Pfalztheater: Klassiker im Großen Haus und auf der Werkstattbühne
Goethe im Hier und Heute
Zwei Mal Goethe – einmal mit den „Leiden des jungen Werthers“ als Schauspiel auf der Werkstattbühne und einmal in Form von Charles Gounods Oper „Faust (Margarete) auf der Großen Bühne im Pfalztheater. Da kommen sowohl die Fans von Klassikern als auch die von Schauspiel und Oper voll auf ihre Kosten. Aber so viel schon einmal vorweg: Auch wenn man (noch) zu keiner der Kategorien gehört, beide Stücke sind absolut sehens- und entdeckenswert. Das Pfalztheater zeigt mit seinen Inszenierungen, wie spannend beide Geschichten sind, und dass sie auch heute noch auf die Bühnen gehören.
Die Leiden des jungen Werther
Allen voran die Inszenierung von Schauspieldirektor Harald Demmer. Er bringt Goethes Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“ jung und frisch, mit einem Augenzwinkern und Humor auf die Werkstattbühne. Da kommt Werther, der junge Rechtspraktikant, der sich erst vor kurzem auf dem Land niedergelassen hat, bei einer Tanzveranstaltung Lotte kennenlernt und sich Hals über Kopf in sie verliebt, in der Lederjacke. Lotte, ebenfalls modern gekleidet, ist schon mit dem eher spießigen und etwas altbackenen Albert verlobt, verhält sich Werther gegenüber aber nicht unbedingt ablehnend. Obwohl Werther seine aussichtslose Liebe zunehmend erkennen muss, hält an seiner Liebe bedingungslos fest und verzweifelt daran. „Lass und Freunde bleiben“ funktioniert auch bei Werther nicht und sein Liebesrausch wird nach und nach zur „Krankheit zum Tode“...
Harald Demmer schafft es, in 100 Minuten Spannung aufzubauen und den Zuschauer mitlachen und mitleiden zu lassen. Das gelingt ihm unter anderem auch durch die Verbindung von der Goethe-Sprache und unserer Alltagssprache. So erzählt Lotte zu Beginn wahrlich eindrucksvoll Szenen aus ihrem Lieblingsbuch „American Psycho“, verteilt im Publikum „Werthers Echte“ Bonbons und der wiederum erzählt auch mal Witze. Das erlaubt dem Publikum „Pausen“ und ermöglicht es dann wieder mühelos den Goethe-Texten in Originalsprache zu folgen. Grandios umgesetzt wird das alles von den drei Akteuren auf der Bühne. Neuzugang Robin Meisner spielt den Werther so echt, dass man von himmelhochjauchzend bis totunglücklich mit ihm mitfühlt. Neu am Pfalztheater ist auch Marie Scharf, die eine überzeugende und lebendige Lotte auf die Bühne bringt. Und Oliver Burkia überzeugt als Albert sowohl mit seiner Darstellung als auch mal wieder mit seinem musikalischen Können am Klavier. Dazu kommt ein Bühnenbild, das Anspielungen auf ein altes Kino macht, ein mit Graffiti übersprühtes altes Historienbild zeigt und mit Neonlicht Akzente setzt. Ebenso gelungen ist auch die Abgrenzung der Räume, die dem Zuschauer zum Beispiel durch folienbeklebte Wohnungen auch den Blick in die private Welt der Akteure ermöglicht. Und wenn Werther zum Hirsch wird, ist sein Lieben und Leiden perfekt optisch umgesetzt. Ein Stück, das man in dieser Spielzeit gesehen haben muss.
Gounods Faust
Ebenso sehenswert ist Charles Gounods Oper „Faust“, die (bis auf das Libretto) nicht auf Goethes Faust I sondern auf der „Faust“-Bearbeitung als Boulevardstück „Faust et Marguerite“ basiert, in der Margarete (das Gretchen) im Mittelpunkt steht. Die Geschichte ist bekannt: Der alte Faust ist seines Lebens und seiner Forschungen überdrüssig. Eigentlich will er sich das Leben nehmen, doch der teuflische Mephisto verspricht ihm neue Jugend – für den Preis seiner Seele. Faust schreckt zurück, doch da lässt Mephisto das Bild Margaretes aufscheinen. Von dieser Vision verzaubert, geht Faust den höllischen Pakt ein, dessen Opfer die unschuldige Margarete wird. Verführt und geschwängert von Faust, dann von ihm sitzen gelassen, endet sie von allen verstoßen und von ihrem Bruder Valentin verflucht als Kindsmörderin im Kerker. Fausts Reue kommt zu spät, aber Gounods Version endet für Margarete anders als bei Goethe. Mephisto brüllt: „Gerichtet!“, ein himmlischer Chor aber antwortet: „Gerettet!“
Herausragend sind Wieland Satter als befrackter Teufel Mephistopheles und Susanne Langbein als Margarete, und Daniel Kim überzeugt stimmlich als Doktor Faust. Überhaupt ist diese Oper ein grandioses musikalisches Werk. Unter der Leitung des neuen Ersten Kapellmeisters Oliver Pols sorgen das Pfalztheater-Orchester gemeinsam mit dem Chor und Extra-Chor des Pfalztheaters für Gänsehautmomente, insbesondere am Ende, wenn der Chor von hinten über das Publikum hinweg singt. Das alles in einem Bühnenbild auf der Drehbühne des Pfalztheaters, das wie die Geschichte, zwei Seiten hat: Das Leben, dargestellt mit dem 1886 von Gustave Courbet gemalten und zur damaligen Zeit „skandalösen“ Gemälde „Ursprung der Welt“, und der Tod, der als Hörsaal der Pathologie optisch das Ende des Lebens aufzeigt. Ein Gesamtwerk, das ebenfalls das Prädikat „absolut sehenswert“ verdient, und von Opernliebhabern, und solchen, die es werden wollen, auf die To-see-Liste dieser Spielzeit gehört.
Autor:Petra Rödler aus Kaiserslautern |
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