Pfälzer Sänger aus Rheinzabern in Griechenland unterwegs
Russischer Chor Mnogaja Leta macht Schlagzeilen auf Kreta
Rheinzabern. Während seiner jüngsten Konzertreise nach Kreta machte der russisch singende Chor Mnogaja Leta aus Rheinzabern und der Südpfalz ordentlich Schlagzeilen. „Haniotika Nea“, die größte Lokalzeitung der zweitgrößten kretischen Stadt, Chania im Westen der Insel, berichtete mehrfach mit Fotos vom Auftritt der Pfälzer Sängerinnen und Sänger unter Leitung von Chordirektorin FDB Olga Sartisson.
Organisiert von Chormitglied Eberhard Reinecke und seiner Frau Gerlinde und unter der äußerst freundlichen und zuvorkommenden Betreuung durch „Costa“ – Dr. Konstantin Krithaki, erlebten die Gäste nicht nur sonnige Tage, sondern brachten selber auch Sonne in die Herzen mancher Kreter und erwiesen sich als gute Botschafter der Südpfalz. Darüber hinaus erfuhren sie so Manches von Geschichte und Kultur Kretas.
Mnogaja Leta gab zwei öffentliche Konzerte. Im Festsaal des Konservatoriums Odeion, wo man auch reichlich geprobt hatte, boten die Pfälzer ein längeres Programm. Etwas kürzer war die Vorstellung in der katholischen Himmelfahrtskirche von Chania mit ihrer ausgezeichneten Akustik. Dirigentin Olga Sartisson hatte ein abwechslungsreiches Liederrepertoire einstudiert, dessen Texte man nicht zu verstehen brauchte, denn die Musik wurde mit dem Herzen gehört, sie ging unter die Haut. Ob zum Beispiel „Swjaty boshe-Heiliger Gott“ oder „Tri angela-Drei Engel“, zeitweilig schien echter Engelsgesang zu erklingen. Beeindruckend auch die „Zwölf Räuber“, eine Klosterlegende, oder „Wsego-to nawsego“ und „Wjun nad wodoj“, die bestens das wiedergaben, was gemeinhin die „russische Seele“ genannt wird. Von diesen russischen Impressionen waren viele deutsche Soldaten tief geprägt und ihr Leben lang ergriffen. Immer wieder intonierte Olga Sartisson auch den Segenswunsch „Mnogaja Leta – Auf viele Jahre!“, wonach sich der Chor seinen Namen gab.
Besonders angetan war das Publikum von zwei griechischen Liedern, die als Zugabe erklangen. „Eleni“, ein populäres Liebeslied, ließ Gänsehaut entstehen. „O Kaimos – Der Schmerz“ von Mikis Theodorakis haben viele griechische Künstler in ihrem Repertoire. Vicky Leandros singt es auf Deutsch unter dem Titel „Ich hab‘ die Liebe gesehen“. Bemerkenswert deshalb die mit großer Empathie interpretierte Version von Eberhard Reinecke im Odeion von Chania. Lang anhaltender Beifall bei beiden Konzerten war der verdiente Lohn.
Im Rahmen einer Stippvisite bei der Zeitung „Haniotika Nea“, welche die Konzerte von Mnogaja Leta durch ihre Berichterstattung tatkräftig unterstützte, übergaben Chorsprecher Walther Thomas und Ortsbürgermeister Gerhard Beil den Erlös der Auftritte an Nikos Aginoglou, den Präsidenten des Kulturvereins "Orpheas", der natürlich hocherfreut war. Walter Thomas betonte dabei das Gründungsjahr der Chorgemeinschaft 1847, in einer Zeit, wo man in Kreta in Unabhängigkeitskriege mit den Osmanen verwickelt war. Gerhard Beil verglich Kreta mit der Pfalz, sind doch beide Regionen in ihrer Geschichte Durchgangslandschaften für verschiedene Völker gewesen, aus deren verschiedenen Einflüssen sie eine eigene Kultur formten. Angesichts der Sprachbarrieren zwischen Griechisch, Russisch und Deutsch zitierte Gerhard Beil den französischen Schriftsteller Emile Zola, der nicht nur den griechischen Freiheitskampf im 19. Jahrhundert unterstützte, sondern auch von der Musik sagte, dass sie Dinge ausdrücken könne, wofür es keine Worte gäbe oder wofür keine Worte notwendig seien.
