Ein Mann seiner Klasse - Christian Barons Buch im Pfalztheater Kaiserslautern
Kaiserslautern. Vater schlägt Mutter und Kinder, der frühe Tod der Mutter ist zunächst das größte Unglück für Christian – und wandelt sich zu seinem größten Glück. Seine Tante hält das Versprechen, das sie ihrer Schwester am Sterbebett gab, und nimmt die vier Geschwister bei sich auf. Christians Talent zum Schreiben wird entdeckt und gefördert, er arbeitet für die Rheinpfalz, wird Autor und kann leben vom „Wörter-Aneinanderreihen“, wie es sein Bruder nennt.
Von Nadja Donauer
Christian Barons Buch über seine Kindheit in Kaiserslautern „Ein Mann seiner Klasse“ ist weit mehr. Baron schildert die Wutausbrüche und Gewaltexzesse des Vaters und die daraus entstandene Schweigekultur des „Bloß-nichts-Sagens“ und zeigt dabei aber auch Zusammenhänge. Im Juni war das Pfalztheater mit Lesungen on Tour, im Juli wird „Ein Mann seiner Klasse“ als Theaterstück auf der Werkstattbühne im Pfalztheater gezeigt.
Das Stück ist vielmehr Gesellschaftsdrama, denn Christian Baron betont im Interview, dass er kein Überflieger ist, der sich aus seiner Schicht einen respektablen Platz in der Arbeitswelt erkämpfte. Sondern einer, der das Glück im Unglück hatte, gehört, gesehen und gefördert zu werden. Mit dem Preis, dass seine Kernfamilie zerfiel und der Kontakt zum Vater abbrach. Nun sind beide Eltern tot. Und Christian versucht, das Erlebte und die Gründe dahinter neu einzuordnen. Der Vater ist „ein Mann seiner Klasse“. Er handelt, wie er handelt, weil er mit dem Rücken an der Wand steht. Weil ihm als unterbezahlter Möbelpacker kein Freiraum bleibt: Ein Rhythmus aus Schaffen, Essen, Schlafen. Und Trinken - mit dem Ventil Alkohol und dessen Folge von ungefilterter Gewalt gegen diejenigen, die er liebt. Wie dies tausendfach geschieht in Deutschland gegen Frauen und Kinder. Nicht schön und auch nicht selten.
„Die Frauen im Jugendamt, die nach vielen Jahren noch immer dort sind und versuchen, das Schlimmste zu verhindern; sie verdienen höchste Bewunderung“, betont Baron. Soziale Ungerechtigkeit, gegen die der Einzelne machtlos ist.
„Pfadabhängigkeit“ nennen Soziologen diese vorgefertigten Karrieren, wie die Kaiserslauterer Stadtsoziologin Prof. Dr. Annette Spellerberg auf der LKW-Bühne erläuterte. Regisseur Jan Langenheim sah sich die erste, immer ausverkaufte Theaterinterpretation in Hannover an und bringt das Stück nun in Barons Heimatstadt auf die Bühne. Auch Langenheim will mit dem „Mann seiner Klasse“ kein Klischee füttern vom 90er Jahre Proll mit Bierdose in der Hand, schlechtem Atem und derben Sprüchen. Er möchte leise und vielschichtige Töne verarbeiten - Stimmen, die sonst ungehört bleiben. In einer Roadshow gab es zuvor acht Lesungen mit Expertenvorträgen an öffentlichen Orten - vom sogenannten Sozialbrennpunkt Asternweg bis zum Pfalztheater-Vorplatz. Anschließend war das Publikum aufgefordert, ihre eigenen Geschichten zu teilen. Dramen, Erfolgsstorys, Liebesgeschichten – was das Leben so schreibt. So gleicht sein Konzept der Message der Autobiographie: In echten Kontakt zu kommen und den bislang Unbemerkten zuzuhören. Jenen, die ähnliches erlebt haben oder jenen aus dem klassischen Bildungsbürgertum, die berichten, dass sie nun gezeigt bekamen, was Armut und häusliche Gewalt bedeuten.
Baron hat seit April ebenfalls eine neue Rolle: Er ist Papa, will sich noch bewusster an die liebevollen Seiten seines Vaters erinnern. Zeitgleich mit den Endproben am Pfalztheater beginnen in Kaiserslautern Dreharbeiten zur ARD-Verfilmung, die Mitte Juli abgeschlossen werden.
Weitere Informationen:
„Ein Mann seiner Klasse“ wird bis Mittwoch, 19. Juli, im Pfalztheaters gezeigt, alle Vorstellungen sind jedoch bereits ausverkauft. Weitere Vorstellungen in der nächsten Saison sind möglich. Infos online unter www.pfalztheater.de
Autor:Nadja Donauer aus Kaiserslautern |
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