Wiedersehensfreude, Normalität und Regelfiasko
Ein Wechselbad der Gefühle für die Kultur
Von Ralf Vester
Kultur. Die Kulturveranstalter und Künstler hatten es auch im zweiten Corona-Jahr weiß Gott nicht leicht. Nach einem elend langen Lockdown im vergangenen Winter, der bis weit hinein ins Frühjahr 2021 reichte, durften sie erst im Mai/Juni sehr zur Freude der kulturell ausgehungerten Besucher wieder ihrer Arbeit nachgehen. Und was gab es in diesem Jahr nicht alles für Regelungen, an die es sich immer wieder aufs Neue penibel zu halten galt: 3G, 2G, 2Gplus, 2Gplus plus etc., etc.
Es war ein Jahr zwischen großer Wiedersehensfreude, zahlreichen Highlights, einem Hauch von Normalität trotz Corona und behördlichem Regelwirrwarr. Eins steht zweifelsfrei fest: Die Kultur hat sich auch bei den großen und kleinen Veranstaltern in Kaiserslautern nachweislich nicht als Infektionstreiber erwiesen. Dank exzellenter Hygiene- und Sicherheitskonzepte gab und gibt es für die Menschen kaum einen sichereren Ort, an dem sie sich in Zeiten der Pandemie aufhalten könnten.
Kulturzentrum Kammgarn
Kammgarn-Chef Richard Müller kommt derzeit aus dem Kopfschütteln kaum mehr heraus. Beinahe täglich muss er den Besuchern immer neue, von der Politik verordnete Einlassregelungen servieren. Mit der 2G-Regelung fuhr das Kulturzentrum seit Anfang Oktober für eine ganze Weile durchaus gut. Die Vorgabe, dass lediglich Geimpfte und Genesene Zutritt zu den Veranstaltungen haben durften, sorgte zwar nicht unbedingt für überbordende Ticketverkäufe, aber der Wegfall von Abstandsgebot und Maskenpflicht brachte fast wieder das lang ersehnte Flair beim Publikum.
Dann war plötzlich die 2Gplus-Regelung mit Testpflicht auch für die Geimpften und Genesenen angesagt, die den Vorverkauf in der traditionell so besucherstarken Kammgarn zusätzlich erschwerte. Kurz darauf hieß es, dass wenigstens die Geboosterten von der Testpflicht befreit seien. Wenig später dann der Hoffnungsschimmer, doch wieder auf 2G zurückgehen zu können, wenn auch mit erneutem Abstandsgebot und Maske sogar am Platz. Und als Krönung nun doch wieder die von der Obrigkeit angeordnete Rückkehr zu 2Gplus samt Abstands- und Maskenpflicht – quasi 2Gplus plus.
„Einerseits erlaubt man die Durchführung von Veranstaltungen zwar noch, aber im gleichen Atemzug wird die Bevölkerung darum gebeten, Menschenansammlungen zu meiden und die Zahl der Kontakte auf ein Minimum zu beschränken“, ärgert sich Richard Müller über den ungelenken Widerspruch. Seiner Ansicht nach wäre ein kurzer Lockdown für die Kultur bis Jahresende wesentlich konsequenter als dieser bunte Strauß an immer neuen Einschränkungen, der für Veranstalter und Künstler de facto doch einem unausgesprochenen Lockdown gleichkomme und null Planungssicherheit gebe.
Sei’s drum, die Kammgarn zieht das durch diverse Absagen seitens der verunsicherten Künstler ausgedünnte Programm dennoch gewohnt engagiert durch. Bis zum Jahresende stehen noch einige Events auf dem Tableau. Darunter als besondere Highlights die beiden „Wir warten aufs Christkind“-Konzerte am 22. und 23. Dezember, für die Sänger Stephan Flesch auf allen Kanälen wie ein Löwe um jeden weiteren Besucher kämpft.
Fernab vom Ärger über den Regelwirrwarr kann die Kammgarn trotzdem auf eine erfolgreiche, coronabedingt jedoch entsprechend kurze Saison 2021 zurückblicken. Das Team um Richard Müller hat stets das Beste aus der Situation gemacht und das Publikum mit Highlights aus Musik, Kabarett und Comedy verwöhnt. So konnten sowohl das traditionsreiche Internationale Jazz-Festival als auch die beliebte Konzertreihe „Nuit de la Chanson“ gestemmt werden.
Fruchthalle
Das Beste aus der Situation gemacht und dabei ihr Publikum mit zahlreichen Höhepunkten verwöhnt haben auch andere Kulturveranstalter in Kaiserslautern. Die Fruchthalle wartete nach dem gefühlt ewig langen Lockdown mit einem großartigen Programm auf und sorgte wie auch die Kammgarn mit exzellenten Hygiene- und Sicherheitskonzepten dafür, dass die Gäste zu jeder bestmöglich geschützt und mit einem guten Gefühl die dargebotenen kulturellen Genüsse erleben konnten.
