Dach. Das Haus wurde zuerst mit einer streng symmetrischen Giebelfassade genau so breit gebaut wie das Dach ist und war auch länger als heute. Vermutlich wurde um 1723 die hofseitige Fachwerkwand um etwa einen Meter zurückversetzt und das Haus so auf das heutige Maß „gekürzt“. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Das Innere ist durch Umbauten völlig verändert und erlaubt heute keine verlässlichen Aussagen über den ehemaligen Grundriss mehr.

Haus Ludwigstraße 23 ist ein Giebelständiger, zweistöckiger Fachwerkbau von 1566.
Dieses Haus war ursprünglich ein reiner Fachwerkbau; heute ist das Erdgeschoss versteinert. Der Oberstock kragt leicht aus. Der Zierrat an diesem Haus besteht aus geschweiften, genasten und paarweise verbauten Fußstreben. Das Gebäude stand früher wohl frei und war öffentlich einsehbar. Grundriss und Raumeinteilung des Hauses ist nur teilweise nachvollziehbar. Weitere Untersuchungen wären nötig, um zu erkunden, für welchen Zweck das Haus erbaut und wie es im Laufe der Jahrhunderte genutzt wurde.

Haus Ludwigstraße Nr. 33: zurückgesetzter, an die Stadtmauer grenzender traufständiger, zweistöckiger Bau von 1503,   Keller um 1560
Das älteste Haus in Jockgrim und darüber hinaus im Landkreis Germersheim nimmt eine Sonderstellung ein. Handelt es sich hier um die ehemalige, archivalisch belegte Burgvogtei? Auf einem niedrigen Sockel erhebt sich das zweistöckige Gebäude. Die südliche Giebelseite ist weitgehend unverändert. Hauptakzent sind die beiden paarigen, leicht geschweiften Fußstreben, die auf eine Stube in der Südwestecke hinweisen. Die östliche Hausseite wurde massiv umgebaut. Am südwestlichen Eckständer sind auf beiden Seiten Wappenschilde aus dem Holz gearbeitet. Nach diesen Wappenschilden wohnte kein „normal Sterblicher“ dort. Trotz Modernisierung kann man den Grundriss von 1503 nachvollziehen. Im Erdgeschoss lässt sich nicht mehr erkennen wie es genutzt wurde. Wo die Küche gewesen sein könnte und damit auch die Möglichkeit eines zu beheizenden Wohnraums bleibt ungeklärt. Ebenso die Lage der Stiege zum Obergeschoss. Wie wurden die Räume genutzt? Könnte in der hinteren Längszone im Oberstock an der Stadtmauer der Wehrgang durchgelaufen sein? Der Dachstock ist außergewöhnlich konstruiert. Die gesamte Konstruktion des Hauses und vor allem das Dach waren 1503 sehr fortschrittlich. Das lässt einen bedeutenden Bauherrn vermuten.

Soweit Auszüge aus dem Buch von Dr. Stefan Ulrich: Der frühe Fachwerkbau in der Pfalz von seinen Anfängen bis 1689, Selbstverlag der Stiftung zur Förderung der pfälzischen Geschichtsforschung, Neustadt an der Weinstraße 2023

Wer könnte dieser bedeutende Bauherr zu Beginn des 16. Jahrhunderts gewesen sein? Der Bischof von Speyer? Von 1504 bis 1513 war das Philipp I. In der Chronik von Jockgrim wird über die Häuser Ludwigstraße 2, 23 und 33 nicht berichtet. Dr. Dieter Rasimus erwähnte allerdings, dass 1511 mit Wilhelm vom Zeiskam erstmals ein Burgvogt nach Jockgrim berufen wurde. Hat seine Berufung etwas mit dem Bau dieses Gebäudes zu tun? Für welchen Zweck? Als Wohnhaus? Als Amtsgebäude? Außer seines Amtes in Jockgrim ist von Wilhelm von Zeiskam nicht viel bekannt. Die Herren von Zeiskam waren ein Adelsgeschlecht, das sich nach dem pfälzischen Dorf Zeiskam benannte. Die Familie wird erstmals 960 urkundlich erwähnt und gehörte zum Umfeld der Speyerer Bischöfe und Pfälzer Kurfürsten. Auch in Zeiskam steht ein bemerkenswertes Fachwerkhaus vom Beginn des 16. Jahrhunderts, das Dr. Ulrich in seinem Buch dokumentiert hat.

Was war ein Vogt im späten Mittelalter? Ein Vogt war ein Laie (Weltlicher), der Geistliche in weltlichen Angelegenheiten vor allem vor Gericht vertrat und das Kirchengut verwaltete. Er übte im Auftrag für Kirchen die Gerichtsbarkeit aus, denn Geistliche durften sich nicht mit weltlichen Dingen befassen.

Als Dr. Rasimus vor 1992 die Chronik zusammenstellte, standen in Jockgrim noch mehr Fachwerkhäuser als heute. Er erstellte zudem eine Liste mit den Eigentümern der Häuser des Hinterstädtels im Jahr 1792, 1841/1842 und zu einem späteren Zeitpunkt. Neben Haus Nr. 33 beschreibt er im Jahr 1792 einen leeren Hausplatz, auf dem nach 1909 das heutige Haus Nr. 31 erbaut worden sei. Der (vor 1909) leere Platz sei 1792 (Jockgrim war ab 1788 französisch) Versammlungsplatz für Militär, Feuerwehr und Wagentransporte gewesen und lag gegenüber dem Zugang von Haus Nr. 32, dem ehemaligen Gasthaus zur Krone. An der Stadtmauer stand 1792 noch ein Festungsturm mit Zufahrt.

Haus Ludwigstrasse 33 wurde ab dem 19. Jahrhundert (vielleicht auch schon früher) Lehrerwohnung. Über ein Schulhaus vor Beginn des 19. Jahrhunderts gibt es keine Belege. 1818 beschloss der Gemeinderat das einst bischöfliche Schloss abzureißen und an dieser Stelle ein Schulhaus zu errichten. Warum Haus 33 als Lehrerwohnung geeignet erschien und wie es wann für diesen Zweck „umgebaut“ wurde, werden wir vermutlich nicht mehr erfahren.

Artikel zum Vortrag der Vortragsreihe des Arbeitskreises Denkmalschutz im Kuratorium für Kunst und Denkmalpflege e.V., Zehnthaus Jockgrim

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Autor:

Andrea Abt aus Jockgrim

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