Mit einem rührend schönen Ständchen bedankte sich Mnogaja Leta bei Fanis Manousakis, Besitzer der Agentur Fanis Film, für die kostenlose Herstellung von Konzert-Plakaten in griechischer Sprache. Fanis Manousakis revanchierte sich mit einer Runde kretischen Schnapses und ließ die Freunde aus Deutschland hochleben. Einmal in Ständchen-Laune, hinterließ Mnogaja Leta auch in Restaurants und im Hotel „Kriti“ musikalische Erinnerungen.
Außer den Konzerten erlebte der Chor auch ein umfangreiches Besichtigungsprogramm im von Minoern, Römern, Byzantinern, Venezianern oder Osmanen geprägten Chania, das zeitweilig Hauptstadt Kretas war. Das historische Stadtbild widerspiegelt ein ständiges Auf und Ab der Geschichte. Zusammen mit dem Hafen von Souza erlebte Chania im Zweiten Weltkrieg heftige Zerstörungen durch die deutsche Wehrmacht, wovon eine Ausstellung im Museum zeugt. Ab dem 20. Mai 1941 wurden über Kreta 10.000 deutsche Fallschirmjäger abgesetzt, wovon bereits am ersten Tag der Luftlandeoperation 4000 Soldaten gefallen waren. Der deutsche Soldatenfriedhof Máleme, übrigens auf der heftig umkämpften Höhe 107 angelegt, entlarvt die Nazi-Propaganda, die auch die grausamen Vergeltungsschläge gegen die kretische Zivilbevölkerung in den Jahren der deutschen Besatzung verschwieg oder als Heldentaten darstellte. Eine Hypothek bis heute.
Bei einem Besuch im Museum für Typografie und Druck in Souza erlebten die Pfälzer Gäste einen Querschnitt durch die Geschichte des Drucks von Gutenberg bis heute. Zugleich gab man Yannis Garedakis und seiner Frau Eleni die Ehre, Inhaber und Gründer der Lokalzeitung „Haniotika Nea“.
Eine Tagestour ins Innere der Insel führte zum Kloster Arkadi südwestlich von Réthimnon, einem besonders symbolträchtigen Ort für den heldenmutigen griechischen Freiheitswillen gegen die jahrhundertelange Türkenherrschaft. In dem einer Festung ähnelnden Bau aus dem 16./17. Jahrhundert ereignete sich am 9. November 1866 eine Tragödie, als Hunderte von Männern, Frauen und Kindern kollektiven Selbstmord begingen, indem sie sich vor den anrückenden türkischen Truppen in die Luft sprengten. Mnogaja Leta hinterließ mit spirituellen Liedern emotionale Spuren.
Idyllisch war es dann am See von Kournás, dem einzigen natürlichen kretischen Süßwassersee mit einem Durchmesser von etwa einem Kilometer. Gespeist wird der See durch Wasser aus einem unterirdischen Höhlensystem. Nicht nur hier ließ es sich bei köstlichem Essen, griechischem Wein und vielen Geschichten gut aushalten, sondern auch in so mancher Taverne an Chanias venezianischem Hafen mit seinem markanten Leuchtturm.
Mit vielen malerischen Eindrücken im Gepäck ging es schließlich wieder in die Pfalz zurück, wo so mancher Reiseteilnehmer noch eine Weile von den wunderbaren Eindrücken zehren dürfte. Gerhard Beil
Autor:Wochenblatt Archiv aus Ludwigshafen |
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