Hochkarätig besetzte Konzerte saugten die kulturhungrigen Besucher genauso dankbar auf wie beispielsweise das grandiose Literaturfestival im September, bei dem sich nationale und internationale Stars wie Klaus-Maria Brandauer, Suzanne von Borsody, Elke Heidenreich und Christian Brückner ein Stelldichein in der Barbarossastadt gegeben haben. Das geplante Programm konnte trotz der herausfordernden Rahmenbedingungen ausnahmslos durchgezogen werden und hält unter anderem mit zwei Silvesterkonzerten am 30. und 31. Dezember weitere Highlights bereit.
Der städtische Kulturdezernent Dr. Christoph Dammann spricht sich eindeutig gegen einen kulturellen Lockdown aus: „Das wäre ein fatales Signal für die Branche. Kultur ist absolut unverzichtbar, weshalb es eminent wichtig ist, dass Künstler weiter vor Live-Publikum spielen dürfen“, hält Dammann ein flammendes Plädoyer für die Kultur.
Pfalztheater
Ins gleiche Horn stößt Pfalztheater-Intendant Urs Häberli, für den ein Lockdown ebenfalls den am wenigsten gangbaren Weg darstellt. Auch sein Haus hat sich eine Menge kreative Lösungen einfallen lassen, um die stark verkürzte Zeit des Spielen-Könnens optimal zu nutzen. Die Idee, die Sommerzeit mit einem Hoftheater mit Stücken wie etwa „Romeo & Julia“ zu nutzen, fand im Sommer überaus regen Anklang beim Publikum.
Begeistert zeigten sich die Gäste auch von den bisherigen Darbietungen der Spielzeit 2021/2022 im Großen Haus. Die Rockoper „Last Paradise Lost“ feierte im Oktober einen ebenso umjubelten Einstand am Pfalztheater wie beispielsweise das Bühnenstück „Tyll“ oder die Rossini-Oper „Eine Italienerin in Algier“.
An Silvester und Neujahr erwartet die Besucher zum Jahreswechsel das beliebte Neujahrskonzert des Pfalztheaters, das gleich zweimal gespielt wird. Auch im kommenden Jahr stehen attraktive Vorstellungen auf dem Spielplan. „Wir hoffen, kontinuierlich weiterspielen zu dürfen und tun alles dafür, dass sowohl unser gesamtes Team als auch unser Publikum gut und gesund durch die nächsten Monate kommen“, sagt Urs Häberli.
Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern (mpk)
Auch im Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern (mpk) kamen die Besucher trotz des coronabedingt eingeengten Zeitrahmens voll auf ihre Kosten. Eindrucksvolle Ausstellungen wie die faszinierende Sammlung „Die Sprache der Dinge“ der Keramikerin Lotte Reimers standen auf dem abwechslungsreichen Terminkalender für das Jahr 2021. „Jammerschade war allerdings, dass die einzigartige Ausstellung „Lichtblicke„ mit Werken des bedeutenden Licht- und Objektkünstlers Adolf Luther fast vollständig in die Zeit des Lockdowns fiel und somit nur ganz kurz für Besucher physisch zugänglich war“, bedauert Dr. Britta E. Buhlmann.
Das Team um die Museumsleiterin stellte zudem innovative Formate wie Online-Museumsgespräche, -Führungen, -Märchenstunden, -Mal- und -Bastelformate erfolgreich auf die Beine. Umfangreich sind auch die Schenkungen, mit denen Künstler, Sammler und Galerien das renommierte Haus bedacht haben. Eine Auswahl der Buhlmann sehr ans Herz gewachsenen Werke stellt derzeit die Ausstellung „Finale – Director’s Cut“ zum im Frühjahr bevorstehenden Abschied der langjährigen Leitern des mpk aus.
„Mich freut ganz besonders der große Zuspruch von Besuchern aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland. Zahlreiche Gäste aus Kunstmetropolen wie Berlin, München, Düsseldorf und Bonn zeigen, dass wir ein Haus der Entdeckungen sind, das sich weit über unsere Region hinaus einer großen Wertschätzung und Beliebtheit erfreut“, unterstreicht Dr. Britta E. Buhlmann.
Salon Schmitt
Die jüngsten Corona-Verordnungen machen es kleineren Kulturveranstaltern mit räumlich begrenzten Möglichkeiten nahezu unmöglich, überhaupt noch den Betrieb aufrecht zu erhalten. So hat sich der Salon Schmitt inzwischen dazu entschlossen, in den Standby-Modus überzugehen. „Wir hatten eine entspannte Sommersaison mit schönen Konzerten und der Feier unseres sechsjährigen Jubiläums. Auch zwei Konzerte mit irischen Bands im September und Anfang Oktober waren mit je 50 Besuchern ausverkauft“, berichtet Michael Halberstadt.
Der seit Oktober um sich greifende Regel-Hickhack mit immer neuen Auflagen hat den Salon Schmitt letztlich zu dem konsequenten Schritt bewogen, die Indoor-Konzertsaison in der intimen Atmosphäre seiner Räumlichkeiten bis auf Weiteres zu unterbrechen. Die kleine Crew um Daphne Landenberger und Michael Halberstadt überbrückt die Zeit derweil mit der Entwicklung neuer Formate und hofft darauf, bei gutem Wetter im Frühjahr im Innenhof zügig wieder loslegen zu können. Erste Konzerte ab März 2022 sind bereits gebucht. rav
Autor:Ralf Vester aus Kaiserslautern |
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